Oberliga Mittelrhein
Jonathan Benninghaus: „Handball ist nicht alles im Leben“
Der ehemalige Bundesliga-Profi ist eine überragende Erscheinung und heute die tragende Säule der HSG Refrath/Hand. Sein Blick geht über den Tellerrand hinaus.

Volle Kraft voraus: Jonathan Benninghaus hat immer Tor und Mitspieler im Blick. (Fotos: Thomas Schmidt)

Er fällt auf. Erstens: Da steht einer auf dem Feld, der weiß, wie Handball geht. Zweitens: Jonathan Benninghaus ist im wahrsten Sinne des Wortes ein überragender Typ. Mit seinen 2,02 Metern wäre er definitiv auch ganz gut auf der Königsposition im halblinken Rückraum aufgehoben. Aber der 29-Jährige zieht heute lieber die Fäden im Spiel der HSG Refrath/Hand. „Ich bin der längste Mittelmann in der Oberliga“, sagt einer, der früher im ganz großen Handball zu Hause war. Benninghaus? Da werden die meisten schwer nachdenken müssen. Wer Jonathan sieht, den alle Jonny nennen, dürfte spontan reagieren: „Den kenn‘ ich doch.“ Ist auch richtig. Da hieß der einstige Bundesliga-Spieler allerdings Jonathan Eisenkrätzer – bis zur Hochzeit 2017: „Wir wollten keinen Doppelnamen und wir wollten nicht, dass jeder seinen eigenen Namen behält. Wir wollten etwas Gemeinsames.“ Also hieß Jonathan fortan Benninghaus – was für ihn weder ein Problem noch viele Worte wert war. Selbst die ungewohnte Unterschrift ging ihm gleich ohne Mühe von der Hand.

Jonathan Benninghaus kam 2005 aus der Jugend der JSG Obernburg/Erlenbach ans Handball-Internat des VfL Gummersbach. Er war kaum 16 und beschloss, sein Glück im bezahlten Sport zu versuchen. Das gelang auch, denn 2008 gab ihm der ruhmreiche VfL einen Profi-Vertrag. Nach 2011 wechselte der Rückraumspieler zum TV Großwallstadt, ehe er zum TSV Bayer Dormagen ging und mit seinem neuen Verein 2014 direkt in die 2. Bundesliga aufstieg. Die Verbindung hielt bis zum November 2017. Was für manche wie ein stetiger Abstieg aussehen mag, ist für Jonathan Benninghaus noch heute eine in sich sehr schlüssige Entwicklung. Früher waren seine Themen die Junioren-Nationalmannschaft, der Europapokal, das Final Four im DHB-Pokal und Spiele gegen die Top-Stars aus den Top-Klubs wie Flensburg oder Kiel. „Ja, ich war Profi und ich konnte gut davon leben“, berichtet Benninghaus, „aber ich habe mir sehr früh die Frage gestellt, was nach der Karriere kommt.“ Da blickt einer über den Tellerrand hinaus.

„Du musst den jungen Leuten auch die Kehrseite der Medaille zeigen“, findet Benninghaus, der rechtzeitig zwei wichtige Dinge für sich entdeckte. Erstens: Nach ganz, ganz oben in die Klasse jener, die von ihrem Gehalt ausreichend viel zurücklegen können, wirst du es nicht schaffen. „Geld war auch nie das Entscheidende für mich“, meint Benninghaus. Zweitens: „Handball ist nicht alles im Leben.“ So kam dem Handballer, der mit vier Jahren zum ersten Mal in einer Halle stand, der Einstieg bei der Stadt Dormagen sehr gelegen – für die er inzwischen hauptberuflich in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit tätig ist. Seine Ideen und seine Taten kamen von Beginn an gut an, sodass sich Beruf und Sport allmählich immer schwieriger miteinander vereinbaren ließen. Gleichzeitig bekam Benninghaus in Dormagen zuletzt weniger Spielanteile als erhofft, sodass irgendwann die Zeit für den nächsten Schritt reif war.

Prüfender Blick: Trainer Mario Jatzke sieht für die HSG Refrath/Hand gute Perspektiven.

Benninghaus bekam vom TSV Bayer Dormagen die Freigabe für den Fall eines vorzeitigen Wechsels und natürlich gab es einige Interessenten, die sich gerne seine Dienste sichern wollten. Den Zuschlag erhielt die HSG Refrath/Hand, die seinerzeit im November 2017 in den Kampf gegen den Abstieg verstrickt war, sich dann mit Benninghaus deutlich stabilisierte und am Ende auf Rang acht mit 25:27 Zählern noch fast ein ausgeglichenes Konto erzielte. Ein Jahr darauf sprangen bereits der vierte Platz und 37:15 Punkte heraus. Klar: Das hatte auch mit dem Einsatz des Ex-Profis zu tun, der sich bei der HSG richtig wohlfühlt und natürlich als Führungsspieler der verlängerte Arm seines Trainers Mario Jatzke ist. Benninghaus und der Coach finden die fast identischen Worte: „Es macht viel Spaß, mit den Jungs zu arbeiten.“

Der Trainer und sein verlängerter Arm: Mario Jatzke und Jonathan Benninghaus.

Bei allem Vergnügen ist natürlich der sportliche Ehrgeiz die Triebfeder für das intensive Training. Klar: Mit Mittelmaß will sich der Verein aus Bergisch Gladbach nicht begnügen und alle freuen sich bereits besonders auf die Top-Spiele gegen die anderen starken Mannschaften. „Wir wollen Platz vier aus der vergangenen Saison bestätigen“, erklärt Jatzke, der die HSG als „sehr gut geführten Verein mit einem großen Einzugsgebiet“ bezeichnet. Der Kader für die kommende Saison ist noch einmal stärker geworden. Vom Drittligisten Longericher SC kam Kreisläufer Michael Wittig und von Bayer Dormagen der Linksaußen Tyron Hartmann (20) zur HSG, die in Lennart Niehaus (19) über einen Linkshänder mit extrem hohem Potenzial verfügt. Wittig und Benninghaus sind im jungen Kader von Mario Jatzke erstens die Abteilung Routine und zweitens vermutlich ein Deckungs-Bollwerk. Ganz vorne bleibt Jonathan Benninghaus der Dreh- und Angelpunkt. Sein persönlicher Wunsch: „Ich würde gerne besser werfen.“ Das ist ein bisschen wie „Jammern“ auf hohem Niveau. Ein herausragender Typ bleibt er ja trotzdem.