24. Juli 2024 | Zurück zur Artikelübersicht » |
Damals war alles anders und die Unitas Haan klopfte zwischendurch sogar mal an die Tür zur 2. Bundesliga. Von 1988 bis 2006 dauerte jener Aufenthalt in der Regionalliga, die seinerzeit hinter dem mehr oder weniger professionellen Bereich immerhin die dritthöchste Klasse war. David Horscht (37) erinnert sich noch ganz gut an die eine oder andere Partie, die er in viel jüngeren Jahren miterlebte: „Ich habe als Zuschauer auf der Tribüne gesessen.“ Am Ende des Abenteuers mit größeren finanziellen Herausforderungen stand dann allerdings eine Mischung aus Zwang zum Sparen und diese Erkenntnis: Der Verein konnte den nötigen finanziellen Aufwand nicht mehr stemmen und entschloss sich zum Neustart in der Landesliga. Inzwischen gilt das Unternehmen „Unitas 2020 ++“, zu dessen Kernpunkten unter anderem eine „Rückkehr in obere Spielklassen“ gehört. Über die Landesliga und die Verbandsliga stieg Haan zunächst auch in die Oberliga Niederrhein auf, die seit 2014 die sportliche Heimat der ersten Mannschaft wurde. Bis jetzt. Vor ein paar Wochen gelang dem Team als Erster jener Oberliga souverän der Aufstieg in die Regionalliga Nordrhein – die zwar inzwischen hinter der 1. Bundesliga, der 2. Bundesliga und der damals nicht existierenden 3. Liga „nur“ die Nummer vier im Lande ist, aber für die Unitas ein ziemlich passendes neues Zuhause. Unter dem Strich war die Meisterschaft letztlich vor allem das Ende eines besonderen Steigerungslaufs: In der Saison 2021/2022 hatte Rang drei hinter dem Bergischen HC II (43:5 Punkte) und Borussia Mönchengladbach (42:6) nicht gereicht, in der Saison 2022/2023 genügte die Vizemeisterschaft (45:7) hinter der Borussia nicht (50:2). Und vierte Plätze hatte die Unitas vorher wie Briefmarken gesammelt (2016/2017, 2017/2018, 2019/2020). Nicht nur deshalb kann David Horscht, dem Haaner Handball schon immer eng verbunden, die Euphorie nach dem Aufstieg sehr gut verstehen: „Es war ein langer Weg, allen ist ein Stein vom Herzen gefallen.“
Was in der höheren Klasse bleiben soll: „Auf die Heimspiele wird es ganz besonders ankommen. Wir wollen die Halle Adlerstraße zu einer Festung machen.“ Das ist der Mannschaft in der vergangenen Serie ja ganz gut gelungen, denn in 13 Partien mit den eigenen Fans im Rücken gab es keine Niederlage, aber zwölf Siege und beim 31:31 am 18. Februar gegen den TSV Kaldenkirchen nur ein Unentschieden. Mit seinen 847:652 Treffern und einem Torverhältnis von plus 196 lieferte Haan sowohl defensiv als auch offensiv jeweils den Bestwert für die Oberliga Niederrhein ab – was im Übrigen einen Durchschnittswert von 32,57:25,02 ergab. Das wiederum lag im Zusammenspiel mit den beiden Torhütern Tobias Joest (30) und Christopher Seher (33) nicht zuletzt am herausragenden Wirken der Abwehr mit den langen Andreas Nelte (42) und Pascal Schusdzarra (30), auf die Haan jetzt im Innenblock nicht mehr bauen kann: Beide entsprachen dem Prototypen des deckungsstarken Kreisläufers, sodass sie nun vorne ebenfalls fehlen werden. Sogar ein Abschiedsspiel gab es im Mai für Unitas-Urgestein Christian Mohaupt (36), der seine lange Karriere im Trikot der Unitas beendete. Sein Nachfolger auf der Linksaußen-Position ist Julian Schulz (27), der vom benachbarten Regionalliga-Absteiger SG Langenfeld nach Haan kommt. Weitere Neue sind Etienne Mensger (30/zuletzt als Rechtsaußen für Interaktiv.Handball in der 3. Liga aktiv), Kreisläufer Phillip Rath (25/vom Klassenkonkurrenten HG Remscheid) und Rückraumspieler Jan Micus (23/vom Oberliga-Vizemeister LTV Wuppertal).
Micus bringt aus der vergangenen Serie eine Art eingebauter Treffergarantie mit, denn mit 221 Toren in nur 21 von 26 Spielen war er bei 10,52 Treffern pro Partie die klare Nummer eins unter den Torjägern in der Oberliga Niederrhein – vor David Jurisic (Neusser HV), der für ebenfalls starke 210 Tore vier Partien mehr brauchte (25/8,40). Ein Handicap des begehrten Linkshänders: Micus (nach Meniskusverletzung) muss sich wie die Teamkollegen Felix Korbmacher und Steffen Hambrock erst auf hundert Prozent zurückkämpfen. Nicht an der Zahl seiner Tore zu messen, dafür aber umso mehr an seiner maximalen Erfahrung, seiner Leidenschaft für den Handball und seiner intensiven Kenntnisse sowohl der Unitas als auch des gesamten Handballs in der Gegend, ist Jürgen Tiedermann. Weil der bisherige Co-Trainer Matthias Aschenbroich den Haanern aus zeitlichen/privaten Gründen nicht mehr zur Verfügung stehen kann, begann die Suche nach einer geeigneten Neubesetzung der Position – und der Klub wurde in der Nähe mit einer Ideallösung fündig. „Wir standen über die Jahre immer in Kontakt“, sagt David Horscht, der einst selbst unter der Federführung des erfahrenen Kollegen auf der Platte stand, sich sehr auf die neue Saison mit dem 59-Jährigen an seiner Seite freut und zudem glaubt, dass die Spieler von der Zusammenarbeit profitieren: „Vielleicht ist er so etwas wie eine Vaterfigur.“ Weil Horscht und Tiedermann ein tiefes gegenseitiges Vertrauen verbindet, können sie sich außerdem bei Bedarf – wie in der Urlaubsvertretung – blind aufeinander verlassen. Arbeiten werden sie dabei mit einem Kader aus 18 Spielern, der mittelfristig jünger werden soll/muss – und gezwungen sehen sie sich aktuell, vor allem in der Abwehr einiges umzustellen sowie im Angriff zuzulegen: „Wir hatten bisher Probleme gegen offensive Deckungen.“
Ohne die alleine durch ihre körperliche Präsenz überragenden Abwehrspieler Nelte und Schusdzarra kommt die bisher bevorzugte 6:0-Abwehr zwar nicht in die Mottenkiste, sie wird jedoch nur noch ein mögliches Mittel sein – und die Deckung vorwiegend offensiver werden, um dadurch vorhandene physische Nachteile im Zentrum auszugleichen. „Wir bereiten uns auf ein anderes System vor“, erklärt Horscht, der – anders als manche Kollegen – darauf verzichtet hat, die Vorbereitung in zwei Phasen zu teilen. Deshalb gab es nach dem Ende der Saison gleich eine längere Pause und seit dem Vorbereitungsstart am 22. Juni mit einem Mannschaftsabend zieht die Unitas ihr Programm bis zum Meisterschaftsbeginn am ersten September-Wochenende durch. Erste Tests machten dem Unitas-Coach gerade angesichts der nicht einfachen System-Umstellungen viel Mut: Gegen den Oberliga-Aufsteiger Ohligser TV gewann Haan mit 30:20 und gegen den Regionalliga-Aufsteiger HSG Gevelsberg-Silschede aus Westfalen mit 39:29, weil bereits einige Dinge in die richtige Richtung liefen. Für den nächsten Test, der nach einem intensiven Alternativ-Programm und der Rückkehr am 30. Juli in die momentan geschlossene Halle erst am 4. August folgt, greift der Wieder-Regionalligist aus dem Verband Nordrhein sogar in ein noch höheres Regal – denn es geht zum Drittligisten Bergische Panther. Der hat zwar in Erwin Reinacher als Nachfolger von Marcel Mutz einen neuen Trainer und einen allgemeinen personellen Umbau zu verwalten, wird die Haaner aber vor die bisher größte Herausforderung stellen.
Was die Unitas für die Saison 2024/2025 ganz sicher weiß: Sie geht am 8. September um 11.15 Uhr mit dem Heimspiel gegen den HC Weiden los und eine Woche darauf folgt am 14. September das Derby in Solingen beim Bergischen HC II. Weiden beendete die vergangene Serie mit 29:23 Punkten auf dem vierten Platz, während der BHC II lange um den Klassenerhalt bangen musste und letztlich mit 22:30 Punkten als Elfter durchs Ziel kam. Die Nachricht dahinter: Die Regionalliga war sehr ausgeglichen – und es wird demnächst vielleicht noch „schlimmer“. Für David Horscht ist das Ziel der Unitas genau deshalb einfach formuliert: „Ich sehe gerade noch keinen klaren Favoriten. Wir wollen nichts mit dem Abstieg zu tun haben, das wird anstrengend und eine Herausforderung. Und wir freuen uns, in der Regionalliga unsere Visitenkarte abzugeben. Wichtig wird sein, dass wir gut in die Saison kommen. Kurzfristig kann es nur unser Ziel sein, die Klasse zu halten.“ Auch das wird ein langer Weg bis zum letzten Spieltag am 10. Mai 2025 gegen den TSV Bayer Dormagen II. Eine gute und erfolgreiche Saison wird es vor allen Dingen dann gewesen sein, wenn sich Horscht anschließend wiederholen kann: „Allen ist ein Stein vom Herzen gefallen.“