26. Juli 2024 | Zurück zur Artikelübersicht » |
Grundsätzlich lässt sich Marcel Trinks durch fast nichts aus der Ruhe bringen. Kein Wunder: Schließlich hat der 46-Jährige einen breiten Schatz an Erfahrungen mit zur HSG Siebengebirge gebracht, bei der er 2023 zunächst als Jugendkoordinator einstieg. Was unter anderem in der Vita des erfahrenen Trainers mit A-Lizenz steht: Mitglied im Lehrstab des Pfälzer Handball-Verbandes (dort 2019 auch zum Vizepräsidenten Lehrwesen berufen) und des Handball-Verbandes Rheinland, Landestrainer Rheinland-Pfalz und Verbandstrainer Rheinland, Aufstiege mit dem SV Urmitz (bis in die Rheinlandliga), Interessen-Schwerpunkt bei der Förderung von Talenten für den Seniorenbereich. In der Summe war er damit der ideale Kandidat für die HSG, deren Aufstiegstrainer Lars Degenhardt den Verein rechtzeitig darüber informiert hatte, dass er in Zukunft aus familiären und beruflichen Gründen seinen Schwerpunkt anders setzen werde. Gleichzeitig konnte Trinks, der beruflich außerhalb des Handballs im Bereich IT-Sicherheitstechnik arbeitet, schnell unter Beweis stellen, dass er sich in der Kunst des Improvisierens versteht – weil im Juli keine Halle fürs handball-spezifische Training mit Ball zur Verfügung steht. Und da der Neue gleichzeitig ein Anhänger der Ein-Phasen-Vorbereitung ohne Unterbrechung und ohne Stückelung in zwei Teile daherkommt, griff er zu einer sehr praktischen Lösung: „Wir haben unseren Schwerpunkt zurzeit im Outdoor-Training mit Athletik und Ausdauer.“ Das bedeutet, dass seine Spieler gerade noch sehr viel unterwegs sind – natürlich immer orientiert an dem, was sie etwa an Schnelligkeit oder Durchhaltevermögen demnächst auf der Platte brauchen. Das wird vermutlich nicht wenig sein, denn die am 7. September beginnende Saison dauert mit ihren 26 Spielen immerhin acht Monate und endet erst am 10. Mai 2025. Was dabei auf den ersten Blick erstaunlich ist: Siebengebirge ist zwar als Meister der alten Oberliga Mittelrhein mit dem klar formulierten Unternehmen Aufstieg angetreten und letztlich sehr souverän durchs Ziel gekommen, gehört aber (noch) nicht richtig zur Stammkundschaft in der Regionalliga Nordrhein.
Die höchste gemeinsame Klasse der alten Verbände Niederrhein und Mittelrhein, die inzwischen zusammen den Verband Nordrhein bilden, ist schließlich erst seit dem Beginn der Saison 2016/2017 am Start – und die HSG saß in der Premieren-Saison nicht mit im Boot, als sich später die Bergischen Panther als Meister den Aufstieg in die 3. Liga sicherten. Platz sieben in der Oberliga Mittelrhein 2015/2016 mit 27:25 Punkten genügte nicht – und die letzte Position für das Startrecht in der neuen Klasse ging damals an die TSV Bonn rrh. (30:22). Zwölf Monate später holte die HSG das zuvor Verpasste allerdings zügig nach, indem sie sich mit 40:8 Zählern als Meister der Oberliga Mittelrhein nach oben verabschiedete – und sich dort 2017/2018 auf Anhieb überzeugend zu behaupten wusste. Bei 37:19 Punkten belegte sie sogar Rang drei hinter dem Aufsteiger SG Ratingen und dem Vizemeister SG Langenfeld. Die Saison 2018/2019 beendete Siebengebirge anschließend als Neunter (21:31) ausreichend weit vor der Abstiegszone, ehe zwei durch die Corona-Pandemie beeinträchtigte Jahre wenig Verwertbares in die Statistik beförderten: Platz elf (15:21) gab es in der nach zwei Dritteln angebrochenen Saison 2019/2020 und den belanglosen achten Platz (4:2) in der viel früher abgebrochenen Serie 2020/2021. Den herbeigesehnten Neustart mit der Serie 2021/2022 konnte die HSG Siebengebirge allerdings ganz und gar nicht zu einem Happy End bringen – Rang 14, 11:41 Punkte, Letzter, zurück in die Oberliga Mittelrhein. Dort endete der erste Comeback-Anlauf 2022/2023 mit der Vizemeisterschaft (47:13) hinter dem TSV Bayer Dormagen II (52:8), mit dem die HSG jedoch in den beiden direkten Duellen komplett auf Augenhöhe unterwegs war – 31:31, 33:33. Keine Überraschung mehr: Das inzwischen personell unter anderem durch den drittliga-erfahrenen Rückraumspieler Simon Schlösser (Longericher SC, Bergische Panther) mehr als gut bestückte Team zog 2023/2024 wie auf Schienen durch die Serie, gab nur am Ende der Hinrunde beim späteren Vizemeister SSV Nümbrecht (43:9) zwei Zähler ab und fügte dem eigenen Konto in der Rückrunde makellose 26:0 Punkte aus zwölf Siegen für insgesamt 50:2 Punkte hinzu. Torverhältnis: 872:665, plus 207.
Einen ähnlichen Höhenflug in der kommenden Saison 2024/2025 schließt Trinks aus einer Reihe von Gründen nahezu kategorisch aus. Eine seiner Formeln: „Ich bin neu, mein Co-Trainer ist neu. Wir haben also das alte Team mit neuen Trainern.“ Seiner durchaus begründeten Ansicht nach muss sich die zuletzt an Lars Degenhardt und Co-Trainer Markus van Zuilekom (jetzt bei den Wölfen Voreifel) gewöhnte Mannschaft erst richtig auf ihn selbst und seinen Co-Trainer Dennis Weber (gleichzeitig Trainer der A-Jugend) einstellen. Das wird selbst bei bestem Willen bei allen Beteiligten eine Mindestzeit erfordern und als Prozess wohl erst im Laufe der Saison beendet sein – weshalb es doppelt hilfreich ist, dass sich Zugänge und Abgänge im Kader in engeren Grenzen halten. Nicht mehr an Bord sind Mittelmann Alexander Koch, Kreisläufer Philipp Krefting und Rückraumspieler David Runge jeweils aus beruflichen Gründen, während auf der anderen Seite drei Neue dazustoßen: Karl Nitsche war zuletzt für den TSV Bayer Dormagen II in der Regionalliga unterwegs und davor beim TuS 82 Opladen (3. Liga und Oberliga), von dem wiederum auf direktem Weg in Konstantin Lutz ein weiterer Rückraumspieler kommt. Von Kreisläufer Marius Többen (TuS Königsdorf/Oberliga Mittelrhein) erhofft sich die HSG Siebengebirge ebenfalls einiges – wie sich im Umkehrschluss die Zugänge auf die Atmosphäre auf dem Sonnenhügel freuen. Weil dort immer wieder um die 500 oder bisweilen sogar mehr Zuschauer auf der Tribüne sitzen, ist Siebengebirge in diesem Bereich schon lange weiter als mancher Regionalligist und selbst nicht wenige Drittligisten dürften angesichts der Statistik neidisch werden. Die offiziell veröffentlichte „Zuschauer-Matrix“ des Verbandes ist zwar sehr oft mit der größten Vorsicht zu genießen, doch der offiziell für 2023/2024 rund um die Heimspiele errechnete Durchschnitt von 512 Fans pro Partie dürfte in etwa hinkommen. Im Jahr des Abstiegs aus der Regionalliga waren es trotz des ausbleibenden sportlichen Erfolges nach demselben Zahlenmaterial immerhin 288 und im ersten Oberliga-Jahr 323.
Ob das Thema 3. Liga angesichts des überdurchschnittlichen Zuspruchs von außen nicht ein Thema sein kann/muss? Marcel Trinks weiß, dass nicht wenige im Umfeld die HSG längst als einen Kandidaten für die 3. Liga sehen. „Ich bin gekommen, um Leistungshandball zu spielen“, sagt Marcel Trinks auf der einen Seite, „und ich unterstütze solche Gedanken.“ Seine klare Einstellung/Korrektur: „Natürlich nicht kurzfristig.“ Da ist Trinks doch zu sehr Realist und als solcher beschäftigt er sich viel lieber mit den aktuell anstehenden Hausaufgaben. „Wir haben da jetzt keine Ambitionen und wir wären mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn wir davon reden würden“, findet der HSG-Coach. Seiner Ansicht nach geht es nun zuvorderst darum, die Qualitäten der drei Neuen so auszunutzen, dass sie das Team ein Stück nach vorne bringen: „Wir haben mehr Variabilität.“ Die könnte im Übrigen besonders aus dem Rückraum erforderlich sein, zumal Simon Schlösser (mit 171 Treffern in 25 Spielen zuletzt der beste Werfer) durchaus sehr torgefährlich ist – aber grundsätzlich nicht das, was im neueren Handball-Deutsch unter den Begriff „Shooter“ fällt. „Wir haben unheimlich viel über Zweikämpfe gemacht“, sagt Trinks – der das durchaus als ein Lob für eine wesentliche Qualität der „alten“ HSG sieht und an dieser Stellschraube für die „neue“ HSG trotzdem ein Stück weit drehen will. Außerdem fällt das „Wir“ auf: Marcel Trinks hat in der vergangenen Saison immer wieder auf der Tribüne gesessen und die Mannschaft mit angefeuert, bis die Meisterschaft unter Dach und Fach war. Gleichzeitig hat er dabei bereits Ideen entwickelt, um für die Zeit nach Lars Degenhardt parallel eine Art eigener Handschrift zu entwickeln.
Bei den künftigen Gegnern kennt sich Marcel Trinks bisher in den Details eher mittelmäßig aus: „Ich habe noch keine großartige Recherche gemacht. Bei dem einen oder anderen ist viel Bewegung drin.“ Einen klaren Kandidaten für den Titel und den Sprung in die 3. Liga sieht er genausowenig wie eine Mannschaft, die dem Feld von Anfang an deutlich hinterherhinken wird. Ginge es alleine nach dem Resultat der vergangenen Saison, wäre jedenfalls Dormagen II als Vizemeister und HSG-Vorgänger in Sachen Aufstieg in die Regionalliga ein Kandidat für ganz oben. Ob auf dem Weg in eine sichere neue Serie der Blick zurück auf die vergangene hilft? Da stammten die letzten sechs Klub in der Abschluss-Tabelle vom Niederrhein – inklusive der beiden Absteiger SG Langenfeld und Borussia Mönchengladbach. Und eben die Borussia, unter der Regie von Trainer Ronny Rogawska personell zumindest in der Theorie ebenfalls ganz gut ausgestattet, könnte sogar als eine Art Mahnmal dienen. Wo stand die Borussia am Ende der Oberliga 2022/2023? Auf Platz eins. Mit 50:2 Punkten. Torverhältnis: 900:639, plus 261. Um Rang sechs herum wollten sie nach dem Aufstieg durchs Ziel kommen, ehe zunehmend weniger nach Plan lief und am Ende der sofortige Wieder-Abstieg amtlich war. Und den mittelfristigen Plan hatte die Borussia mehr als nur einmal bestätigt: „Unser Ziel ist schon die 3. Liga.“ Die Parallelen zwischen den Aufsteigern sind da, doch die Geschichte muss sich ja nicht wiederholen. Und es kann alles ganz anders kommen. Was der HSG vermutlich ganz bestimmt hilft: Grundsätzlich lässt sich Marcel Trinks durch fast nichts aus der Ruhe bringen.