20. August 2024 | Zurück zur Artikelübersicht » |
Einer, der in Düsseldorf lebt (und das auch noch gerne), trainiert einen Kölner Verein? Das geht tatsächlich und die Beteiligten haben sich gar nicht erst mit dem aufgehalten, was in grauer Vorzeit vielleicht eine Art Stirnrunzeln hervorgerufen hätte. Der eine war der Oberligist MTV Köln, der nach fünf Jahren unter der Regie von Moritz Adam (zum TSV Bayer Dormagen) auf die Suche nach einem neuen Cheftrainer gehen musste. Der andere war Gilbert Lansen, der zuletzt beim damaligen Regionalligisten und nun in die 3. Liga aufgestiegenen TV Korschenbroich gearbeitet hatte – dort aber nach nur drei Spieltagen in der vergangenen Saison 2023/2024 und einem missglückten Start mit 2:4 Punkten über Nacht handballerisch auf der Straße stand. Die Kölner und der Düsseldorfer – im Übrigen vor 34 Jahren in Duisburg geboren – fanden dann den Kontakt zueinander und stellten schnell fest: Das passt, wir machen das zusammen. „Der MTV hat sich ziemlich früh gemeldet“, berichtet Lansen, „die Gespräche waren gut.“ Dass er einen der Spieler in seiner neuen Mannschaft besonders gut kennt, erleichterte dabei zumindest mal den Einstieg: „Jascha Schmidt ist mein bester Freund.“ Der 31 Jahre alte Keeper, der seit einem Jahr zwischen den Pfosten des MTV steht, war einst unter anderem bei der SG Ratingen und der SG Langenfeld sowie beim TuS 82 Opladen unterwegs und 2023 eine Wunsch-Verstärkung der Kölner. Der gute persönliche Draht war in der Summe trotzdem nicht entscheidend, sondern „nur“ ein zusätzlicher angenehmer Baustein.
Gilbert Lansen musste dem Verein vor der „Eheschließung“ reinen Wein einschenken, weil er demnächst aus beruflichen Gründen durchaus keine kleinen zeitlichen Einschränkungen auf sich zukommen sieht. Ab dem Januar 2025 wird er zwar bei den Meisterschaftsspielen am Wochenende bei der Mannschaft sein, aber bei den Trainingseinheiten eher maximal reduziert zur Verfügung stehen. Der Grund: Von Januar bis April tritt er als Beschäftigter bei der Stadt Düsseldorf (Verwaltungswirt) in das letzte Stadium seines dualen Studiums in Duisburg – inklusive der Anfertigung einer Bachelorarbeit. Dass er sich diesem Bereich seines Lebens mit ähnlich voller Bereitschaft widmen will wie sonst seiner sportlichen Leidenschaft Handball, stand für Lansen immer fest. Genauso stand deshalb für beide Seiten fest, dass es ohne einen ebenso qualifizierten wie zum MTV passenden Co-Trainer nicht geht. Diesen Bereich, bisher von Markus Pähler abgedeckt, übernimmt Stefan Wassong – zuletzt seit 2021 in der Verbandsliga für die ersten Herren des HSV Frechen verantwortlich. Zwischen Gilbert Lansen und Wassong, die einander vorher nicht kannten, stimmte die Chemie ebenfalls schnell. Und beide gehen davon aus, dass ihr gemeinsames Projekt funktionieren wird: „Manchmal musst du was Neues probieren.“ Gegenseitiges Vertrauen ist da – und damit die Basis, erfolgreich durch die nächste Saison zu kommen.
Gilbert Lansen, einst Linksaußen in Neuss, begann genau dort sehr frühzeitig als Jugendtrainer und konnte einige Erfolge verzeichnen, ehe er zur Saison 2020/2021 die aus massiven Turbulenzen kommende erste Mannschaft des Neusser HV übernahm – und nach dem Zwangsabstieg aus der 3. Liga in der Regionalliga den Neuaufbau schaffen sollte. Die paar Aufgaben in der coronabedingt schnell abgebrochenen Serie sagten mit 0:6 Punkten wenig aus, doch 2021/2022 schienen die Neusser rund um Weihnachten mit 12:8 Zählern und Rang sechs auf einem sehr ordentlichen Weg zu sein. Was wirklich draus geworden wäre, weiß keiner – weil die Neusser die Zusammenarbeit mit Lansen im Januar 2022 überraschend beendeten. Der hatte da bereits seinen Wechsel zum Klassenkonkurrenten TV Korschenbroich auf den Tisch gelegt und es sah durchaus nach einem weiteren Schritt nach oben in der Karriere des Trainertalents aus. Anschließend hätte es 2022/2023 fast direkt zum erhofften Aufstieg in die 3. Liga gereicht – wenn es nicht die beiden ebenso knappen wie unnötigen Niederlagen gegen den späteren Meister Interaktiv.Handball gegeben hätte (24:25, 29:30). Am Ende lagen tatsächlich bloß drei Zähler zwischen den Ratingern (49:3) und den Korschenbroichern (46:6), die das Unternehmen Meisterschaft für 2023/2024 erneut in Angriff nahmen. Hier war allerdings nach nur drei Partien und der Ausbeute von 2:4 Punkten bereits Feierabend für Lansen, der diesen Schritt bis heute nicht nachvollziehen kann – und das vorzeitige Aus für sich dennoch längst abhaken konnte. Dass es der TVK letztlich ohne ihn schaffte, fand er sogar richtig gut: „Ich habe es den Jungs von Herzen gegönnt.“
Die Kölner und ihr neuer Trainer waren sich einig, die Zusammenarbeit zunächst für ein Jahr festzulegen – mit der Option, die sportliche Verbindung je nach Entwicklung gerne über das Ende der Saison 2024/2025 hinaus fortzusetzen. Beim MTV versprechen sie sich jedenfalls einiges von Lansen, wie der Sportliche Leiter Henning Otto bereits vor ein paar Monaten bei der Bekanntgabe der Einigung betonte: „Seine Verpflichtung wird frischen Wind in die Mannschaft bringen.“ In den fünf Jahren mit Moritz Adam an der Seitenlinie konnte sich der MTV regelmäßig in der oberen Tabellenhälfte aufhalten – wobei sich die Plätze neun (16:22 Punkte) aus der in der Rückrunde abgebrochenen Serie 2019/2020 und fünf (5:3) aus der sehr früh abgebrochenen Saison 2020/2021 fast jeder Wertung entziehen. Anschließend qualifizierten sich die Kölner als Siebter (16:14) nach der Einfachrunde 2021/2022 für die Meisterrunde, was ihnen einerseits schon den sicheren Klassenerhalt brachte und andererseits die Erkenntnis, dass der Abstand nach ganz oben ganz schön groß ist (am Ende Siebter/6:22). Durch den siebten Platz (31:29) in der Saison 2022/2023 und den achten Rang (24:28) in der vergangenen Saison 2023/2024 ohne Absteiger zeigte der MTV anschließend erneut, dass er eine feste Größe in der Oberliga Mittelrhein war. Ganz hohe Ansprüche – wie es für den Verein zumindest derzeit ein Aufstieg in die Regionalliga wäre – verbieten sich für Gilbert Lansen aktuell, weil er den Dingen realistisch ins Auge sieht. „Wir bewegen uns am Übergang vom ambitionierten Semi-Leistungssport zum Breitensport“, meint Lansen, der seinem Team dennoch viel zutraut: „Es sind gute Jungs da. Wir betreten absolutes Neuland und ein Platz unter den ersten fünf wäre super.“
Der Punkt mit dem Neuland ist hier im Übrigen ungewollt doppeldeutig – was erstens mit dem finalen Zusammenschluss der Verbände Mittelrhein und Niederrhein zum Konstrukt Handball Nordrhein zu tun hat und zweitens mit der sich daraus ergebenden Schaffung einer neuen dritten Gruppe in der Oberliga. Das wiederum ist auf der einen Seite relativ sinnfrei, weil es den Status und den sportlichen Wert dieser Klasse in nicht geringem Umfang verwässert. Nach dem Ende der Saison 2023/2024 sind zum Beispiel aus der alten Verbandsliga Mittelrhein gleich fünf Teams in die Gruppe 1 der neuen Oberliga Nordrhein aufgestiegen: Neben dem Meister SC Fortuna Köln und dem Vizemeister 1. FC Köln noch der Dritte MTV Köln II, der Vierte TSV Bonn rrh. II und der Fünfte Polizei SV Köln. Als klaren Favoriten auf den Titel sehen hier die meisten den Regionalliga-Absteiger Borussia Mönchengladbach, der sich gemeinsam mit dem TV Geistenbeck als Niederrhein-Vertreter in den Kreis von zwölf Konkurrenten aus dem Mittelrhein „verirrt“ hat. Der MTV Köln I dagegen ist in der Gruppe 1 zu Hause und er glaubt, dort in der Summe die stärkere Konkurrenz vorzufinden – wie etwa den Regionalliga-Absteiger SG Langenfeld, den LTV Wuppertal, Mettmann-Sport (Zweiter und Dritter in der alten Oberliga Niederrhein), den SSV Nümbrecht und die Löwen Oberberg (Zweiter und Dritter in der alten Oberliga Mittelrhein). Deshalb ist jetzt eine Art Ringtausch zur kommenden Saison denkbar: Der Spielerkader der Ersten läuft in der in der Breite vielleicht nicht ganz so starken Gruppe der eigenen Zweiten auf – und umgekehrt. Ob das Sinn ergibt, ist eine ganz eigene Fragestellung. Rund ist jedenfalls in Köln und Umgebung trotzdem längst, dass es wohl bereits beschlossene Sache sein soll.