29. August 2024 | Zurück zur Artikelübersicht » |
Es ist die Ruhe vor dem Sturm. Der wird kommen – und dann am Samstagabend auf den Westen treffen sowie auf alle, die dort zu Hause sind. Viel spricht dafür, dass sich keiner einen Kaltstart mit zu vielen Aussetzern erlauben kann, weil das Hauen und Stechen vor allem mit dem Blick in die niedrigeren Etagen sofort losgeht. Und vielleicht verfügt dabei der eine oder andere tatsächlich über eine Art prophetischer Gabe. Gemeint sind all jene, die in der neuen Saison (wieder) mit einer Zwei-Klassen-Gesellschaft rechnen – eingeteilt weitgehend in jene, die sich nach oben orientieren und dort sogar an den Aufstieg in die 2. Bundesliga denken, und jene, die sich nach unten orientieren und dort einzig und alleine an den Kampf um den Klassenerhalt denken. Das sind im Übrigen die meisten Vereine aus der Gegend zwischen Krefeld und Köln hier sowie zwischen Aldekerk, Korschenbroich, Burscheid und Opladen dort. Ex-Profi Frank Berblinger, vorher in der Regionalliga bei der TSV Bonn rrh. und nun beim Aufsteiger Korschenbroich als Nachfolger von Dirk Wolf (Handball-Ruhestand) in der Verantwortung, hat ebenfalls eine feste Meinung: „Ich kann mir vorstellen, dass es ähnlich wird wie in der Regionalliga – mit einem recht breiten Mittelfeld, wo sich viele Mannschaften um die entsprechenden Plätze schlagen werden.“ Entsprechende Plätze? Es sind natürlich die Sicherheit und ein weiteres Jahr in der 3. Liga bringenden Positionen bis hinunter zu Rang 13 im Feld der 16 Klubs. Stefan Scharfenberg, beim TuS 82 Opladen vom Co-Trainer zum Chefcoach befördert, sieht es ähnlich. Vorne erwartet er die HSG Krefeld Niederrhein sowie Saase3 Leutershausen, die HG Saarlouis und die HSG Rodgau-Niederrhein und ein Stückchen dahinter wohl die HSG Hanau, den TV Gelnhausen und den Longericher SC. „Danach könnte es ein breites zweites Feld geben, wo es keine klaren Favoriten für die Abstiegsplätze gibt“, vermutet Scharfenberg.
Kann schon der erste Spieltag einen Hinweis auf den weiteren Verlauf der Serie entwerfen? Sicher. Die Bühne dafür ist die Bielerthalle, wo der TuS 82 Opladen auf den TV Aldekerk trifft – in einem Duell zweier Kontrahenten, die nichts als den Klassenerhalt im Sinn haben und sich aus den vergangenen Jahren bestens kennen. Falls die Statistik ein Maßstab sein kann, haben die Aldekerker sogar Vorteile auf ihrer Seite, denn sie sind in den bisher vier Drittliga-Duellen mit dem TuS 82 ungeschlagen: In der Serie 2022/2023 gab es ein 27:27 und ein 32:32, ehe Aldekerk in der Saison 2023/2024 beide Spiele gewann – 30:27 in Opladen, 29:26 in Aldekerk. Für den weiterhin spielenden Trainer Tim Gentges sagen die Zahlen alleine aber wenig: „Das waren immer Spiele auf absoluter Augenhöhe und auf des Messers Schneide. Da hätte das Pendel in jede Richtung ausschlagen können. Knapper, als wir im letzten Jahr gewonnen haben, kann man diese Spiele nicht gewinnen. Da hätte auch Opladen als Sieger vom Platz gehen können und es hätte sich keiner beschweren dürfen.“ Der TVA geht mit der alten Leidenschaft und dem alten Ziel an den Start – und er rechnet mit der alten Spannung. „Wir starten den Versuch, mal wieder die Klasse zu halten“, sagt Gentges, „bei uns ist es noch so, dass ich die Vorbereitung gerne etwas länger gehabt hätte. Aber die Jungs sind wie immer mit vollem Willen und vollem Einsatz dabei und sie wissen, dass die Saison genauso schwierig wird wie letztes Jahr.“ Was neu ist rund um die Vogteihalle: Julian Mumme (zum Bevo HC in die Niederlande), in den vergangenen Jahren eine sportliche Lebensversicherung, ist nicht mehr an Bord: „Die Lücke, die er hinterlassen hat, ist doch ein bisschen gravierender.“ Genau das ist einer der Gründe, warum sich Gentges (37) entgegen seiner ursprünglichen Absicht eher nicht aufs reine Trainerdasein konzentrieren kann und deshalb ist er doppelt und dreifach froh, einen alten Bekannten als Nachfolger für den bisherigen Co-Trainer Frank Fünders gefunden zu haben: Nils Wallrath ist nach einer Handball-Auszeit wieder da – jener Trainer, unter dessen Führung den Aldekerkern am Ende der Saison 2021/2022 der Aufstieg aus der Regionalliga in die 3. Liga gelang. „Darüber bin ich mehr als happy und mehr als stolz. Wir haben schon zusammengespielt und ich durfte auch schon unter ihm spielen. Mit seinem Wissen und seinem Können ergänzt er uns perfekt. Wir gehen als Trainerteam in die Saison.“ Rückraumspieler Zurab Gogava (26), zuletzt beim LHC Cottbus in der Oberliga und beim SV Anhalt Bernburg in der 3. Liga, ist als Nationalspieler Georgiens und EM-Teilnehmer ein namhafter Neuzugang.
Eine ungewöhnliche Veränderung im Trainerstab haben auch die Opladener vollzogen, weil Stefan Scharfenberg vorher der Co-Trainer von Fabrice Voigt war, der nun einen Schritt nach hinten getreten ist und den neuen Chefcoach Scharfenberg als zweiter Mann mit seinem Wissen unterstützt. Zusammen mit der Mannschaft wollen beide alles dafür geben, dass der TuS 82 in ein paar Monaten wieder über dem Strich steht. „Wir sind froh, dass es losgeht. Die Jungs sind heiß, sie haben einfach Bock auf die Saison“, meint Scharfenberg, „wir haben eine spannende Mannschaft, in der es darum geht, junge Spieler, Spieler insgesamt und unser Spiel weiterzuentwickeln. In erster Linie steht natürlich der Nicht-Abstieg im Vordergrund. Es gilt, früh genug die Punkte dafür einzusammeln und nicht in einen Strudel hineinzugeraten. Einen ersten Stand der Dinge könnten wir nach den ersten vier Saisonspielen haben, dann kann man noch einmal einen neuen Blick drauf werfen, wo man eigentlich steht.“ Nach der Aufgabe Aldekerk, die wohl als Schlüsselspiel gelten muss, folgen die Partien bei der HSG Rodgau Nieder-Roden (7. September/Vorjahres-Dritter), gegen die HSG Dutenhofen-Münchholzhausen II (14. September/Achter) und beim Aufsteiger TV Korschenbroich (21. September). Grundsätzlich zeigt sich Opladens Trainer optimistisch: „Für uns gilt es, sich bestmöglich zu positionieren. Ich bin aber zuversichtlich, wir haben die Mannschaft dafür. Wir müssen diesen Kampf annehmen und das wollen wir auch. Wir als Team freuen uns auf eine spannende und hochklassige Drittliga-Saison.“
Das würde Frank Berblinger glatt unterschreiben für den in die 3. Liga zurückgekehrten TV Korschenbroich. „Nach der Vorbereitung, in der wir auch gegen andere Drittligisten getestet haben, muss ich sagen, dass wir auf jeden Fall drittligatauglich sind“, findet der 47-Jährige, „jetzt gilt es für uns nur, so schnell wie möglich in der neuen Liga anzukommen, das Ganze so schnell wie möglich in Ergebnisse umzumünzen und so schnell wie möglich Punkte sammeln für unser oberstes Ziel, das einzig und alleine Klassenerhalt heißen kann. Wir müssen von Anfang an von Spiel zu spielen sehen und wir haben ja mit dem Auftakt ein richtig schweres Kaliber vor der Brust. Das ist kein so einfacher Auftakt für uns, aber dem stellen wir uns und wir bereiten uns sehr gut vor.“ Die HSG Hanau dürfte als Fünfter der vergangenen Saison kaum vorhaben, etwa schlechter abzuschneiden – obwohl sich HSG-Trainer Hannes Geist durchaus als Geheimniskrämer betätigt: „Wir haben natürlich Ziele als Mannschaft, diese werden wir aber nicht nach außen kommunizieren. Das haben wir in den vergangenen Jahren auch so gehalten.“ Aus Korschenbroicher Sicht klingt das in der Summe deutlich weniger geheimnisvoll. Ob das zusammen reicht, um den Gastgebern ausreichend viele Rätsel zu stellen, ist jedoch eine andere Frage.
Richtig spannend könnte die kommende Serie nicht zuletzt für den Longericher SC werden, bei dem Trainer Chris Stark nach den Abgängen von Marian Dahlke, Max Zerwas, Valentin Inzenhofer (alle Karriereende) und Max Zimmermann (zum TV Korschenbroich) eine Art Umbruch moderieren muss. Gekommen sind überwiegend junge bis sehr junge Handballer – und vor allen Dingen bei den Torhütern verfügt der LSC jetzt vermutlich über das jüngste Trio in der 3. Liga. Der zurzeit noch nicht einsatzbereite Elvan Kromberg (Schulter/fällt bis in den Herbst hinein aus) ist mit 22 Jahren sogar der älteste der aktuellen Longericher Keeper: Vorerst teilen sich die Neuzugänge Roman Babic (19/Bergischer HC) und Lennart Kull (20/TSV Bayer Dormagen) die Arbeit auf dem Posten zwischen den Pfosten. Stark sieht der gesamten Saison ebenso realistisch entgegen wie dem Start gegen die HSG Rodgau Nieder-Roden: „Leistungsschwankungen sind denkbar. Hier wird es eine Hauptaufgabe sein. Konstanz in die Leistungen zu bringen. Es wird Zeit brauchen, bis sich blindes Verständnis einstellt und hier ist ein Nachteil gegenüber der Vorsaison und gegenüber eingespielten Teams wie Rodgau nicht wegzudiskutieren. Jedoch werden wir versuchen, dies mit dem Elan des Neuen und der entfachten Aufbruchstimmung zu kompensieren. Über Tempospiel werden wir versuchen, den Gegner zu fordern und zu schnellen Toren zu kommen. Uns sehe ich ein wenig als Außenseiter mit Blick auf diese Top-Teams, allerdings gehen wir ambitioniert in die Saison und möchten in jedem Spiel um unsere Chance kämpfen, zu punkten. Ein Rang unter den ersten sechs wäre aus heutiger Sicht hervorragend, aber vor allem wollen wir begeistern.“
Das mit der Begeisterung sehen sie bestimmt bei der HSG Krefeld Niederrhein und den Bergischen Panthern genauso – aber unter völlig anderen Vorzeichen. Für die Eagles, vor ein paar Wochen erneut in der Aufstiegsrunde zur 2. Bundesliga gescheitert, hörte sich das bei Kapitän Christopher Klasmann kürzlich sehr deutlich so an: „Wir haben das klare Ziel, wieder die Aufstiegsrunde zu erreichen und dann eine bessere Aufstiegsrunde zu spielen, als das in den letzten beiden Jahren der Fall war.“ Das Team von Trainer Mark Schmetz hat demnach bereits beim Start gegen den TV Kirchzell – bei allem Respekt vor dem Aufsteiger – die Pflicht, fürs Unternehmen Aufstieg zwei Punkte einzufahren. Ganz anders sieht die Lage insgesamt bei den Bergischen Panthern aus, die nach Abgängen in Mannschaftsstärke (unter anderem Karriereende von Max Weiß und Justus Ueberholz) einen starken personellen Umbau zu bewältigen haben. Außerdem steht in Erwin Reinacher als Nachfolger von Marcel Mutz ein neuer Trainer an der Seitenlinie. Wie weit bereits alle oder wenigstens die meisten Puzzleteile an die richtige Stelle gefallen sind, sollte direkt der Start gegen das HLZ Friesenheim-Hochdorf II zeigen. In der vergangenen Saison waren die Auftakt-Konkurrenten auf den Rängen zehn und elf direkte Tabellen-Nachbarn. Was daraus folgt? Zumindest die Panther wären heilfroh, wenn es sie diesmal wieder in diese Region führt. Auch in Burscheid herrscht die Ruhe vor dem Sturm. Der wird kommen – und genau am Samstagabend eintreffen.