Regionalliga Nordrhein
Jetzt schon klar: Rette sich, wer kann
Der drohende erhöhte Abstieg sorgt für viel Druck, denn bis zu sechs Klubs könnte es erwischen. Vorne wollen sich Weiden, Dormagen II und Rheinhausen einrichten.

Feuer frei: Leonard Bachler (beim Wurf) und seine HSG Siebengebirge sind noch nicht so in der Regionalliga angekommen, wie sie sich das gewünscht hatten. Der Linkshänder hat zwar auf seinem persönlichen Konto nach zwei Spielen immerhin zehn Treffer stehen, der Aufsteiger aber noch keinen Punkt. (Foto: Thomas Schmidt)

Das ist schon am dritten Spieltag ein auffälliges Hauen und Stechen in der Regionalliga – und besonders der Abstiegskampf hat längst begonnen. Erstens: Weil es nach der Klassen-Umstrukturierung jetzt drei Oberligen gibt, deren Meister aufsteigen dürfen, braucht die Regionalliga für die Einhaltung der 14er-Gruppe grundsätzlich drei feste Absteiger. Zweitens: Wie immer ist die Entwicklung in der 3. Liga nicht uninteressant, sondern vemutlich extrem spannend – und es gibt mehrere Möglichkeiten. Fall eins: Bei null Absteigern aus der 3. Liga in den Verband Nordrhein reduziert sich in der Regionalliga die Zahl der Absteiger auf zwei. Fall zwei: Bei einem Absteiger von oben bleibt es bei drei Absteigern nach unten. Fall drei: Bei zwei Absteigern wären es entsprechend vier, bei drei Absteigern fünf Vereine, die die Regionalliga verlassen müssten. Aktuelles Beispiel: In der 3. Liga stehen zurzeit der TV Aldekerk und die Bergischen Panther auf Abstiegsplätzen – wonach es in der Regionalliga als Quartett momentan den MTV Rheinwacht Dinslaken, den HC Gelpe/Strombach, den Bergischen HC II und die HSG Siebengebirge erwischen würde. Im Übrigen gibt es wenigstens theoretisch einen noch größeren anzunehmenden Unfall und deshalb in den Durchführungsbestimmungen eine Variante für den Fall, dass kein Regionalligist in die 3. Liga aufsteigen will – was vermutlich nicht passieren wird, aber auch nicht völlig aus der Welt liegt. Verzichtet der Meister, kommen nur noch der Zweite oder der Dritte für den Sprung nach oben in Frage. Sollte tatsächlich der völlige Verzicht wahr werden, hätten bei keinem Aufsteiger und drei Absteigern von oben tatsächlich sogar sechs Absteiger den Weg zurück in die Oberliga anzutreten. Das wäre dann tatsächlich fast die halbe Klasse.

In der Summe lassen sich demnach definitiv sehr viele Gründe finden, zumindest vier Mannschaften hinter sich zu lassen – was den Druck auf die Beteiligten von Beginn an erhöht und einen Fehlstart erst recht zu einer belastenden Hypothek machen könnte. Das gilt bereits in der frühen Phase dieser Saison für jene Klubs, die mit 0:4 Punkten in den dritten Spieltag gehen, und zwei der Betroffenen stehen sich jetzt in einem klassischen Kellerduell gegenüber: Der Aufsteiger HSG Siebengebirge erwartet als Letzter den Bergischen HC II, der diese Situation aus der vergangenen Serie kennt und zurzeit arge personelle Probleme im Rückraum hat. Der neue HSG-Trainer Marcel Trinks, der nach dem Höhenflug aus der vergangenen Serie schon vor dem Auftakt in die neue Saison eindringlich vor zu hohen Erwartungen gewarnt hat, sieht nun den Auftritt gegen die Solinger ebenfalls nicht als Selbstläufer: „Wir haben in dieser Woche intensiv an unseren festgestellten Defiziten vor allem im Abwehrverbund gearbeitet. Wir sind bereit, allerdings kommt mit dem BHC II ein starkes Team. Wir erwarten einen unberechenbaren Gegner, der ähnlich wie Dormagen von seiner erfolgreichen Jugendarbeit profitiert. Um am Ende zu bestehen, muss vieles bei uns funktionieren. Mein Team ist definitiv bereit dazu und kennt unsere Möglichkeiten. Die größte Herausforderung wird die Besetzung der Kreisläufer Position sein, da unser Kapitän Oliver Dziendziol und Ben Picard weiterhin ausfallen und hinter dem Einsatz von Marius Többen ein großes Fragezeichen steht.“

Auf der Sonnenseite des Handballer-Lebens steht nach zwei Runden der Vorjahres-Vierte HC Weiden, dem zuletzt ein 37:27 über Siebengebirge den Sprung auf Platz eins brachte vor dem TSV Bayer Dormagen II, dem OSC Rheinhausen und der HG Remscheid (alle 4:0). HC-Trainer Marc Schlingensief nimmt die Lage nachvollziehbar ziemlich erfreut zur Kenntnis, warnt jedoch vor der nächsten Aufgabe zum Abschuss des dritten Spieltages am Sonntagabend in Gelpe/Strombach eindringlich: „Nach den beiden Auftaktsiegen fahren wir selbstbewusst, aber mit Vorsicht ins Oberbergische. Gelpe/Strombach ist eine etablierte Mannschaft, die zu Beginn zwei Top-Teams als Gegner hatte und sich in beiden Spielen über weite Strecken gut präsentiert hat. Sich nur auf Julian Mayer zu fokussieren, wäre der falsche Ansatz. Mit ihren bekannten Spielern und den Neuzugängen haben sie eine größere Breite im Kader.“ Jener Julian Mayer ist übrigens das passende Gegenstück zu Weidens Sven Xhonneux: Beide sind Linkshänder, beide gehören im rechten Rückraum zu den besten Spielern der Regionalliga. Weidens Trainer richtet den Blick allerdings nicht zuerst auf dieses Duell, sondern eher aufs große Ganze. „Wir wollen uns weiter steigern in Abwehr und Angriff“, sagt Schlingensief, „gelingt uns das, haben wir gute Chancen, den Saisonstart perfekt zu machen. Aktuell machen uns Blessuren und Krankheiten etwas zu schaffen, aber das sollte sich bis zum Wochenende größtenteils legen.“

Eine Partie, die normalerweise als klassisches Spitzenspiel mit – je nach Ausgang – sportlicher Signalwirkung für den Rest der Saison durchgehen müsste, steigt in der Sporthalle Neuenkamp, wo die HG Remscheid als Vierter den Zweiten TSV Bayer Dormagen II erwartet (beide 4:0). Das größte Fragezeichen bei den Hausherren: Die Zukunft des Regionalliga-Handballs im Bergischen liegt gerade eher im Dunkeln, denn niemand weiß, wie sich die in der vergangenen Woche bekanntgegebene Insolvenz der finanziell für die erste Mannschaft zuständigen Betriebs- und Marketing GmbH demnächst auswirken wird. Auf die erst vor dieser Saison als neues Trainergespann gekommenen Alexander Oelze/Jens-Peter Reinarz, die von der Entwicklung ebenfalls völlig überrascht waren, wartet jedenfalls momentan zusammen mit der Mannschaft ein Balance-Akt zwischen Frust und dem Versuch, jetzt erst recht und so lange wie möglich Einsatz und Leidenschaft auf die Platte zu bringen – was zuletzt beim hart erkämpften 33:31 gegen TuSEM Essen II ganz gut geklappt hat. Was Remscheid nun gegen das enorm schnelle Projekt „Jugend forscht“ aus Dormagen zu leisten vermag und wie lange das Ganze tatsächlich trägt, weiß trotzdem keiner ganz genau. Was die Erfahrung definitiv zeigt: Wer Mittel zusagt und die Zusagen aus welchen Gründen auch immer nicht einhalten kann, muss damit rechnen, dass sich Spieler anderweitig orientieren – es sei denn, er findet auf die Schnelle zumindest den einen oder anderen „Lückenfüller“. Im Extremfall fliegt ihnen im Bergischen das gesamte Konstrukt vielleicht sogar um die Ohren.

Ebenfalls im Ausnahmezustand befinden sie sich in den nächsten Tagen beim Aufsteiger Unitas Haan – was aber nichts mit etwaigen sportlichen Sorgen oder Probleme neben der Platte zu tun hat. Das Team von Trainer David Horscht, das mit dem 30:29-Drama beim Bergischen HC II sein Konto ausgleichen konnte (2:2/Neunter), „muss“ sich rund um die Aufgabe gegen den MTV Rheinwacht Dinslaken einem ganz anderen Thema widmen: „Nach den ersten beiden Punkten wollen wir den Schwung mitnehmen. Gegen eine eingespielte, körperlich robuste Dinslakener Mannschaft und mit unseren Verletzungsproblemen, gerade im Innenblock, ist dies kein leichtes Unterfangen. Aber gerade in Kirmes-Zeiten in Haan wollen wir zu einem gelungenen Wochenende beitragen.“ Wegen der am Freitag beginnenden Traditionsveranstaltung weicht die Unitas sogar von ihren normalen Termin am Sonntag um 11.15 Uhr auf den Samstagabend um 18 Uhr aus – in der Hoffnung, sich mit einem Sieg im Gepäck anschließend dem feucht-fröhlichen Treiben widmen zu können. Ganz sicher bietet der Abend den Haanern die Gelegenheit, in Dinslaken (Elfter/0:4) einen der Konkurrenten im Kampf um den Klassenerhalt deutlicher auf Distanz zu halten.

Genau auf der Schnittstelle zwischen dem oberen Drittel und dem Bereich, der bereits als gefährlich gelten muss, bewegen sich TuSEM Essen II (Achter/2:2) und die TSV Bonn rrh. (Sechster/2:2), die den dritten Spieltag am Freitagabend eröffnen. Noch nicht ganz klar ist, wo sich der Drittliga-Absteiger Interaktiv.Handball einzuordnen hat, denn nach dem 32:29-Startsieg gegen Dinslaken mussten die Ratinger direkt einmal pausieren: Die Partie bei der HSG Refrath/Hand fiel wegen eines Wasserschadens in der Halle Steinbreche aus, sodass Interaktiv mit 2:0 Zählern als Fünfter das Quintett der Klubs ohne Verlustpunkt ergänzt und jetzt gegen den BTB Aachen (2:2/Siebter) vielleicht unverändert nach der künftigen Richtung sucht. Ähnliches gilt für die Refrather (0:2/Zehnter), die allerdings beim Dritten Rheinhausen (4:0) vor einer ziemlich schwierigen Aufgabe stehen. Größte Herausforderung der HSG dürfte sein, Löcher in den Abwehrbeton der Rheinhausener (nur 45 Gegentore in zwei Spielen) zu bohren. Gegenüber dem ersten Spieltag werden sich die Refrather vermutlich um einiges steigern müssen, wie Trainer Kelvin Tacke nach dem 29:37 in Bonn relativ ernüchtert feststellte: „Das war von uns viel zu wenig. Jetzt kennt jeder die Messlatte und wir werden daran arbeiten, es besser zu machen.“ Gelingt das nicht im erhofften Umfang, dürfte der Weg klar sein. Das ist schließlich schon am dritten Spieltag ein auffälliges Hauen und Stechen in der Regionalliga – und der Abstiegskampf hat längst begonnen.