15. Oktober 2024 | Zurück zur Artikelübersicht » |
Ich sag euch was! Helmut Bergstein, seit 2018 und der Gründung an der Spitze des noch immer jungen Vereins, sieht den HC Weiden in vielen Bereichen sehr gut aufgestellt – und zugleich die Notwendigkeit, im Einsatz keinen Zentimeter nachzulassen. (Foto: Thomas Schmidt)
Es gibt sie ja tatsächlich noch – jene Handballdörfer mit ihrem eigenen Charakter jenseits der Großstädte. Zu den Metropolen gehört dabei selbst ganz Würselen mit ungefähr 40 000 Einwohnern nicht. Und erst recht nicht Weiden im Ortsteil Broichweiden. Was die Weidener aber schon immer mit einigem Stolz von sich behaupten können: Hier schlägt das ganze Herz des Handballs, hier sind viele Sport-Verrückte für ihre Leidenschaft unterwegs. Was sie gemeinsam fertiggebracht haben: Irgendwann spielten Grenzen keine Rolle mehr, auch nicht trotz aller ehemaligen Rivalität jene zwischen den Vereinen Westwacht Weiden und TV Weiden. Der Legende nach könnten Mitglieder und Freunde beider Klubs locker zusammengestanden haben, um plötzlich festzustellen: Wo ist eigentlich das, was uns trennen soll? Wir haben doch viel mehr Gemeinsamkeiten. Das war im Rückblick die eigentliche Geburtsstunde des HC Weiden 2018 – ins Leben gerufen, um den Handball in Weiden zukunftssicher zu gestalten. Seit den Anfängen dabei: Helmut Bergstein, aus der Führungsetage der TV stammend und ein energischer Verfechter des Zusammenschlusses. Der 64-Jährige, der in Aachen Physik und Informatik studiert hat, trägt offiziell einen Doktor-Titel (Physik), auf den er jedoch in Zusammenhang mit dem Sport wenig Wert legt – weil er dort einfach als Helmut auf die Menschen zugeht. Eins seiner zentralen Themen gestern wie heute ist die fast schon berühmte Halle an der Parkstraße, die über eine besondere Art des fast morbiden Charmes verfügt und im neueren Deutsch vermutlich gut und gerne ein „Lost Place“ sein könnte: Man (be-) nutzt sie noch, aber eigentlich geht es nicht mehr. Helmut Bergstein ist allerdings zuversichtlich, dass sich da in durchaus nicht ferner Zukunft etwas tun wird. Seiner Ansicht nach kann aber auch nur dann die positive Entwicklung des HC Weiden 2018 weitergehen. Im Harzhelden-Interview zieht er Bilanz, erläutert den Stand der Dinge und wirft einen Blick voraus.
Vor ein paar Jahren haben sich der TV Weiden und Westwacht Weiden zum neuen HC Weiden 2018 zusammengetan. Sind eure Erwartungen erfüllt worden?
Helmut Bergstein: Ich denke, dass sich unsere Erwartungen durchaus erfüllt haben. Wir wollten bewusst von Anfang an keine Ehe auf Probe und deshalb waren wir auch gegen eine HSG. Wir haben uns explizit dagegen entschieden. Wir haben gesagt, wir gründen einen neuen Verein als Zusammenschluss der beiden Handball-Abteilungen. Dieser neue Verein sollte auch ein Zeichen sein und ich glaube, das ist uns gelungen, dass wir gesagt haben, das ist etwas Zukunftsorientiertes, das wirklich so Bestand haben soll. Sportlich waren wir natürlich gleich beim Start recht erfolgreich mit dem Aufstieg unserer ersten Herren von der Oberliga in die Nordrheinliga. Jetzt spielen ja unsere beiden ersten Mannschaften, Damen und Herren, in der Nordrheinliga. Insofern sind unsere Erwartungen sportlich erfüllt. Die zweite Herren spielt in der Oberliga, die zweite Damen in der Verbandsliga. Das hat sich alles sehr gut entwickelt. Und was auch wichtig war für uns, dass es uns gelungen ist, von Grün und Rot, von beiden Seiten wirklich alle mitzunehmen. Früher hat man immer gesagt, die Alten wollen das nicht, die sind dagegen. Aber auch die sind begeistert dabei, machen mit, kommen immer in die Halle, helfen uns, wo sie können. Das ist ein ganz wesentlicher Erfolgsfaktor, wenn man an die Rivalität der Vergangenheit denkt. Das ist uns geglückt, insofern sind unsere Erwartungen voll erfüllt worden, vielleicht sogar ein Stück übertroffen.
Was hat sich seit 2018 verändert und was muss noch passieren?
Helmut Bergstein: Wir haben uns sportlich verbessert und stabilisiert. Unsere beiden ersten Mannschaften spielen in der Nordrheinliga. Am Anfang haben beide gegen den Abstieg gespielt, jetzt spielen beide eher in der oberen Hälfte mit. Unsere zweiten Mannschaften haben sich als Unterbau in hohen Ligen etabliert, sodass wir ein recht stabiles Gesamtkonstrukt inzwischen haben. Auch in der Breite sind wir deutlich gewachsen, wir haben inzwischen fünf Männer- und drei Frauen-Mannschaften, da sind wir recht zufrieden. Ich glaube, da können wir auch eine sportliche Weiterentwicklung in der Zukunft noch sehen. Dann ist es uns natürlich gelungen, in 2020 eine eigene Jugend dazuzunehmen, nachdem wir 2018 ausschließlich mit den Senioren gestartet sind. Wir haben angefangen, die Jugend zu integrieren, und inzwischen haben wir mit Ausnahme der weiblichen B alle Jahrgänge bei Jungs und Mädchen besetzt, teilweise doppelt. Wir spielen sehr erfolgreich, die A-, B- und C-Jugenden spielen alle überregional. Bei den Jüngeren haben wir regelmäßig Kreisligameister, die wir feiern können. Das Ganze müssen wir natürlich noch ein Stück weit stabilisieren, hier und da ist noch eine Lücke im System. Die müssen wir schließen.
Wie nehmen euch die Menschen in der Region wahr und was zeichnet euch aus?
Helmut Bergstein: Uns zeichnet aus, dass wir eine sehr große Vereinsgemeinschaft sind mit einem enorm starken Zusammenhalt und einem enorm starken Zusammengehörigkeitsgefühl. Von drei Jahren bis zu 90 Jahren gehören alle dazu. Alle sind uns wichtig und das merken die auch. Uns ist es wichtig, dass wir dieses Zusammengehörigkeitsgefühl leben. Das sieht dann so aus, dass eine E-Jugend eine D-Jugend anfeuert und eine weibliche B-Jugend eine männliche A und umgekehrt, dass die Kinder immer in der Halle sind, wenn die ersten Mannschaften spielen, dass die zweite Mannschaft bei der ersten Mannschaft mit anfeuert. Die Leute gehören alle dazu, die machen alle mit. Das ist allerdings auch wichtig, dass so viele mitmachen, denn sonst ist so ein Konstrukt gar nicht fahrbar. Wir werden, glaube ich, wahrgenommen als ein sehr angenehmes Konstrukt, als ein sehr angenehmer Kreis von Leuten, die sich auch im Ort engagieren und im Ort vernetzt sind. Ich glaube, die Leute kommen gerne zu uns. Wir machen eben auch viel mit den anderen zusammen.
Die Hallensituation ist offensichtlich die größte Baustelle. Warum kann die alte Halle Parkstraße bei aller Nostalgie nicht mehr lange funktionieren?
Helmut Bergstein: Das ist in der Tat eine unserer größten Baustellen. Sie kann nicht mehr lange funktionieren vom reinen Bauzustand her, so etwas wie Schallschutz und Wärmedämmung gab es nicht, als die Halle gebaut wurde. Das ist weder energetisch noch schallschutzmäßig auf dem Stand, den man heute fahren würde. Dann reicht eine nicht teilbare Halle nicht annähernd aus für die große Anzahl an Teams, die wir inzwischen haben in den Senioren und in der Jugend. Teilweise müssen die Erwachsenen bis abends um elf trainieren. Wir fangen früh an, wir kriegen die Spiele am Wochenende kaum unter. Das reicht von der Kapazität her nicht und von der sportlichen Spitze ist es natürlich so, dass eine 3. Liga mit der Halle gar nicht gehen würde. Die ist dafür nicht freigegeben.
Haben sich in den Gesprächen mit der Stadt und der Politik inzwischen Perspektiven ergeben?
Helmut Bergstein: Durchaus. Seit wir einen neuen Bürgermeister haben, ist endlich Bewegung in das Projekt gekommen. Wir haben jetzt mit der Stadt zusammen eine Planung erstellt, wie denn so ein Sportzentrum aussehen könnte. Es ist ein Planungsbüro beauftragt gewesen und hat eine Machbarkeitsstudie erstellt. Unsere Bedürfnisse und auch die Bedürfnisse aller anderen Vereine im Ort sind da eingeflossen. Schwierig wird es natürlich irgendwann, wenn es wegen der Finanzierung in der Politik zum Schwur kommt. Aber die Politik hat hier dieses Projekt schon mehrmals weitergeschoben. Inzwischen haben wir wirklich die Perspektive, dass in einigen Jahren das dort steht. Wir hoffen, dass vielleicht schon im nächsten Jahr eine Ausschreibung passieren kann und jemand gesucht wird, der das Ganze dann auch baut.
Wie funktioniert der Austausch mit den Verantwortlichen?
Helmut Bergstein: Für uns ist es natürlich ein enormer Vorteil, dass wir uns mit allen ortsansässigen Vereinen zusammengeschlossen haben und nicht jeder seine eigenen Interessen vertritt, sondern dass wir gemeinsam mit einer Stimme sprechen gegenüber der Verwaltung, gegenüber der Stadt und gegenüber der Politik. Das erzeugt ein hohes Gewicht und das hat dazu geführt, dass wir inzwischen einen sehr vertrauensvollen und regelmäßigen Austausch mit den Verantwortlichen der Stadt haben. Wir haben monatliche Projekttreffen und verfolgen so den Fortgang. Wir können sofort Probleme lösen, wenn sie auftauchen und wir sie irgendwie lösen können. Insofern sind wir da jetzt auf einem guten Weg, nichtsdestotrotz muss man immer dranbleiben. Wenn man es schleifen lässt, dann schläft das auch ganz schnell wieder ein.
Wir sind hier zu Hause! Trainer Marc Schlingensief und die Regionalliga-Herren aus Weiden gehören inzwischen zur Spitzengruppe in der Regionalliga – und die Gegner müssen schon einiges anbieten, um in der Halle Parkstraße zu bestehen. (Foto: Thomas Schmidt)
Zwei Mannschaften spielen in der Regionalliga – erste Frauen und erste Männer. Was ist, falls einer von beiden in näherer Zukunft der Aufstieg in die 3. Liga „passiert“ oder wenigstens die Chance dazu auftaucht?
Helmut Bergstein: Unser Konzept generell ist, wer den sportlichen Aufstieg schafft, egal welche Mannschaft, der darf das auch machen. Das heißt im konkreten Fall, erste Damen und erste Herren, das würden wir durchaus versuchen wollen. Wenn einer von den beiden den Aufstieg schaffen würde in die 3. Liga, würden wir nicht sagen, das machen wir sportlich nicht. Das ist natürlich schwierig, das zu stemmen. Das ist uns durchaus bewusst, sowohl sportlich als auch finanziell, würden wir aber machen. Mit der jetzigen Halle ist allerdings ein Spielbetrieb in der 3. Liga nicht möglich. Insofern würde es, was das angeht, zurzeit überhaupt gar nicht gehen. Das ist natürlich unschön, das wollen wir beheben. Wir sind eigentlich ganz guter Dinge, dass da noch was draus wird.
Falls ihr sportliche Verstärkungen wollt oder braucht: Womit könnte ihr Spieler überzeugen, nach Weiden zu kommen? Die geographische Lage ist ja in diesem Punkt eher schwierig.
Helmut Bergstein: Verstärkungen zu bekommen, ist natürlich schwierig hier am Rand der Republik. Ein Vorteil, was die Lage angeht, ist vielleicht die Nähe zur Uni in Aachen. Da sind Studenten, die vorher leistungsorientiert Handball gespielt haben und weiter leistungsorientiert Handball spielen können. Die finden bei uns sehr nahe zur Uni eine Heimat, das ist eine Hilfe für uns. Für andere, die von weiter weg kommen, können wir natürlich im Grunde nur mit unserer familiären Atmosphäre punkten, die wir im ganzen Verein haben. Das ist eine große Familie und das überzeugt schon einige, weil es eben nicht nur das Handballspielen ist, weil man gerne danach noch bleibt, sich mit den Leuten, mit den anderen Vereinsmitgliedern und mit den Fans unterhält. Wir feiern gerne und viel zusammen, das ist schon was, das für uns spricht. Aber ansonsten ist es in der Tat durchaus ein schwieriger Punkt für uns.
Von einer guten Jugendarbeit und deren Wert für einen Verein sprechen viele. Wie sieht eure Basis aus und wie funktioniert die Verbindung von Breiten- und Leistungssport?
Helmut Bergstein: Unsere Basis in der Jugend sieht inzwischen sehr gut aus. Wir haben mit Ausnahme der weiblichen B-Jugend alle Jahrgänge besetzt, teilweise auch doppelt. Bis zur E-Jugend steht die Breite im Vordergrund steht. Das heißt, dass wir möglichst viele Jungs und Mädels bekommen. Wir haben hier eine Kooperation mit den Schulen, das funktioniert ganz gut. Ab der D-Jugend fangen wir dann an, auch Leistungssport zu betreiben. Wir wollen, und das haben wir bislang geschafft, dass alle A-, B- und C-Jugenden, die überregional spielen können, auch wirklich überregional spielen. Was die Breite angeht, haben wir jetzt schon eine ganze Reihe an zweiten Mannschaften in der Jugend, sodass die erste C-Jugend sowohl bei den Mädels als auch bei den Jungs überregional spielt und dann noch eine zweite Mannschaft dabei ist, wo die, die noch nicht so weit sind, trotzdem ihre Heimat finden können und dann im Kreis spielen. Das wollen wir weiter ausbauen. Ganz wichtig ist natürlich hier, qualifizierte Jugendtrainer zu haben. Das ist der Schlüssel für diesen Erfolg. Das gelingt uns ganz gut, hier ist es so, dass sowohl Männer als auch Frauen, sowohl aus der ersten als auch aus der zweiten und der dritten Senioren-Mannschaft tatsächlich mit Jugendtrainer machen. Dann haben wir auch die älteren Jugendlichen aus A- und B-Jugend, die schon mit Jugendtrainer sind. Wir beabsichtigen, hier eine eigene Trainerausbildung in Zukunft zu machen.
Das alles unter einen Hut zu bekommen, erfordert viel Leidenschaft für den Handball und viel Zeit. Kommt da ein Vorsitzender manchmal an Grenzen?
Helmut Bergstein: Das ist schon so, dass man da manchmal an seine Grenzen kommt. Es ist natürlich ein riesen Batzen an Arbeit. Da kommt mir und den anderen drei Vorständen zugute, dass wir ein riesen Team haben. Wir arbeiten im erweiterten Vorstand mit 15 Leuten zusammen, jeder hat seinen Job und macht den ganz hervorragend. Insofern funktioniert auch das Gesamtkonstrukt um das Sportliche herum sehr, sehr gut. Und wenn man mal an seine Grenzen kommt, dann sind dieser Zusammenhalt im Verein und der sportliche Erfolg der Schlüssel, dass man doch weitermacht.
Du warst ja schon früher beim TV Weiden als Geschäftsführer dabei. Kannst du dir überhaupt ein Leben ohne Handball vorstellen?
Helmut Bergstein: Ein Leben ohne Handball kann ich mir in der Tat nicht vorstellen. Der Sport macht einfach unfassbar viel Spaß und Freude. Ich bin selber Handballer und natürlich würde das ohne die Unterstützung meiner Familie überhaupt nicht funktionieren. Meine Frau unterstützt das, sie ist selber Handballerin. Meine drei Jungs spielen auch alle im HC Handball. Insofern bin ich nicht nur Solo-Handballer, sondern wir sind eine echte Handball-Familie. Ohne würde das nicht gehen. Eine Leben ohne Handball können wir uns alle nicht vorstellen.
Wir wagen einen Blick voraus: Wo siehst du den HC Weiden in weiteren sechs Jahren und glaubst du, dass dann eine neue Halle steht?
Helmut Bergstein: Ich sehe, dass unsere ersten Mannschaften, sowohl Damen und Herren, sich oben in der Regionalliga etabliert haben in der Zeit, und dass sie auch nach oben spielen und nach oben schielen können. Das sollte uns gelingen. Wichtig ist, dass die Mannschaften darunter eben auch hoch spielen und einen echten Unterbau bringen, dass die Jugend voll besetzt ist, dass wir die Lücken geschlossen haben, die wir jetzt noch haben, dass wir eine funktionierende Jugendtrainer-Qualifikation und -Ausbildung selber hinkriegen. Was die Halle angeht, da sehe ich schon die Perspektive, dass wir in sechs Jahren so weit sind, dass unsere beiden neuen Hallen stehen. Das ist allerdings auch die Grundvoraussetzung dafür, dass es überhaupt funktioniert. Inzwischen bin ich recht optimistisch, dass das gehen wird.