28. November 2024 | Zurück zur Artikelübersicht » |
Es ist Anfang September 2024 und der Beginn der neuen Saison in der Regionalliga steht unmittelbar bevor. Sicher ist zunächst nur, dass das Thema Abstieg den einen oder anderen schwer beschäftigen wird, schwerer wohl noch als in der bereits aufregenden Serie 2023/2024, als viele Entscheidungen erst auf den letzten Metern fielen. Erstaunlich war damals aber vor allen Dingen, das niemand etwas vom Aufstieg wissen wollte – als wäre diese Vokabel mitten in einer verbotenen Zone zu Hause. So sah das damals Stanko Sabljic, der spielende Sportliche Leiter des Drittliga-Absteigers Interaktiv.Handball: „Insgesamt sind zehn Spieler weg, das ist eine sehr schwierige Situation. Das Wichtigste ist, dass wir in der Liga bleiben. Wir wollen junge Leute fördern.“ Heute liegen die Ratinger mit 16:2 Punkten an der Tabellenspitze vor dem TSV Bayer Dormagen II (14:0), der mit zwei Spielen im Rückstand liegt und als einzige Mannschaft der Klasse verlustpunktfrei daherkommt. So sah das damals der neue Trainer Moritz Adam: „Unser Kader hat sich relativ stark verändert. Insbesondere ältere Führungsspieler haben den Kader verlassen. Die Lücke müssen wir jetzt mit einer neuen Rollenverteilung schließen, andere Spieler müssen zu Leistungsträgern werden und Verantwortung übernehmen. Wir wollen erst einmal nix mit dem Abstieg zu tun haben. Unsere Hauptaufgabe in der U 23 ist es, Spieler zu entwickeln. Wir sind da nicht so ergebnisorientiert.“ Auf Rang drei folgt die TSV Bonn rrh. (14:2), die sich mit ihrem Trainer Florian Benninghoff-Lühl nach Rang drei aus der vergangenen Serie im selben Bereich bewegt. Und so sah der neue Coach das Ganze damals: „Der dritte Platz ist nicht unbedingt der Maßstab für diese Saison und es erwartet keiner in Bonn, daran einfach anknüpfen zu können. Wir haben eine spannende Findungsphase. Es wird die Hinrunde dauern, dass wir uns komplett einspielen können und ein neues Team formen. Ich bin gespannt, wie schnell das funktioniert. Wir wollen nicht am Anfang unten reingeraten, um dann nach der ersten Saisonhälfte ein hoffentlich ambitioniertes Ziel ausrufen zu können. Das wird insgesamt eine extrem enge und spannende Saison.“ Vierter im Bunde derjenigen, die das obere Drittel bilden, ist dann der Vorjahresvierte HC Weiden (12:4). Dessen Trainer Marc Schlingensief sah das Ganze vor ein paar Monaten so: „Unser Ziel ist, die letztjährige Punkteausbeute von 29 Punkten zu bestätigen. Das ist ambitioniert und schwer genug.“ Trotzdem ist seine Stellungnahme unter dem Strich noch die offensivste von allen da oben. Erstens dürfte das hier keine zu kühne Prognose sein: Aus dieser Vierergruppe wird der Meister stammen, der damit das erste Recht zum Aufstieg bekommt. Zweitens liegt auch das hier auf der Hand: Im Jahres-Endspurt treffen sich die Top-Teams und sie laufen sich gleich mehrmals über den Weg.
Nach dem aktuellen Stand der Dinge und dem bisherigen Saisonverlauf deutet vieles auf die Dormagener hin, die nun in gewisser Weise vor ihren persönlichen Wochen der Wahrheit stehen: Am Samstag tritt der Zweite bei den Bonnern an und am 7. Dezember gegen die Ratinger. Klar ist, dass die beiden Duelle nicht nur für Trainer Adam einen besonderen Reiz haben. „Wir sind in freudiger Erwartung auf die beiden Topspiele, die sich die Jungs bis zum jetzigen Zeitpunkt erarbeitet haben“, sagt der TSV-Coach. Ansonsten ist er darum bemüht, die auf seinem Team liegenden Erwartungen einzugrenzen und die Rolle des Top-Titelkandidaten lieber abzulehnen: „Wir sind uns immer noch darüber im Klaren, aus welcher Situation wir kommen mit einem großen Umbruch und dem Abgang von Führungsspielern. Die Spieler, die diese Verantwortung bis dato eindrucksvoll übernommen haben, können das jetzt auch in einem Spitzenspiel unter Beweis stellen. Insgesamt sollte das zu einem immer noch frühen Zeitpunkt in der Saison aber nicht zu hoch gehangen werden – insbesondere, was die uns zugeschriebene Favoritenrolle um den Aufstieg angeht. Wir tun gut daran, uns weiterhin inhaltlich mit unseren Aufgaben zu beschäftigen und weniger über einen Ausgang in einem knappen halben Jahr nachzudenken.“ Richtig ist definitiv, dass die an den beiden vergangenen Wochenenden pausierenden Bonner maximalen Widerstand leisten wollen. Und sie sind mindestens ebenso heiß auf die Partie wie ihr Gegner, wie Trainer Florian Benninghoff-Lühl kurz nach dem 39:31 über den HC Gelpe/Strombach (sechster Sieg hintereinander) angekündigte: „Wir schauen jetzt vor allem auf das Spiel in drei Wochen gegen Dormagen, wo wir uns einfach tierisch freuen, dass wir aus einer Position von sehr viel Selbstvertrauen mit Lust in dieses Top-Spiel gehen können.“ Für einen Erfolg werden beide Seiten sowieso eine Top-Leistung brauchen, wobei Dormagen auch seine bestmögliche Besetzung an den Start zu bringen vermag. „Personell können wir aus dem Vollen schöpfen“, sagt Trainer Adam, „und wir haben Unterstützung aus der A-Jugend und ersten Mannschaft.“ Dass die Bonner deswegen vor lauter Ehrfurcht in irgendeiner Situation zurückziehen, ist jedoch nicht zu erwarten.
Höchst aufmerksame Beobachter des Duells zwischen Bonn und Dormagen werden besonders die Ratinger sein, die an diesem Wochenende selbst nicht im Einsatz sind und deshalb ihre führende Position nicht aktiv verteidigen können. Das eine Modell aus Interaktiv-Sicht: Gewinnt Dormagen, ist Platz eins weg – und die Ratinger treten bald „nur“ als Zweiter zum Gipfeltreffen in Dormagen an. Das andere Modell: Bei einem Unentschieden oder einem Bonner Erfolg mit weniger als elf Toren Differenz (gilt in dieser Höhe als utopisch) bleibt Ratingen erst einmal vorne. Alle diese Rechnungen kennen natürlich auch die Weidener, die sich nach ihrem 31:37 in Dormagen durch vier Erfolge hintereinander wieder in der Spitze etabliert haben und nun in einen aufregenden Jahres-Endspurt gehen. Dabei steht den Weidenern zurzeit nicht mal der Sinn danach, bereits besonders viele Gedanken an die Partien am 7. Dezember gegen Bonn und am 14. Dezember in Ratingen zu verschwenden. Für den HC steht zuerst noch Wichtigeres auf dem Programm: Es ist Derbyzeit und am Samstag geht es zum BTB Aachen, der durch vier Niederlagen in Folge in eine gefährliche Nähe jener Zone gerückt ist, in der es um den erhöhten Abstieg geht. Bei 6:10 Zählern muss die Mannschaft von Trainer Simon Breuer von Rang neun aus ihren Blick nach unten richten und sie braucht auf der Zielgeraden 2024 dringend noch was Zählbares auf ihrem Konto. Das würden die Aachener gegen Weiden ebenfalls liebend gerne hinbekommen – doch am 6. Dezember beim Bergischen HC II (Letzter/0:16) und am 14. Dezember gegen den MTV Rheinwacht Dinslaken (Elfter/4:12) bleibt ihnen nichts anderes übrig.
Ihre bisherigen drei Siege holten die zuletzt immer wieder von nicht gerade kleinen personellen Problemen geplagten Aachener jeweils zu Hause – 36:33 gegen Bonn, 27:24 gegen OSC Rheinhausen (Fünfter/10:8), 37:34 gegen HSG Siebengebirge (Vorletzter/2:16). Alleine das sehen sie in Weiden als Hinweis dafür, dass im Derby vieles passieren kann – aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit kein Spaziergang. „Das ist bei uns im Handballkreis sicherlich das Highlight, wenn die besten Teams der Region aufeinander treffen. In der Vorbereitung ist das für mich als Trainer aber irrelevant, da ich mich genauso mit anderen Gegnern auseinandersetze. BTB hat seine Stärken vor allem im Angriff, der sehr durchschlagskräftig und variabel agiert. Ob wir als Favorit in dieses Spiel gehen, kann ich nicht mit Gewissheit sagen, dafür habe ich noch zu viele Unwägbarkeiten im Kader. Fakt ist aber, BTB hat alle Heimspiele gewonnen, unter anderem gegen Bonn und Reinhausen. Das zeigt, welche Qualität im Team steckt. Wir fahren selbstbewusst, aber voller Respekt und Demut nach Aachen. Ich freue mich so oder so auf einen schönen Handballabend vor voller Kulisse.“ Letzteres würden sie beim BTB garantiert unterschreiben.
Hinter dem Führungsquartett geht es wohl bereits ab Rang fünf vor allem darum, sich so viel Distanz wie möglich auf die besonders heiße Gefahrenzone zu verschaffen. Wäre jetzt Schluss, müssten aufgrund der gerade für die Nordrhein-Vertreter sehr ungünstigen Entwicklung in der 3. Liga und des daraus folgenden erhöhten Abstiegs in die Oberliga tatsächlich fünf weitere Vereine runter (neben der zurückgezogenen HG Remscheid). Daraus folgt: Selbst die Partie zwischen dem Fünften OSC Rheinhausen (10:8) und dem Sechsten HC Gelpe/Strombach (8:8) ist durchaus kein belangloses Duell zwischen zwei Mitgliedern des (noch) oberen Mittelfeldes – und dennoch im Vergleich zum Sonntags-Programm eine für den Moment fast harmlose Angelegenheit. Hier hat es bereits der Vormittag in sich – und dabei herrscht sowohl bei der Partie zwischen Dinslaken und TuSEM Essen II (Achter/8:8) viel Handlungsbedarf als auch in der zwischen Unitas Haan (Zehnter/6:12) und der HSG Siebengebirge (Zwölfter/2:16). Vorteil für Essen: Es gab in den drei vergangenen Spielen immerhin zwei Siege und vier Punkte. Vorteil für Dinslaken: Das Team von Trainer Marius Timofte gewann zuletzt das Nachholspiel beim Bergischen HC II, der gerade erst einen Trainerwechsel vorgenommen hatte (Lars Halfmann für Mirko Bernau), überraschend hoch mit 38:29.
Vorteil für Siebengebirge? Noch kein erkennbarer. Nach der Trennung von Marcel Trinks ist ja mittlerweile dessen Vorgänger Lars Degenhardt zurück auf dem Trainerposten. Sein oberstes Ziel ist es natürlich, die Serie von sechs Niederlagen in Folge zu beenden. Weil sich das allerdings nicht mit den Vorstellungen der Haaner verträgt, die durch vier zum Teil sehr deutliche Pleiten nach ihrem ordentlichen Start (6:4) weiter zurückgefallen sind, dürfte die Angelegenheit spannend werden – was wohl auch fürs „Finale“ dieses zehnten Spieltages zwischen der HSG Refrath/Hand (Sieber/8:8) und dem Schlusslicht Bergischer HC II zutrifft. Die Refrather haben besonders in den vergangenen drei Spielen ihre Standortbestimmung bekommen: Nach dem 23:30 gegen Dormagen, dem 29:32 in Weiden und dem 30:36 gegen Interaktiv.Handball ist klar, dass der HSG zur Spitze des Feldes tatsächlich ein paar Schritte fehlen – was aber für Trainer Kelvin Tacke und sein Team in der Summe keine Überraschung ist. Deutlich überraschender fänden sie in Refrath dafür, wenn sie die bevorstehende Aufgabe am Sonntagnachmittag nicht lösen können – weil es eben gegen den BHC II geht, der vor Kurzem einen Trainerwechsel vollzogen hat (Lars Halfmann für Mirko Bernau) und anschließend in eigener Halle gegen Dinslaken trotzdem unterging. Tackes Einschätzung vor dem Saisonstart: „Man muss erst ein Gefühl für die Liga kriegen und die ersten Spiele spielen, um einen Eindruck zu bekommen, wo man sich da einpendelt. Mit einer Zielsetzung bin ich sehr zurückhaltend.“ Inzwischen sind die Dinge aber etwas klarer und die HSG braucht die beiden Punkte vor allem, um nicht in einen Sog nach unten gezogen zu werden. Dafür zählt eben jeder Sieg.