Regionalliga Nordrhein
Ratingen eins, Dormagen drei: Und beide stehen voll auf der Bremse
TSV Bayer II erwartet Interaktiv zum Spitzenspiel, der Vierte HC Weiden trifft auf den Zweiten Bonn. Ansonsten dominiert fast überall der Abstiegskampf.

Durchblick: Für Trainer Moritz Adam ist völlig klar, dass seine Domagener (noch) nicht für die Rolle des ersten Meisterschafts-Kandidaten in Frage kommen. Das sieht aber mindestens ein Teil der Konkurrenz für sich selbst genauso. Aufsteigen dürfte am Ende vermutlich trotzdem einer – obwohl keiner dazu gezwungen wird. (Foto: Markus Verwimp)

Es ist ein kleines Grüppchen, das den Lauf der Dinge in der Regionalliga bestimmt – soweit es die Tabellenspitze angeht. Und jetzt treffen sich die „Großen Vier“ praktisch zu einem eigenen „Final Four“, das durchaus als Weichenstellung geeignet sein könnte. Erste Frage  vor diesem vermutlich aufregenden Wochenende: Kann der personell umgebaute Drittliga-Absteiger Interaktiv.Handball tatsächlich zum großen Wurf ansetzen und sich die Meisterschaft sichern? Oder kommt dafür doch ehe der TSV Bayer Dormagen II in Frage, der vor allem für Turbohandball steht? Weitere Hinweise darauf dürfte das direkte Duell liefern, denn die Dormagener (14:2 Punkte), die ein Spiel weniger absolviert haben, erwarten am Samstagabend als Dritter die aktuell an der Tabellenspitze liegenden Ratinger (16:2). Zweite Frage: Kann die TSV Bonn rrh. ihre Serie fortsetzen und als eine Art Mannschaft der Stunde der Konkurrenz den Titel streitig machen? Oder kann sich der Vierte HC Weiden (12:6) noch einmal ganz vorne einmischen? Weitere Hinweise dürfte auch hier das direkte Duell liefern, denn die Weidener erwarten Bonn (16:2), das nur über das etwas schlechtere Torverhältnis hinter Interaktiv liegt (plus 42/plus 45). Prognosen sind allenfalls grob möglich – und den festen Willen auf die Spitzenposition oder sogar den Aufstieg in die 3. Liga hatte ja vor der Saison niemand geäußert. Damals war eher Zurückhaltung das Gebot der Stunde – wie im Übrigen heute noch.

Interaktiv fährt mit einer Serie von sechs Erfolgen hintereinander nach Dormagen und musste nur mit einem inzwischen mehr als zwei Monate alten 24:26 vom 28. September in Bonn ohne Punkte von der Platte gehen. Glück brauchte das Team von Trainer Filip Lazarov danach lediglich vor Kurzem am 15. November, als es im Oberbergischen beim HC Gelpe/Strombach mit 31:30 gewann – durch den späten Siebenmeter-Treffer von Dusan Maric in der 59. Minute zum 30:30 und ein noch späteres Tor von Luca Wenzel vier Sekunden vor dem Ende zum 31:30. Dormagen, das in der Lage zu sein schien, die Klasse zu dominieren, hatte seine ersten sieben Partien gewonnen und das sogar immer ziemlich klar, ehe es am vergangenen Wochenende bei der TSV Bonn rrh. erstaunlich chancenlos blieb (31:39). Dabei hatte besonders TSV-Trainer Moritz Adam schon vorher wenig davon gehalten, dass sein junges Team irgendeine Form von Favoritenrolle im Kampf um den Titel einnimmt, und nach der ersten Niederlage sah er sich darin bestätigt: „Ich glaube, wir müssen uns einfach darüber klar werden, was ich immer betont habe, dass wir noch nicht so weit und so abgezockt sind, um solche Spiele zu dominieren, und dass die uns zugeschriebene Rolle noch nicht auf uns zugeschneidert ist.“ In diesem Zusammenhang dürfte bei den Dormagenern zugleich manches davon abhängen, welche Leihgaben aus der Zweitliga-Mannschaft möglich sind – die zuletzt beim Auftritt in der 2. Liga gegen den Dessau-R0ßlauer HV parallel unterwegs war (32:33) und das nun am Samstagabend beim VfL Lübeck-Schwartau erneut sein wird. Auf jeden Fall haben die Dormagener vor, sich gegen  Interaktiv wieder besser zu präsentieren: „Wir werden im nächsten Top-Spiel gegen Ratingen sicherlich ein anderes Gesicht zeigen.“

Wenn es nach dem Grad des Von-Sich-Weisens beim Thema Titelkandidat oder Favoritenrolle geht, ist Interaktiv tatsächlich auf Augenhöhe mit dem TSV Bayer II unterwegs – wenn nicht sogar mit leichten Vorteilen ausgestattet, denn die Ratinger treten bei den Erwartungen noch stärker auf die Bremse, obwohl es ihnen auf Rang eins natürlich ganz gut gefällt. „Wir sind auch überrascht, dass wir Erster sind“, sagt der spielende Sportliche Leiter Stanko Sabljic, „damit, dass wir da stehen, haben wir nicht gerechnet. Wir sind gleichzeitig sehr froh und ich bin meinen Spielern sehr dankbar, dass sie so Gas geben und an den Trainer glauben. Sie haben sich richtig Mühe gegeben und das war nicht einfach. Das ist ein Prozess und das ist alles neu für unsere neue junge Truppe. Wir sind auf einem richtigen Weg.“ Einen kühneren Blick nach vorne riskiert er trotzdem nicht und das könnte vielleicht eine Lehre aus den Ereignissen in der Vergangenheit sein: „Dass sich unsere Zielsetzung ändert, sehe ich nicht so, weil die Saison erstens lang ist. Zweitens weiß man nicht, wie viele Mannschaften absteigen. Drittens haben wir die Erfahrung aus dem letzten Jahr in der 3. Liga, wo wir gut gespielt haben in der Hinrunde und die Rückrunde eine sehr, sehr schwierige Zeit für uns war. Wir sind bodenständig und wir fahren nach Dormagen, das die beste Mannschaft der Liga ist. Für uns ist das ein ganz normales Spiel, in das wir entspannt gehen. Wir wollen das in so einer großen Halle genießen, wir wollen ein bisschen Erfahrung sammeln und ein gutes Spiel machen.“

Als Mannschaft der Stunde sind zurzeit die Bonner unterwegs, die nur am Abfang der Saison (zweiter Spieltag) einen Sieg verpassten mit dem 33:36 beim BTB Aachen (Achter/8:10). In der Folge sammlte die Mannschaft von Trainer Florian Benninghoff-Lühl sieben Siege am Stück ein – darunter jene wertvollen im späten September gegen Interaktiv (26:24) und nun gegen Dormagen II. Nach dem damaligen Erfolg über die Ratinger scheint Bonn überhaupt den offensiven Turbo angeworfen zu haben – 33:27 beim OSC Rheinhausen, 35:27 gegen Unitas Haan, 35:31 bei der HSG Siebengebirge, 39:21 beim HC Gelpe/Strombach, 39:31 gegen Interaktiv. Natürlich wissen sie in Bonn, dass die bevorstehende Aufgabe in Weiden trotzdem sehr herausfordernd wird, zumal der HC bisher zu Hause keinen einzigen Zähler abgegeben hat (10:0) und seine sechs Minuspunkte auswärts einstecken musste – wie am vergangenen Wochenende im Derby beim BTB Aachen (24:28). Was für die Mannschaft von Trainer Marc Schlingensief eher kein Druck, sondern sehr reizvoll ist: Sie kann jetzt gegen Bonn und am 14. Dezember in Ratingen noch einmal zeigen, dass sie zu Recht einen Platz im vorderen Drittel einnimmt. Schlingensief glaubt auch nicht, dass die Niederlage in Aachen einen Dauerschaden angerichtet hat, „Das ist aufgearbeitet und aus dem Köpfen raus“, erklärt der HC-Coach, „solche Tage, wo kaum was zusammenläuft, gibt es einfach. Vielleicht ist es auch nicht verkehrt, dass wir nach langer Zeit mal als Underdog in eine Partie gehen.“ Gleichzeitig freut er sich auf einen tollen Handball-Abend: „Bonn ist aktuell neben Ratingen das Maß der Liga. Wir erwarten eine aggressive und variable Abwehr und im Angriff sehr dynamische, junge Spieler, die schon ein sehr gutes Entscheidungsverhalten an den Tag legen. Hinzu kommt, dass Bonn über das wohl beste Außen-Duo der Liga verfügt. Wir wollen unseren Teil zu einem Top-Spiel beitragen und es Bonn vor allem in der heimischen Parkstraße so schwer wie möglich machen.“

An nahezu allen anderen Schauplätzen gibt am vorletzten Spieltag vor der Pause über Weihnachten/Neujahr der Abstiegskampf den Ton an. Bereits der Freitagabend hat es mit der Partie zwischen dem Bergischen HC II (13./0:18 Punkte) und dem BTB Aachen in sich, weil es ja in der Regionalliga aufgrund der Enwicklung in der 3. Liga sehr wahrscheinlich einen deutlich erhöhten Abstieg geben wird. Bleibt es eine Etage höher so, wie es momentan mit vier Absteigern in der Verband Nordrhein wäre, müssten – was seit Wochen uverändert ist – sechs Mannschaften den Weg aus der Regionalliga in die Oberliga antreten. Einzige Hilfe: Weil darauf die vor einiger Zeit zurückgezogene HG Remscheid angerechnet wird, bleiben „nur“ fünf, sodass die Aachener als Achter soeben aus dem Schneider wären und alleine deshalb vermutlich alles für den ersten Auswärtssieg in dieser Saison geben wollen. Auf der anderen Seite brauchen die dem Feld hinterherrennenden Solinger schon jetzt ein halbes Wunder, weil alleine der Vorletzte HSG Siebengebirge (4:16) bereits vier Zähler entfernt liegt.

Jener Aufsteiger holte am vergangenen Sonntag durch ein 34:22 beim Aufsteiger Unitas Haan seinen zweiten Saisonsieg, der aber alleine nicht reicht, um sich aus dem Keller zu entfernen. Im Grunde braucht die HSG, nach der Trennung von Marcel Trinks wieder mit dem Trainer-Rückkehrer Lars Degenhardt unterwegs, im Heimspiel gegen TuSEM Essen II einen weiteren Erfolg – wobei die Essener als Neunter (6:10) inzwischen nach zwei Niederlagen hintereinander selbst in der gefährlichen Zone angekommen sind. Immer noch ziemlich bedrängt sieht direkt hinter TuSEM II der MTV Rheinwacht Dinslaken aus (Zehnter/6:12), der aber gerade durch zwei Siege in Folge (39:28 beim Bergischen HC II, 32:25 gegen TuSEM Essen II) zwei Lebenszeichen abgegeben hat und nun auf die HSG Refrath/Hand trifft (10:8), die auf Rang sechs die Runde der Mannschaften mit einem positiven Konto abschließt und angesichts der engen Lage in Dinslaken trotzdem nichts zu verschenken hat. Das kann sich am allerwenigsten der in einem Sinkflug feststeckende Aufsteiger Unitas Haan erlauben, dessen fünf zum Teil sehr klare Niederlagen hintereinander das Konto von 6:4 Punkten auf 6:14 Zähler gestellt haben. Ob die Haaner, auf Rang elf angekommen, ihre Talfahrt zum Abschluss des Spieltages am Sonntagabend beim HC Gelpe/Strombach stoppen können? Die Hausherren aus dem Oberbergischen (Fünfter/10:8) haben gegen Kontrahenten aus der unteren Hälfte noch keinen Punkt abgegeben und alleine drei ihrer bisher vier Niederlagen stammen aus den Spielen gegen die Top-Teams Interaktiv (30:31), Bonn (31:39) und Dormagen (31:36). Richtig viel spricht da im Augenblick nicht für die Unitas.