Regionalliga Nordrhein
Alle jagen Bonn – und Dormagen erzwingt Wiederholungsspiel gegen Interaktiv
TSV geht als Spitzenreiter ins neue Handball-Jahr. TSV Bayer II bekommt nach 26:27 neue Chance fürs Verfolgerduell mit Interaktiv. Ab Platz neun regiert der Abstegskampf.

Wir sehen uns wieder! Stanko Sabljic (Nummer 77/mit Ball) und seine Ratinger werden demnächst noch einmal zusätzlich bei den Dormagenern mit Jan Stolzenberg (links) und Johannes Emmerich (rechts) antreten müssen. Der Interaktiv-Sieg aus dem Dezember 2024 zählt nicht mehr. (Foto: Markus Verwimp)

Sie kommen aus dieser Nummer nicht mehr raus. Wenigstens vorerst nicht. Und sie sind gerade offensichtlich der Titelkandidat Nummer eins. Die TSV Bonn rrh. hat in bisher elf Spielen bei 20:2 Punkten als einzige Mannschaft in der Regionalliga Nordrhein nur eine Niederlage hinnehmen müssen. Die passierte am 14. September 2024 mit dem 33:36 beim heimstarken BTB Aachen (Achter/11:11 Punkte) und ist demnach mittlerweile fast vier Monate alt. Darüber hinaus gewann das an der Tabellenspitze liegende Team von Trainer Florian Benninghoff-Lühl unter anderem gegen die beiden direkten Verfolger – 26:24 gegen den Zweiten Interaktiv.Handball und 39:31 gegen den TSV Bayer Dormagen II, die im Übrigen mittlerweile eine seit dem 7. Dezember 2024 schwebende und ganz besondere Geschichte verbindet. Damals hatten die Ratinger in Dormagen ein aufregendes Duell mit 27:26 für sich entschieden und diesen mit dem Treffer von Dusan Maric genau 29 Sekunden vor Schluss gesicherten Erfolg entsprechend gefeiert. Was nachher folgte, war die Ankündigung des TSV Bayer, gegen die Wertung des Spiels Protest einzulegen. Begründung: Regelverstoß der Unparteiischen. So stand es seinerzeit im Spielbericht: „Der letzte Freiwurf im Spiel, der von den Schiedsrichtern mit einer Zwei-Minuten-Strafe (Verhinderung der Ausführung eines Wurfes) geahndet wurde, fand in den letzten 30 Sekunden des Spiels statt und hätte laut Regel 8.11 mit einer Disqualifikation und einem Siebenmeter fortgesetzt werden müssen.“ Dass der sieben offizielle Sekunden vor dem Ende an der Aktion beteiligte Spieler bei den Ratingern ausgerechnet deren Sportlicher Leiter Stanko Sabljic war, spielte nun beim Spruch des Verbandsgerichts keine Rolle – eher die Erkenntnis, dass tatsächlich ein Regelverstoß vorlag und die Dormagener nicht sofort die dem „Gesetz“ entsprechende Strafwurf-Chance zum Ausgleich bekamen. Folge eins: Die Partie wird aus der Wertung genommen und zu einem noch festzulegenden Zeitpunkt neu ausgetragen. Folge zwei: Interaktiv hat jetzt als Zweiter keine 20:4 Punkte mehr, sondern nur noch 18:4, und Dormagen folgt als Dritter nicht mit 16:6 Punkten, sondern mit 16:4. Dass einer der Verfolger über zwei Pluspunkte weniger verfügt und der andere über zwei Minuspunkte weniger, finden wahrscheinlich eher die direkt Betroffenen je nach Ausgang des Verfahrens gut oder weniger gut, während es für die TSV vor allem eine Randnotiz sein dürfte. In Bonn scheinen sie ja besonders darauf bedacht zu sein, den Stand der Dinge bei sich selbst zu beurteilen/zu analysieren.

Der Spitzenreiter kann den bisher erfolgreichsten Angriff anbieten, der aktuell bei 35,18 Treffern pro Abend steht und bei 387:318 Toren (plus 69) zudem über das beste Torverhältnis verfügt. Nach jener Niederlage in Aachen gewannen die Bonner außerdem neun Mal in Folge – was ebenfalls ein Liga-Rekord ist und von einer hohen Konstanz zeugt. Alle Faktoren haben in der Summe dazu geführt, dass sich die Ratinger und die Dormagener zurzeit hinter der TSV anstellen müssen. Ganz nebenbei ist vor dem Hinrunden-Abschluss am kommenden Wochenende bereits zu hundert Prozent sicher, dass Bonn erst einmal vorne bleiben wird – unabhängig von der eigenen Aufgabe beim gefährdeten MTV Rheinwacht Dinslaken (Elfter/6:16), für die der Spitzenreiter als Favorit zu gelten hat. Interaktiv ist schließlich sowieso nicht im Einsatz, weil es die zunächst für Samstag vorgesehene Partie gegen TuSEM Essen II (Zehnter/6:16) bereits kurz vor Weihnachten hinter sich gebracht hat (38:34), und die Dormagener kommen selbst dann nicht vorbei, wenn sie als gleichfalls klarer Favorit gegen den mittlerweile tief im Keller feststeckenden Aufsteiger Unitas Haan (Zwölfter/6:16) einen wirklich hohen Sieg einfahren.

Es ist nun nicht gerade so, dass sich die Bonner gegen das bisher Erreichte wehren oder keine Genugtuung darüber verspüren – aber sie sehen das Ganze mit einer ans rein Nüchterne grenzenden Gelassenheit und sie sehen schon gar keine Ausnahmestellung für sich selbst. Florian Benninghoff-Lühl reicht als Warnung ein Blick in die Vergangenheit. „Wir haben schon oft in einer vermeintlichen Spitzengruppe gestanden zum Jahreswechsel“, sagt der TSV-Trainer, „und wir haben leider genauso oft relativ frühzeitig doch den Anschluss verloren. Letztes Jahr sind wir mit dem Ergebnis zum ersten Mal wieder unter die Top Drei gekommen und da gab es auch Spiele, wo man gehofft hat, oben noch mal anzugreifen. Dann haben wir entweder die Top-Spiele verloren oder einige Spiele auswärts nicht mit der Ernsthaftigkeit angegangen und Punkte gelassen.“ Die logische Schlussfolgerung aus seiner Sicht: „Genau das ist jetzt unser Ziel, dass das 2025 nicht passiert.“ Bevor das wie eine verkappte Kampfansage an die Konkurrenz klingen kann, weist Bonns Coach genau auf deren Qualitäten/Stärken hin: „Ich sehe nicht nur Dormagen und Interaktiv als die, mit denen man sich vergleichen muss. Wenn man das tut, macht man direkt den ersten Fehler. Weiden schlägt Ratingen, Rheinhausen schlägt Dormagen – es gibt verdammt viele Mannschaften, die in dieser Liga in der Lage sind, sich gegenseitig zu schlagen.“ Für die Bonner sind mithin zumindest der Vierte HC Weiden (14:8), der Fünfte HSG Refrath/Hand (14:8), der Sechste OSC Rheinhausen (12:10) und der Siebte HC Gelpe/Strombach (12:10) jederzeit fähig, als Spielverderber für andere aufzutreten. Zumindest in der Hinrunde waren die Verfolger dazu allerdings noch nicht stark genug – 37:28 gegen Refrath/Hand, 33:27 beim OSC Rheinhausen, 39:31 beim HC Gelpe/Strombach, 38:30 beim HC Weiden. 

Für die TSV sollen vorerst dennoch andere Bausteine im Vordergrund stehen. „Wir wollen gucken, dass wir unsere guten Leistungen bestätigen“, betont Benninghoff-Lühl, „dass wir diese tolle Entwicklung der jungen Mannschaft fortführen, dass wir nicht sagen, wir haben unseren Handball gefunden und sind im Prinzip nur noch dabei, den jede Woche abzurufen. Wir wollen den jede Woche weiterentwickeln, wir wollen jede Woche wieder angreifen und uns verbessern. Dadurch wollen wir den Mannschaften, die sich jetzt immer besser auf uns einstellen können nach dem Umbruch, trotzdem neue Aufgaben geben. Wir wollen im Endeffekt schauen, dass wir uns im nächsten Schritt bis Karneval in einer extrem schweren Phase der Saison mit extrem schweren Aufgaben, angefangen jetzt mit Dinslaken, wo wir noch nie gewinnen konnten, in der Spitzengruppe festsetzen – und im Idealfall ganz oben. Wir wissen aber, wie schwer die Aufgaben sind. Wir gucken jetzt nicht bis zum Saisonende und wir gucken schon gar nicht auf eine 3. Liga.“ Zu den schwierigen Aufgaben für die nächsten Wochen rechnet Bonn dabei nicht nur die am 19. Januar in Refrath oder die am 8. Februar bei Interaktiv, sondern bereits jene am kommenden Sonntag um 11.15 Uhr beim akut gefährdeten MTV Rheinwacht Dinslaken (Elfter/6:16). „In Dinslaken haben wir noch nie gewonnen“, erläutert Bonns Trainer, „und im letzten Jahr haben wir sogar das Heimspiel verloren.“ Passenderweise gibt es jedoch für diese Warnung erneut eine entsprechende Schlussfolgerung: „Entsprechend fahren wir da mit unfassbar viel Lust hin, diesen Bock endlich umzustoßen.“ Wahrscheinlich ist es sogar diese Leidenschaft für die eigene Leistung, die aus Bonn mehr als einen krassen Außenseiter im Kampf um die Meisterschaft macht.

Der heißeste denkbare Kandidat für den ersten Platz schien nach acht Runden mit makellosen 16:0 Punkten der TSV Bayer Dormagen II zu sein, der jedoch durch drei Niederlage hintereinander ein Stück vom Kurs abkam – mit dem 31:39 in Bonn, mit dem nun gestrichenen 26:27 gegen Interaktiv, mit dem 34:38 in Rheinhausen. Durch das 38:34 über TuSEM Essen II (Zehnter/6:16) beendete das Team von Trainer Moritz Adam kurz vor Weihnachten seine negative Serie und es trifft nun in zwei weiteren Heimspielen wieder auf Konkurrenz aus dem Keller – zuerst am Sonntag auf Unitas Haan (Zwölfter/6:16) und anschließend am 18. Januar beim Rückrundenbeginn auf die HSG Siebengebirge (Neunter/8:16), die mit dem Rückenwind aus drei Siegen hintereinander nach Dormagen kommen wird. Klarer Fall: Um den direkten Anschluss zu wahren, braucht der TSV Bayer II entsprechende Erfolge. Ob darüber hinaus die Weidener, die zuletzt das Jahr 2024 mit einem überraschenden 33:24 bei Interaktiv beendeten, auf Dauer ebenfalls (wieder) das Top-Trio herausfordern können, dürfte unter anderem das bevorstehende Duell mit dem OSC Rheinhausen zeigen. Was beide vereint: Auch der OSC mit Trainer Thomas Molsner machte in seinem letzten Spiel vor Weihnachten nachhaltig auf sich aufmerksam – durch ein 38:34 über die Dormagener. Weil keiner vorhat, das Jahr 2025 mit Geschenken für den Gegner zu beginnen, könnte dieses Duell zweier fest zur oberen Hälfte gehörenden Teams richtig spannend werden.

Die Sicherheitszone endet im Prinzip beim Achten BTB Aachen, der noch über ein ausgeglichenes Konto verfügt (11:11) und sich bisher vor allem auf seine Bilanz in eigener Halle stützen konnte (10:0). Nachvollziehbar sind die Aachener vor der Partie in Refrath/Hand mit ihrer bisherigen Auswärtsbilanz (1:11) weniger zufrieden, weil dort bisher lediglich ein 34:34 beim Schlusslicht Bergischer HC II (1:23) auftaucht. Aachener Wunsch wäre es bestimmt, daran so schnell wie möglich etwas zu ändern – was allerdings die Refrather genauso bestimmt verhindern wollen. Deutlich mehr Druck als der BTB verspüren zurzeit angesichts des drohenden erhöhten Abstiegs (hängt von der Entwicklung in der 3. Liga ab) alle Klubs hinter den Aachenern, wobei der aktuelle Trend irgendwie für den Neunten Siebengebirge spricht. Massive Sorgen haben dahinter besonders die Essener, die als Zehnter gegen den HC Gelpe/Strombach antreten, die Dinslakener, die es als Elfter mit Bonn zu tun bekommen, und die Haaner, die als Zwölfter in Dormagen spielen. Was die drei gemeinsam haben: Es besteht bei jeweils 6:16 Punkten noch Hoffnung, den knüppelharten Abstiegskampf irgendwie zu überstehen – anders als beim abgeschlagenen Letzten Bergischer HC II (1:23). Die Solinger werden aus dieser Nummer auch kaum herauskommen.