Regionalliga Nordrhein
Von Haan bis ins Siebengebirge: Das Hauen und Stechen im Abstiegskampf
Ganz unten ist der Bergische HC II abgeschlagen. Davor liegen vier Klubs dicht zusammen. Oben sind Bonn, Dormagen II und Ratingen gewarnt.

Alle mal herhören: Die Impulse des „neuen“ Trainers Lars Degenhardt scheinen ganz gut anzukommen bei der HSG Siebengebirge. Seitdem Degenhardt Anfang Dezember als Nachfolger von Marcel Trinks auf seine alte Stelle zurückkehrte, die er vorher bis zum Sommer 2024 besetzt hatte, ist der Aufsteiger noch ungeschlagen (drei Siege). Und die HSG ist jetzt wieder mittendrin im Kampf um den Klassenerhalt. (Foto: Thomas Schmidt)

Wer in der Regionalliga zu Hause ist, sollte allwöchentlich einen Blick auf die 3. Liga richten – vor allem dann, wenn er etwas weiter oder sogar ganz unten steht. Schließlich hat die Zahl der Absteiger aus der höhren Klasse einen massiven Einfluss darauf, wer am Ende der Saison 2024/2025 im Mai den Weg aus der Regionalliga in die Oberliga antreten muss. Die Rechnung fällt relativ umfangreich aus und sie geht hier immer davon aus, dass jemand aus der Regionalliga wirklich hoch will – wozu in diesem Fall der Tabellenführer TSV Bonn rrh. (21:3 Punkte), der Zweite TSV Bayer Dormagen II (18:4) und der Dritte Interaktiv.Handball (18:4) die größten Aussichten haben. Ein bisschen blöd nur: Keiner aus diesem Kreis hat vor der Saison vom Aufstieg als Ziel gesprochen und nachgeholt hat es vor dem Start in die Rückunde auch noch keiner. Grundsätzlich sollte wohl trotzdem einer die Gelegenheit wahrnehmen. Das Ergebnis vorweg: Wenn denn jetzt bereits Schluss wäre, müssten insgesamt fünf Mannschaften die Regionalliga verlassen. Die im Oktober 2024 zurückgezogene HG Remscheid wird auf diese Zahl angerechnet, sodass vier Absteiger bleiben. Demnach sitzt der Letzte Bergischer HC II (13./1:23) auf dem heißesten aller Stühle – und er wird ihn höchstens durch ein Handball-Wunder an einen der Mitbewerber im Kampf um den Klassenerhalt abgeben können. Davor gibt es aktuell zwischen vier Klubs ein Hauen und Stechen für mehr Sicherheit: Los geht es bei der HSG Siebengebirge (Neunter) und bei TuSEM Essen II (Zehnter/jeweils 8:16), die lediglich durch das Torverhältnis (minus 10/minus 11) um Millimeter voneinander getrennt sind. Es folgen der MTV Rheinwacht Dinlaken (7:17) und die Unitas Haan (6:18). Im Übrigen gilt bei der Festlegung der genauen Reihenfolge im Fall einer Punktgeichheit nach dem letzten Spieltag der direkte Vergleich, was unter dem Strich maximale Spannung bis zum letzten Spieltag garantiert. Theoretisch könnte ja selbst ein Vierervergleich unter punktgleichen Teams erforderlich sein.

In der Gruppe Süd-West der 3. Liga nehmen derzeit der Vorletze TV Aldekerk (6:26) und der Letzte TV Korschenbroich (4:28) aus dem Bereich des Verbandes Handball Nordrhein zwei Abstiegsplätze ein. Mit runter müsste der Drittletzte VTV Mundenheim aus Ludwigshafen (6:26), während die Bergischen Panther (8:24) als weiterer Nordrhein-Vertreter auf Platz 13 soeben über dem Strich zu finden sind, aber höchstens in relativer Sicherheit – was ein Grund dafür sein dürfte, dass alle Regionalligisten den Panthern für den Rest der Saison das Beste wünschen. Mit 7:9 Zählern unter der Regie des neuen Trainergespanns Alexander Oelze/Jens-Peter Reinarz hat die Mannschaft in den vergangenen Wochen auch einiges dafür getan, dass sie sich im Bergischen wieder mehr Hoffnungen machen dürfen. Ebenfalls in der Berechnung zu berücksichtigen, aber nicht mal mehr mit einer Mini-Aussicht ausgestattet: In der Gruppe Nord-West hinkt der VfL Gummersbach II, ebenfalls ein Nordrhein-Mitglied, bei 2:30 Zählern dem Rest des Feldes trotz des jüngsten 25:23 beim Team Handball-Lippe II (erster Sieg) weit hinterher. Zum Vorletzten Eintracht Baunatal (6:28) und zum Drittletzten VfL Eintracht Hagen II (9:23) fehlen bereits vier beziehungsweise sechs Punkte – und die Lücke zum TV Bissendorf-Holte (11:21), der aktuell das rettende Ufer markiert, ist mit acht Zählern echt riesig. Kaum zuu glauben, aber wahr: Den Gummersbachern geht es noch schlechter als den Positionskollegen aus Korschenbroch in der Gruppe Süd-West.

Für die gefährdeten Regionalligisten ergibt sich daraus, dass sie in jedem Spiel alles geben und eine Überraschung versuchen müssen – so, wie es am vergangenen Wochenende der Fall war. So ging bereits das 37:33 für TuSEM Essen II beim Siebten HC Gelpe/Strombach (12:12) als relativ unerwartet durch und fast noch mehr das 32:32 des MTV Rheinwacht Dinslaken gegen den Spitzenreiter TV Bonn rrh. (21:3), der erst klar führte und später fast verloren hätte. Auf der Kippe stand zudem der Zweite TSV Bayer Dormagen II (18:4), der gegen die Haaner viereinhalb Minuten vor Schluss zurücklag (28:29) und sich dann mit viel Mühe einen 31:30-Sieg sicherte. Ob es wirklich nur an den nicht selten vorkommenden Motor-Problemen nach einer Vier-Wochen-Pause über Weihnachten/Silvester lag, wird der Start in die Rückrunde zeigen. Im Normalfalls müssten etwa die Dormagener im Heimspiel erkennbare Vorteile haben gegen die weiter gefährdete HSG Siebengebirge, die jedoch ihre Position durch drei Siege hintereinander unmittelbar vor den Feiertagen massiv verbessern konnte (34:22 in Haan, 36:27 gegen Essen II, 32.29 gegen Gelpe/Strombach). Zusätzlich dürfte Bayer-Trainer Moritz Adam sein Team deutlich darauf hinweisen, dass es ohne eine deutliche Steigerung nicht geht und dass jede Form von Leichtsinn das Ziel gefährden könnte, weiter oben dran- und drinzubleiben.

Bonns Coach Florian Benninghoff-Lühl hatte seine Ideen für den nächsten Einsatz bereits direkt nach dem aus der Sicht des TSV ebenso gerechten wie enttäuschenden Unentschiedens formuliert: „Vor allem nach der ersten Halbzeit fährt heute keiner richtig happy nach Bonn zurück. Ich hoffe, dass wir das in sehr viel Wut und Energie umwandeln können.“ Jene Energie dürfte zugleich unbedingt notwendig sein bei der HSG Refrath/Hand (Fünfter/14:8), die zuletzt bei 29:29-Drama gegen gegen den BTB Aachen (Achter/12:12) selbst eine Menge davon auf die Platte brachte und nachvollziehbar wenig dagegen einzuwenden hätte, ihre inzwischen bei vier Spielen in Folge ohne Niederlage stehende Serie (7:1 Punkte)  um ein weiteres Kapitel zu ergänzen. In einer Woche kann die Mannschaft von Trainer Kelvin Tacke dann im Übrigen einen direkten Vergleich zwischen den Bonnern und einem anderen Top-Team ziehen, weil die Refrather am 25. Januar beim Dritten Interaktiv.Handball antreten. Die Ratinger haben vorher am Sonntag die Aufgabe in Dinslaken zu lösen – und sie werden höchstwahrscheinlich nach dem mühseligen Bonner Auftritt doppelt bis dreifach gewarnt sein.

Allerhöchste Vorsicht hält auch Trainer Marc Schlingensief für angebracht, dessen HC Weiden zuletzt sehr unfreiwillig eine Verlängerung der Pause hinnehmen musste – weil die Stadt Würselen unter anderem die Halle Parkstraße „aufgrund der aktuellen Wetterlage“ und sich daraus ergebender Gefahren durch „zu hohe Schneelasten“ vor der Partie gegen den OSC Rheinhausen (Sechster/12:10) gesperrt hatte. Inzwischen ist die Halle wieder freigegeben, sodass sich die Weidener auf das Heimspiel gegen die Unitas Haan freuen – mit einer Mischung aus Respekt vor dem Gegner und Vertrauen in die eigenen Qualitäten: „Mit Haan erwartet uns eine Mannschaft, die im Abstiegskampf steht und diesen mit Haut und Haar annimmt. Sie haben zwar sieben Spiele in Folge verloren, aber die letzten Spiele gegen Strombach und vor allem gegen Dormagen haben gezeigt, was in dem Kader steckt. Mit Blick auf die Namen scheint das Verletzungspech auch ein Ende zu haben und sie haben den Kader beisammen vom Aufstieg. Gerade Felix Korbmacher und Steffen Hambrock bringen noch mal viel Qualität und Stabilität in den ohnehin guten Rückraum. In erster Linie geht es für uns darum, den Kampf anzunehmen und unsere Ausfallsorgen mit der richtigen Einstellung und einer disziplinierten Spielweise zu kompensieren. Wenn wir es schaffen, die Aufgaben auf mehrere Schultern gut zu verteilen, dann können wir uns behaupten.“

Vor alle auf seine Heimstärke baut der BTB Aachen (Achter/12:12), der sich in erster Linie durch die makellose Bilanz in eigener Halle (10:0) im zurzeit sicheren Mittelfeld festgesetzt hat. Dabei konnte Aachen bereits drei höher eingestufte Konkurrenten bezwingen – 36:33 gegen Bonn, 27.24 gegen OSC Rheinhausen (Sechster/12:10), 28:24 im Derby gegen Weiden. Weil BTB-Coach Simon Breuer schon sehr lange im Geschäft ist und früher als Spieler auch höherklassig (2. Bundesliga, 3. Liga) eine Menge erlebt hat, weiß er, was sich daraus außer einer brauchbaren Position ableiten lässt – eher wenig und sicher keine Garantie auf eine Fortsetzung der Heimserie. Dass TuSEM II jüngst durchs 37:33 in Gelpe/Strombach eine vorherige Serie von fünf Niederlagen hintereinander beendet hat, werden sie darüber hinaus im Gillesbachtal rund um die Halle am Branderhofer Weg aufmerksam registriert haben. Außerdem würde es aus Aachener Sicht vollkommen ausreichen, vielleicht und der Vorsicht halber nur ein Auge auf die Ereignisse in der 3. Liga richten zu müssen. Den intensiveren Blick würden sie liebend gerne denen überlassen, die etwas weiter oder sogar ganz unten stehen.