27. März 2025 | Zurück zur Artikelübersicht » |
Haltet ihn! Lennart Riemann (Nummer 9), Ole Völker (41) und Jan Micus (17) kümmern sich hier gerade intensiv um Sebastian Faust von der HSG Refrath/Hand, die als Neunter ein direkter Tabellennachbar des Achten ist. Für den weiteren Kampf um den Klassenerhalt werden beide weiter den maximalen Einsatz brauchen. (Foto: Thomas Schmidt)
Es ist der 4. Mai 2024. In der Oberliga Niederrhein beendet die Unitas Haan, die längst als Meister und Aufsteiger in die Regionalliga feststeht, die Saison mit einem glatten 42:28 beim TuS Lintorf. Die Mannschaft des damals noch in der Verantwortung stehenden Trainers David Horscht liegt bei 46:6 Punkten und 847:652 Toren (plus 195) weit vor dem Zweiten LTV Wuppertal (38:14), gegen den sie auch beide Duelle gewinnt (38:26/38:29). Dann ist es ebenfalls der 4. Mai 2024. In der Oberliga Mittelrhein beendet die HSG Siebengebirge, die längst als Meister und Aufsteiger in die Regionalliga feststeht, die Saison unter der Regie von Trainer Lars Degenhardt mit einem 28:27 gegen den SSV Nümbrecht – dem Vizmeister (43:9), der dem Spitzenreiter mit dem 29:27 in der Hinrunde die einzige Niederlage beigebracht und trotzdem am Ende keine Chance auf Platz eins hat. Bei 50:2 Punkten und 872:665 Toren (plus 207) thront auch die HSG in der Summe hoch über dem Rest des Feldes. Und heute? Beide schienen aufgrund ihrer Qualität und ihrer personellen Ausstattung fest für eine gute bis sehr gute Rolle in der höheren Umgebung gebucht zu sein, doch in der unromatischen Wirklichkeit stecken beide mitten im Kampf gegen den Abstieg in dieser vollkommen verrückten Regionalliga, in der mindestens die halbe Klasse bedroht ist. Und genau in dieser spannenden Gemengelage treffen die Meister von 2024 im direkten Duell aufeinander. Siebengebirge erwartet die Unitas und Siebengebirge muss gewinnen, noch mehr als die Unitas. Was im Übrigen beide eint, ist nicht nur die Abstiegsgefahr, sondern zugleich ein zwischendurch erfolgter Wechsel auf der Trainer-Position: Bei der HSG ist seit November 2024 bereits Lars Degenhardt als Nachfolger seines Nachfolgers Marcel Trinks aus der Handball-Pause zurück und bei den Haanern steht Erwin Reinacher seit Januar 2025 als Nachfolger von Aufstiegs-Coach David Horscht an der Seitenlinie.
Angespannt ist die Lage für beide – was zunächst sehr präzise verdeutlicht, wie sehr die Serie 2024/2025 wegen des drohenden erhöhten Abstiegs (hängt von der Entwicklung in der 3. Liga ab) die Leidens- und Stressfähigkeit aller Beteiligten auf die Probe stellt. Geradezu prekär stellt sich die Lage hier für Siebengebirge dar, das als Drittletzter bei 15:27 Punkten geführt wird und nur den MTV Rheinwacht Dinslaken (11:29), der fast als Absteiger feststeht, sowie den Bergischen HC II (4:36), der defintiv runter muss, hinter sich weiß. Und der aktuelle elfte Platz wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, also im Prinzip auf jeden Fall, nicht zur Rettung reichen. Ein Happy End gibt es in diesem Bereich allenfalls, wenn aus der 3. Liga aus dem Kreis der stark Gefährdeten weder die Bergischen Panther noch der TVAldekerk oder der TV Korschenbroich den Gang in die Regionalliga antreten müssen – was die reinste Utopie ist, weil es mindestens einen der drei erwischen wird, im nächsten Fall eher zwei und im schlimmsten sogar drei. Die HSG Siebengebirge hat dabei zunächst drei Punkte Rückstand auf den Viertletzten TuSEM Essen II (18:22) wettzumachen – und kann deshalb nur dann weiter an die Rettung denken, wenn sie aus Haan was Zähbares mitnimmt. Weil sie in Haan aber durchaus genauso gut rechnen können, liegt dieser Schluss auf der Hand: Die Unitas hat auf Rang acht gerade 20:22 Punkte, könnte demnach ihr Konto ausgleichen – und wäre die HSG so für den Rest der Saison sicher los. Anders herum stünde sie bei einer Niederlage wieder selbst mehr unter Druck und nach dem 22:34 im direkten Vergleich schlechter (entscheidet am Ende bei Punktgleichheit).
Weil der Meister und Aufsteiger in die 3. Liga in Interaktiv.Handball (38:4) seit dem vergangenen Wochenende feststeht, dreht sich im restlichen Fünftel der Regionalliga-Saison sowieso praktisch alles um das Erreichen des rettenden Ufers beziehungsweise um den Verbleib dort. Das gilt auch für die mit zwei Siegen ins Jahr gestartete HSG Refrath/Hand, die danach bloß eins der folgenden sieben Spiele für sich entschied und nun als Neunter (19:21) beim als Absteiger feststehenden Letzten Bergischer HC II (4:36) gewinnen muss – was durchaus kein Selbstläufer wird, zumal die Ausbeute der Solinger im Vergleichszeitraum mit einem Erfolg, einem Unentschieden und „nur“ fünf Niederlagen sogar leicht besser aussieht als jene der Refrather. Einen Sieg braucht dringend auch TuSEM Essen II (Zehnter/18:22) in eigener Halle gegen den Vorletzten MTV Rheinwacht Dinslaken (11:29), der lediglich sehr theoretische Rest-Chancen auf den Sprung ans rettende Ufer hat. Der Sechste HC Gelpe/Strombach und der Fünfte OSC Rheinhausen (beide 20:20) wissen dagegen vor ihrem direkten Duell vor allem, dass sie sich als Mitglieder der oberen Tabellenhälfte in einer Art Schein-Sicherheitszone aufhalten – und der Sog nach unten könnte tatsächlich noch beide erwischen, sodass hier ebenfalls eine intensive Partie zu erwarten ist.
Die wird es hundertprozentig in der Halle Parkstraße in Würselen geben, denn hier ist Derbyzeit: Der HC Weiden (Dritter/26:12) erwartet den BTB Aachen (Siebter/20:20) zu einer Partie, in der es traditionell nicht nur um die jeweilige Position in der Tabelle geht. Für manchen soll ja – auf beiden Seiten – eine Saison vielmehr alleine dann erfolgreich sein, wenn am Ende ein Plus in der Addition der beiden Lokalduelle auftaucht. Da liegt nach dem 28:24 aus der Hinrunde der Vorteil vorerst bei den Aachenern, die zudem im Kampf um den Klassenerhalt eher auf was Zählbares angewiesen sind. Geschenke dafür darf die Mannschaft von Trainer Simon Breuer allerdings nicht im Ansatz erwarten und die Weidener werden intensiv versuchen, ihre Serie von sieben Spielen ohne Niederlage (12:2) fortzusetzen. Gelingt das dem HC, könnte er Rang zwei übernehmen – was sicher ein schöner Nebeneffekt wäre. „Wenn man mal vom Derbycharakter absieht, treffen gerade zwei formstarke Teams aufeinander“, sagt HC-Trainer Marc Schligensief, „das allein verspricht schon mal ein gutes Handballspiel. Hinzu kommt die Brisanz, dass es für BTB aktuell noch um ganze wichtige Punkte geht für den Klassenerhalt. Wir wollen unsere aktuelle Serie weiter ausbauen und den Kampf um den Vizemeistertitel offenhalten. Aber am Ende des Tages geht es im Derby natürlich auch grundsätzlich ums Prestige. Hier will erst recht niemand als Verlierer die Platte verlassen.“ Das wird der Kollege Breuer für seine Aachener sicher unterschreiben.
Ob sich die Weidener auf die Position direkt hinter dem diesmal spielfreien Ersten Interaktiv.Handball verbessern können, hängt nicht zuletzt vom Treffen zwischen dem Vierten TSV Bayer Dormagen II (24:16) und dem aktuellen Zweiten TSV Bonn rrh. ab (27:13). Beide gehören dabei als einstige Titelkandidaten zu den großen Verlierern der bisherigen Begegnungen im Jahr 2025: Bei den Bonnern stehen 7:11 Zähler in der Bilanz, bei den Dormagenern sind es 8:12. Noch viel schwächer kommt der TSV Bayer II insgesamt beim Blick auf seine vergangenen sieben Spiele daher, denn nach den 6:0 Punkten am Anfang folgten 2:12 mit lediglich einem Sieg (34:30 gegen den Bergischen HC II). Ob Bonn seine Zickzack-Kurs oder Dormagen seinen Sinkflug beenden kann, ist wohl eher eine Frage der eigenen Ansprüche. Anderswo ist aber hundertprozentig mehr Dampf auf dem Kessel.