28. April 2025 | Zurück zur Artikelübersicht » |
Da sind wir! Die Nümbrechter waren auch beim Sieg in Opladen offensichtlich gut vorbereitet und sie hatten sich beizeiten mit einem passenden Aufstiegs-Banner versorgt. (Foto: Thomas Wirczikowski)
3, 2, 1, Seins(che). Die vergangenen Jahre müssen nicht nur Manuel Seinsche fast unwirklich vorkommen, wie ein Märchen, das Stück für Stück von Platz drei aus über Platz zwei bis hin zu Platz eins tatsächlich in die Wirklichkeit übergegangen ist. Und manchmal werden sie sich in Nümbrecht, das wie selbstverständlich im Einzugsgebiet der in Gummersbach so festgelegten „Heimat des Handballs“ liegt, womöglich immer wieder gegenseitig kneifen. Im September 2020 hörte sich das alles noch so an. „Die aktuelle Basis ist gut, aber nicht von heute auf morgen entstanden. Wollen wir über die Regionalliga sprechen, dann müssen wir von behutsamem, aber ambitioniertem Wachstum sprechen. Zudem müssen die Rahmenbedingungen weiterhin passen.“ Die Aussage stammt von Jörg Weber, dem lange und mit viel Leidenschaft für seine Nümbrechter wirkenden 1. Vorsitzenden des Vereins. Vorsicht war seinerzeit das oberste Gebot, niemand wollte als Lautsprecher gelten oder sich an zu kühnen Aussagen die Zunge verbrennen. Träumen sei jedoch erlaubt, fügte Weber damals hinzu: „Es wäre sehr schön.“ Für die besondere Schönheit des Handballs gibt er auch heute alles – seit einiger Zeit als 2. Vorsitzender zusammen mit dem im Sommer 2024 zum neuen 1. Vorsitzenden gewählten Mario Jatzke: Beide teilen sich zudem die Stelle des Sportlichen Leiters. Gemeinsam mit Trainer Seinsche und der Mannschaft werden sie weder die Mühen auf dem Weg nach oben vergessen noch besonders den 29. März 2025, denn da gewannen die Nümbrechter in der Gruppe 2 der Oberliga beim TuS 82 Opladen II ohne erkennbare Mühe mit 35:17. Dadurch stand der SSV drei Spieltage vor dem Ende der Saison 2024/2025 als Meister fest – und als Aufsteiger in die Regionalliga. Nachvollziehbar: Die allgemeinen Feierlichkeiten begannen lange vor der Schluss-Sirene und nachher gabs kein Halten mehr. Halb Nümbrecht schien dabei zu sein, um den größten Erfolg in der Vereinsgeschichte entsprechend zu bejubeln.
Als Seinsche im Winter 2021 mitten in der Saison die erste Mannschaft als Nachfolger von Dirk Heppe übernahm, von dem sich der Verein getrennt hatte, war er bereits für die SSV-Zweite (damals Landesliga) verantwortlich und brauchte daher fast keinerlei Eingewöhnungszeit. Ziel in der ersten vollen Serie im Anschluss an die Corona-Pandemie: Nümbrecht wollte unbedingt in die Meisterrunde mit den ersten acht Teams aus der Einfach-Runde – was über den achten Rang mit maximaler Mühe gelang, denn den SC Fortuna Köln konnte der SSV erst auf den letzten Drücker ein- und überholen. Die Position oben war gleichbedeutend mit dem sicheren Klassenerhalt – während ein Abrutschen in die untere Hälfte eine Fortsetzung im Kampf gegen den Abstieg bedeutet hätte. Dass Seinsches Team dann in den folgenden sieben Partien bloß einen Sieg einfahren konnte und als Letzter durchs Ziel kam, war anschließend kein Grund zur Aufregung. Und im Nachhinein scheint das alles sowieso aus einer ganz fernen Zeit zu stammen: Alleine 2021/2022 standen später in der Summe mehr als ein halbes Dutzend an Niederlagen in der Bilanz – mehr als in den drei Serien 2022/2023, 2023/2024 und 2024/2025 zusammengerechnet. Mit dem 30:28 am 28. August 2022 setzte der SSV Nümbrecht schließlich zu einem Höhenflug an, der in der Addition nun bereits fast drei Jahre lang anhält.
Nach dem 32:32 am 20. Mai 2023 schloss der SSV die erste volle Serie unter „normalen“ Rahmenbedingungen als Dritter (41:19 Punkte) bei sechs Niederlagen hinter der HSG Siebengebirge (47:13) und dem TSV Bayer Dormagen II ab (52:8), der sich als klarer Meister in die Regionalliga verabschiedete. Knapp zwölf Monate darauf endete die Saison 2023/2024 mit einem 27:28 bei der HSG Siebengebirge (50:2), was unter anderem ein Spiegelbild der gesamten Serie war: Siebengebirge wurde Meister sowie Aufsteiger in die Regionalliga und es war als einzige Mannschaft besser als die Nümbrechter (43:9), die bei nur noch vier Niederlagen wiederum deutlich vor den Löwen Oberberg (35:17) und dem Birkesdorfer TV (34:18) landeten. Der einzige Termin, an dem die über die Monate doch souveräne HSG mal Federn lassen musste, war im Übrigen der 8. Dezember 2023 – mit dem 27:29 in Nümbrecht. „Siebengebirge war in dem Jahr einfach stärker“, räumt SSV-Coach Seinsche ein, der anschließend ins Ungewisse umzog. Hauptgrund: Zur Saison 2024/2025 hatte der Verband Nordrhein die bisherigen Oberligen Mittelrhein und Niederrhein abgeschafft und an dieser Stelle nicht nur den Zuschnitt geändert, sondern die bisherigen zwei auch auf drei Gruppen ausgedehnt. Nümbrecht bekam es anschließend mit alten Bekannten wie dem Longericher SC II und dem Pulheimer SC oder den Löwen Oberberg zu tun, aber hinzu gesellten sich ein paar neue Unbekannte: SG Langenfeld und LTV Wuppertal zum Beispiel.
Einer der Knackpunkte auf dem Weg zum Erfolg war für Manuel Seinsche direkt der erste Spieltag mit der Aufgabe am 8. September 2024 bei den souverän aus der Verbandsliga in die Oberliga aufgestiegenen Bergischen Panthern II. Das sehr holprige und mühsam unter Dach und Fach gebrachte 32:27 war sogar ein nachhaltig wirkender Weckruf: „Das hat uns gezeigt, dass wir in jedem Spiel an unsere Grenzen gehen müssen.“ Zum zweiten Zentralschlüssel auf dem Weg zur Meisterschaft wurde am 17. November 2024 die Partie des Tabellenführers beim verfolgenden Zweiten LTV Wuppertal – und wie die Nümbrechter jenen 13:22-Rückstand in der 42. Minute drehten und schließlich mit 29:28 gewannen, können sie bis heute kaum verstehen. „Seinsche bringt es auch im Rückblick auf einen simplen Nenner: „Bis dahin lief nichts, danach einfach alles.“ Der Schütze des entscheidenden Treffers war Rechtsaußen Tobias Schröter – der Ex-Profi, von dem gleich noch einmal die Rede sein wird. Das Glück musste der SSV rund drei Monate darauf erneut bemühen, als er am 22. Februar 2025 bei der SG Langenfeld, inzwischen viel hartnäckiger an Nümbrecht dran als die Wuppertaler, kurz vor der Pause mit 11:17 (26.) zurücklag und nun eine nicht weniger aufregende Aufholjagd startete – und Moritz Klose mit dem 29:29 genau zwei Sekunden vor der Schluss-Sirene einen Punkt rettete. In der Folge schraubte der Spitzenreiter die lange Serie auf 23 Spiele ohne Niederlage, ehe er nach dem verwandelten Matchball in Opladen ausnahmsweise mal nicht er selbst war und beim Achten TB Wülfrath mit einem 18:30 ohne innere Spannung und Leidenschaft förmlich aus der Halle flog. Seinsche war trotzdem weit davon entfernt, darüber lange zu grübeln: „Vielleicht war es sogar eine Warnung zur rechten Zeit.“
Regisseure: Keeper Tom Rydzewski und Tim Hartmann waren/sind zwei zentrale Figuren im Mannschaftsgefüge des künftigen Regionalligisten SSV Nümbrecht. (Foto: Thomas Wirczikowski)
Unter dem Strich blieb für ihn jedenfalls fast nur Positives hängen nach den Auftritten eines Teams, in dem er eine perfekte Mischung aus Leuten mit viel Pozenzial für die kommenden Jahre und Spielern mit einer Menge an Erfahrung in höheren Klassen sieht. „Ich muss dieser Mannschaft ein Riesenkompliment machen“, betont der SSV-Coach, „sie hat sich noch einmal stark entwickelt. Uns allen hat diese Reise unheimlich viel Spaß gemacht. Wir hatten jede Woche eine tolle Trainingsbeteiligung.“ Führungsspieler mit besonders viel Verantwortung sind etwa Tobias Schröter (32), der in seiner Karriere beim großen Nachbarn VfL Gummersbach in der 1. und 2. Bundesliga eine Menge erlebt hat, Tim Hartmann (35), der vom Drittligisten Longericher SC über den Lokalrivalen HC Gelpe/Strombach wieder nach Nümbrecht kam, Keeper Tom Rydzewski (32), der seit einem Ein-Jahres-Ausflug zu den Longerichern ebenfalls Drittliga-Erfahrung vorweisen kann, oder Harald Roth (33), der wie Tim Hartmann gleichfalls ein „alter“ Nümbrechter ist und 2023 ebenfalls aus Gelpe/Strombach zum SSV zurückkehrte. Sie bringen mit, was anderen vielleicht (noch) fehlt, und alle zusammen sind das Ganze, auf das die Nümbrechter stolz sind. „Wir haben als Mannschaft unheimlich gut funktioniert“, sagt Seinsche. Ganz nebenbei: Der Aufsteiger bleibt trotz aller Euphorie lieber auf dem Teppich: „Wir freuen uns extrem auf die Regionalliga. Aber wir spielen von Anfang an gnadenlos gegen den Abstieg.“ Damit sehen sich die Mannschaft, Trainer Seinsche und Co-Trainer Ingo Werblow als größten möglichen Außenseiter, den eins im Übrigen zusätzlich reizt: Es sind sicher ganz besondere Derbys gegen Gelpe/Strombach und den VfL Gummersbach II, der als Absteiger aus der 3. Liga runter in die Regionalliga kommt. Das Nümbrechter Märchen scheint tatsächlich Stück für Stück in die Wirklichkeit übergegangen zu sein.