3. Liga
Irrsinn: Wie wäre es mit Sachsen oder Sachsen-Anhalt?
Der Kampf um den Klassenerhalt hängt plötzlich auch für den TV Aldekerk noch von der 2. Bundesliga ab. Müssen dort Hagen oder Ludwigshafen runter, ergäbe sich eine neue Möglichkeit. Spät kann es werden.

Wohin geht dann die Reise? Die Antwort auf diese Frage müssen Trainer Tim Gentges und der TV Aldekerk sowohl im Bereich Handball als auch im Bereich Erdkunde suchen. (Foto: Carsten Wulf)

Ach, Handball. Du kannst es zwei Mal lesen, du kannst es drei Mal lesen. Und du glaubts es immer noch nicht. Aber es stimmt und wer sich nicht restlos auf der deutschen Drittliga-Landkarte auskennt, sollte zwei Dinge tun: Erstens möge er vorhandene Wissenslücken relativ bald schließen und sich zweitens bis in den Juni hinein wenig anderes vornehmen – was jedenfalls für die gilt, die sich als Drittletzte ihrer Gruppen in der Saison 2024/2025 für eine Viererrunde der Nachsitzer empfohlen haben, um dort zwei frei gewordene Plätze für die 3. Liga 2025/2026 auszuspielen. Da hat sich der TV Aldekerk als Vertreter der Gruppe Süd-West inzwischen auf zwei Duelle mit dem Nord-West-Vertreter TV Bissendorf-Holte eingerichtet mit dem Hinspiel am kommenden Sonntag um 17 Uhr und dem Rückspiel am 25. Mai in Aldekerk. Bissendorf, das ist bekannt, liegt in Niedersachsen ein paar Kilometer östlich von Osnabrück und verlangt von den Aldekerkern eine Anfahrt von knapp 200 Kilometern. Das geht für Drittliga-Verhältnisse keineswegs als unüblich durch und stellt weder Tim Gentges und Nils Wallrath im Trainerteam noch die Mannschaft oder Fans, die ihr Team unterstützen wollen, vor eine unlösbare Aufgabe. Zweieinhalb Stunden Anreise etwa. Na und? Der Aufwand bewegt sich im Rahmen – erst recht dann, wenn es zu einem Sieg geführt hat. Interessanter ist allerdings die Antwort auf die Frage, wie es weitergeht, falls es aus Hin- und Rückspiel eben nicht zu einem Gesamt-Erfolg reicht. Dann braucht es möglicherweise plötzlich einen Straßenatlas, der die gesamte Bundesrepublik abbildet. Dann wird plötzlich vielleicht akut wichtig, wie denn der HC Burgenland aus der Gruppe Nord-Ost und der SV Plauen-Oberlosa aus der Gruppe Süd einzuordnen sind.

Auf der Deutschlandreise müssen wir zunächst einen Absteiger in die 2. Bundesliga machen – nach Hagen in Nordrhein-Westfalen und nach Ludwigshafen in Rheinland-Pfalz. Beide sind in den irrwitzigen Kampf um den Klassenerhalt verwickelt, der sogar jenen in der kürzlich beendete Saison in der Regionalliga Nordrhein in den Schatten stellt. Die Hagener stehen bei 28:32 Zählern auf Rang zehn etwas weniger unter Druck als die Eulen Ludwigshafen bei 26:34 Punkten und Platz 15: Der Vorsprung beider auf den Vorletzten VfL Lübeck-Schwartau (25:35) ist vier Runden vor dem Ende der Saison nicht beruhigend beziehungsweise verschwindend gering und Prognosen über den weiteren Verlauf sind praktisch unmöglich. Das gemeinsame Schicksal der Ludigshafener und der Eintracht: Sie haben jeweils eine Mannschaft in der 3. Liga. Die Zweite des VfL hat in der Gruppe Nord West als Zwölfter ebenso den Klassenerhalt geschafft wie das HLZ Friesenheim-Hochdorf II als Elfter in der Aldekerker Gruppe Süd-West. Das 2020 von den Vereinen TV Hochdorf und TSG Friesenheim gegründete Handball-Leistungszentrum ist dabei auch das Dach für die erste Mannschaft, die unter dem Namen Eulen Ludwigshafen am Start ist.

Was ihnen vermutlich selbst keinen großen Spaß bereitet: Aus Eigennutz müssten die Aldekerker im Augenblick die Daumen dafür drücken, dass es im Abstiegskampf der 2. Bundesliga entweder die Hagener oder die Ludwigshafener erwischt und einer von beiden gemeinsam mit dem bereits als Absteiger feststehenden Letzten HSG Konstanz zurück in die 3. Liga muss. Drittliga-Spielleiter Andreas Tiemann fasst zusammen, warum sich das positiv für den TVA auswirken würde: „Wenn Friesenheim-Hochdorf II oder Hagen II zwangsabsteigen muss, dann gibt es einen weiteren freien Platz. Die beiden Verlierer der Abstiegsrunde spielen dann noch mal. Wir werden den Vereinen anbieten, dass sie vorsorglich spielen, damit sie nicht bis Mitte Juni warten müssen, bis klar ist, ob es einen von beiden trifft oder nicht.“ Das heißt erstens: Hagen und Ludwigshafen würden ihre jeweilige zweite Mannschaft mit nach unten ziehen. Das heißt zweitens: Eintracht II und HLZ II machen den Platz eben nicht ausschließlich für ihre bisherige Drittliga-Gruppe frei, sondern zum Wohle aller – sodass in diesem Fall die Verlierer der Summe aus 17. und 25. Mai ein zweites Nachsitzen hinter das erste schieben würden. Die Devise dabei ist aber: Sie können, sie müssen nicht.

Bestimmt werden sich die Aldekerker zunächst voll auf die Auftakt-Aufgabe am Sonntag beim TV Bissendorf-Holte konzentrieren. Dann wissen sie immerhin schon, wie die Eulen in der 2. Bundesliga beim Sechsten HSC Coburg (Samstag) abgeschnitten haben und die Hagener gegen den ebenfalls gefährdeten ASV Hamm-Westfalen (14./Freitag). Das Terminproblem: Die Eulen etwa beenden die Serie am 7. Juni gegen den Dritten TV Hüttenberg – und unter Umständen fällt erst an diesem Tag die Entscheidung im Kampf um den Klassenerhalt. Das würde in der üblichen Terminfolge bedeuten, dass in der 3. Liga die beiden letzten Strohhalm-Spiele – falls sie wirklich zur Anwendung kämen – erst am 14./15. Juni und 21./22. Juni über die Bühne gehen. Deshalb sollen die betroffenen/betreffenden Drittligisten ja vorsorglich spielen. Und deshalb lohnt sich der Blick durchaus schon mal auf die außer Bissendorf-Holte und Aldekerk an der Abstiegsrunde teilnehmenden Klubs. Es sind der HC Burgenland aus der Gruppe Nord-Ost und der SV Plauen-Oberlosa aus der Gruppe Süd.

Der HC kommt aus Naumburg im Burgenlandkreis in Sachsen-Anhalt. Entfernung nach Aldekerk: 460 Kilometer für die einfache Strecke. Der SV mit Oberlosa als einem Stadtteil von Plauen liegt im Vogtlandkreis im Süden von Sachsen. Entfernung nach Aldekerk: Etwas mehr als 500 Kilometer. Dahinter verbirgt sich viel Aufwand – im Übrigen natürlich nicht nur für den TVA, sondern gegebenenfalls umgekehrt auch für Plauen oder Oberlosa. Ob das letztlich alle leisten können und wollen? Wie mag die Stimmung sein, wenn einer zwei Mal weitere Extra-Schichten eingeschoben hat – und die am Ende gar nicht nötig gewesen wären? Über das alles kannst du zwei Mal lesen oder drei Mal. Und du glaubst es immer noch nicht. Ach, Handball.