Regionalliga Nordrhein
Gummersbach und die Entwicklung: Jugend forscht in der Regionalliga
VfL II bleibt nach dem Abstieg aus der 3. Liga bei seinem Förderkonzept. Geschenke erwartet er keine und will er keine - auch in vier Derbys nicht.

Bereit: Jan Schwenzfeier und die U 20 des VfL Gummersbach haben kein Problem damit, in der kommenden Saison „nur“ noch in der Regionalliga anzutreten. Die Klasse ist eine andere, das Ziel ist dasselbe. (Foto: VfL Gummersbach / Be.A.Star-Productions).

Nun heißen die Gegner eben nicht mehr Emsdetten, Wilhelmshaven oder Aurich. Zu Hause sind sie jetzt nach dem Abstieg aus der 3. Liga Nord-West als Neu-Regionalligist im Verband Nordrhein – und sie treten dort gegen Haan, Refrath/Hand, Rheinhausen oder Bonn an. Aber schon der Chef hatte es für die zweite Mannschaft des VfL Gummeersbach vor ein paar Wochen angekündigt – und es entspricht der vor gut einem Jahr umgesetzten Neu-Orientierung: „Natürlich gehen wir in die 4. Liga.“ Für Jörg Bohrmann, den Leiter der VfL-Akademie, war immer klar, dass die Gummersbacher ihren (veränderten) Weg der Nachwuchsförderung auch eine Etage tiefer fortsetzen werden. Gewünscht hatte sich den Abstieg natürlich niemand, aber bei aller Leidenschaft und bei allem Selbstverständnis war den meisten in der von ihnen selbst so bezeichneten „Heimat des Handballs“ das Risiko klar: Für den Klassenerhalt würde es mit einem derart jungen Team im Feld mit einigen hervorragend besetzten und viel erfahrener daherkommenden Konkurrenten vielleicht nicht reichen. Tatsächlich konnte sich die als U 20 aufgestellte Mannschaft zwar nach einer sehr fordernden Hinrunde in der Rückrunde klar steigern, aber den Abstieg nicht mehr verhindern. Was das für die Verantwortlichen war? Jedenfalls keine Katastrophe und erst recht kein Grund, das Konzept zu verändern. „Unser Ziel ist es, die Spieler zu entwickeln“, betont Trainer Jn Schwenzfeier, „und es ist spannend, ihre Entwicklung zu begleiten.“ Die darf im Optimalfalls durchaus gerne ins eigene Bundesliga-Team führen, doch der klassische direkte Unterbau einer ersten Mannschaft ist Schwenzfeiers Mannschaft nicht (mehr).

Das wiederum liegt daran, dass die Gummersbacher seit ihrem Wieder-Aufstieg vor drei Jahren über die Ränge zehn (33:35 Punkte), sechs (43:25) und sieben (40:28) erstaunlich schnell wieder einen festen Platz in Deutschlands höchster Klasse gefunden haben. „Der Sprung in die 1. Liga ist brutal groß“, findet Schwenzfeier (28), der als einer der jüngsten Trainer sowohl der 3. Liga als auch der Regionalliga auf spannende Weise die Theorie mit der Praxis verbindet. Neben einem Bachelor-Abschluss im Bereich Sportmanagement kann er einen Master in Sport- und Leistungspsychologie sowie eine Trainer-A-Lizenz als Handballer vorweisen. Für den VfL hat er als Data- und Performance-Analyst bereits ein umfangreiches Datenmaterial zusammengetragen und zuletzt beim ungarischen Top-Klub Vezprem tiefere Einblicke in dessen Ausbildungssystem gesammelt – was letztlich ein Gewinn für beide Seiten war. Zwei aktuelle Fälle belegen dabei, welchen Weg der VfL für seine aktuell besten Nachwuchsspieler bevorzugt: Keeper Anel Durmic (18) und Linksaußen Tom Koschek (18), jeweils mit Profiverträgen in Gummersbach ausgestattet, verlassen das Oberbergische auf Zeit. Durmic verstärkt den Kader des Zweitliga-Aufsteigers HSG Krefeld Niederrhein, während Koschek für ein Jahr das Trikot des Erstligisten SC DHfK Leipzig tragen wird. Kreisläufer Julius Hein (18) ist fest in die Mittelrhein-Nachbarschaft zum Zweitligisten TSV Bayer Dormagen gewechselt.

Leuchttürme, die den Weg aus dem Nachwuchs des Vereins nach ganz oben geschafft haben, sind Mathis Häseler (23), der inzwischen zum Aufgebot der A-Nationalmannschaft von Alfred Gislason gehört, und Tom Kiesler (24), der nicht nur für den VfL vor allen Dingen defensiv als der Inbegriff von Herz und Leidenschaft gilt und nach zwei Verletztungen (Knie, Mittelfuß) aus der vergangenen Saison 2024/2025 in der neuen wieder voll angreifen will. In der offiziellen VfL-Mannschaftsliste wird Kiesler für den linken Rückraum geführt – zusammen mit den beiden A-Nationalspielern Julian Köster (25) und Miro Schluroff (25), die in der neuen Saison wieder den Löwenanteil der offensiven Zeit für sich beanspruchen und bekommen dürften. Häseler teilt sich als Rechtsaußen die Arbeit mit dem  erfahreneren Positions-Kollegen Lukas Blohme (30), während Torwart Durmic hinter dem Kroaten Dominik Kuzmanovic (22) und dem Dänen Bertram Obling (29) kaum zu fördernden Einsatzgelegenheiten gekommen wäre – was ähnlich bei Koschek im Vergleich zu den deutlich erfahreneren Stamm-Linksaußen Milos Vujovic (31/Kroatien) und Tilen Kodrin (31/Slowenien) aussähe. VfL-Chefcoach Gudjon Valur Sigurdsson, der vom Leihgeschäft voll überzeugt ist, wird den Werdegang von Tom Koschek aus der Ferne ebenso intensiv verfolgen wie Jan Schwenzfeier. „Für ihn ist es super, dass er dort die Chance bekommt, sich zu behaupten“, sagt Sigurdsson, „wir freuen uns auf seine Entwicklung, die wir natürlich beobachten.“

Eines der Themen, das der VfL nach der Umstellung auf ein U-20-System zu verarbeiten hat: „Wir sind dadurch keine gewachsene Mannschaft. Wir haben immer einen neuen Kader.“ Soll heißen, dass sich das Aufgebot in regelmäßigen Abständen zwangsläufig personell verändert und vergleichsweise wenig Zeit bleibt, um daraus ein regelmäßig festes Ganzes zu bauen. Im höheren Umfang des Trainings bringen die Spieler der Akademie dafür einen Vorteil ein, der ihnen bei der Bewältigung des vor ihnen stehenden Saison-Programms helfen sollte. Die Spieler der U 20 gehen eben nicht nur in der Männer-Regionalliga an den Start, sondern gleichzeitig noch in der 2. Bundesliga der A-Jugend – die der VfL nachvollziehbar liebend gerne gegen die 1. Bundesliga eingetauscht hätte. Nach Rang zwei in der 2. Liga 2024/2025 verpasste die Mannschaft aber in der Qualifikation für 2025/2026 ebenfalls ein Ticket für die 1. Bundesliga – während gleichzeitig der Nachwuchs der Zweitligisten VfL Eintracht Hagen, TuSEM Essen und TSV Bayer Dormagen genau dort angesiedelt ist. Die Serie beginnt am 13. September mit der Partie beim TV Bissendorf-Holte und am 21. September zu Hause gegen den TV Emsdetten. Mit der A-Jugend des Drittliga-Aufsteigers Interaktiv.Handball bekommt es der VfL am 18. Oktober zu tun, mit jener des Erstliga-Rückkehrers Bergischer HC am 16. November. Seine Heimspiele trägt der VfL im Übrigen wie die Profis in der Schwalbe-Arena aus und nicht etwa in der alten Eugen-Haas-Halle, die vor inzwischen längerer Zeit mal die Heimat der Gummersbacher war. Das liegt wiederum an der Zusammensetzung der Regionalliga Nordrhein, die als Stammpersonal den HC Gelpe/Strombach beberbergt und als neues Mitglied den aus der Oberliga gekommenen SSV Nümbrecht. In der Summe ergeben sich daraus vier Derbys mit einer jeweils kurzen Anreise.

Nach dem Auftakt am 20. September beim ebenfalls aus der 3. Liga abgestiegenen TV Aldekerk steht am 27. September der Katzensprung von rund 20 Kilometern nach Nümbrecht auf dem Programm, ehe sich am 4. Oktober beim vergangenen Vizemeister TSV Bonn rrh. eine weitere Auswärtshürde auftut und erst am 19. Oktober gegen Dormagen II die Heimpremiere folgt. Im Anschluss an die erste Meisterschafts-Ungterbrechnung in der Regionalliga (Herbst-Schulferien) geht es dann gegen den HC Gelpe/Strombach weiter, der seinerseits in der Eugen-Hass-Halle zu Hause ist. Wie heiß vor allem die Lokalduelle wirklich werden, weiß noch keiner so genau – Tatsache dürfte jedoch sein, dass die U 20 als Vertreter des VfL Gummersbach sowieso keine Geschenke erwarten darf. Da trifft es sich ganz gut, dass die Verantwortlichen weder ein solches Entgegenkommen wünschen noch irgendwie davon ausgehen, dass sie die Regionalliga irgendwie dominieren werden. Gummersbachs Trainer wünscht sich vielmehr den größten möglichen Widerstand: „Wir werden auf uns selber schauen und wir werden eine gute Competition bekommen.“ Jener harte bis sehr harte Wettbewerb sei es gerade, der die Spieler voranbringe in ihrer Entwicklung. „Die Saison wird eine Herausforderung“, meint Schwenzfeier. Sollte sich herausstellen, dass seine maximal junge Mannschaft gleichzeitig eine echte Herausforderung für die anderen wird, wäre er auf der anderen Seite bestimmt nicht unglücklich. Die neue Saison könnte richtig interessant werden. Auch ohne Emsdetten, Wilhemshaven oder Aurich.