11. August 2025 | Zurück zur Artikelübersicht » |
Wiedersehen: Longerichs Torhüter Lennart Kull, der vor einem Jahr aus Dormagen zum LSC kam will liebend gerne zu viele Gegentreffer verhindern – und Frederik Sondermann mit dem TSV Bayer so oft wie möglich erfolgreich sein. Im Testspiel vor Kurzem war Sondermann mit sechs Toren der beste Werfer des Abends. (Foto: Thomas Schmidt)
SC Magdeburg? SG Flensburg-Handewitt? Füchse Berlin? Einer der ganz großen Namen aus der Branche konnte es in der ersten Runde gar nicht werden. Vielleicht kann aber noch werden, was bisher nicht ist für den Longericher SC, der als Dritter der 3. Liga 2024/2025 eine Eintrittskarte zum DHB-Pokal gelöst – und dann bei der Auslosung für die erste Runde durchaus Glück hatte. Weil sämtliche Erstligisten erst später in den Wettbewerb einsteigen, sprach einiges für ein Duell mit einem Zweitligisten. Dazu gehört im Übrigen pokaltechnisch diesmal selbst der Zweitliga-Meister Bergischer HC, der als Bundesliga-Rückkehrer der klare Favorit aufs Weiterkommen gewesen wäre. Ein erneutes Duell mit dem in die 2. Bundesliga aufgestiegenen Drittliga-Meister HSG Krefeld Niederrhein hätte der Klub aus dem Kölner Norden wohl zur Kenntnis genommen – mehr nicht nach den ständigen Treffen in den vergangenen Meisterschaftsjahren. Dass dem LSC nun die Gelegenheit zur Revanche entgeht nach dem 31:39 vom 14. Dezember 2024 und vom gar nicht so alten 33:39 vom 3. Mai 2025, trägt er ebenfalls mit Fassung. Lieber sind sie heiß sie auf eine Auseinandersetzung, deren Ausgang ziemlich offen zu sein scheint: Am nächsten Samstag um 19 Uhr kommt der Zweitligist TSV Bayer Dormagen in die Sporthalle der Carl-von-Ossietzky-Geamtschule, die sie in Longerich gerne „LSC-Arena“ nennen. Gerade mal 20 Autobahn-Kilometer liegen zwischen der Kölner Spielstätte und dem Sportcenter des TSV Bayer. Viel mehr Derby zwischen zwei höherklassigen Teams vom Mittelrhein geht kaum.
Der LSC war bereits unmittelbar nach der Auslosung elektrisiert, so kurz vor dem offiziellen Start in die 3. Liga 2025/2026 vor allem für sich selbst die Werbetrommel rühren zu können. „Das ist ein Derby mit Tradition, die Vereine haben schon in der 2. Liga in den 80er-Jahren gegeneinander gespielt“, sagt Longerichs Trainer Chris Stark, der für seine Mannschaft kein Weiterkommen, aber immerhin höchste Leidenschaft und größten Einsatz garantieren kann. Und vielleicht liegen die beiden Kontrahenten, die ein durchaus freundschaftlich geprägtes Verhältnis verbindet, mit dem Blick auf die 60 Minuten eines einzelnen Spiels gar nicht so weit auseinander. Die Dormagener kommen aus einem Stahlbad der vergangenen Saison, in der sie wie die halbe Liga bis zuletzt in den Kampf um den Klassenerhalt verwickelt waren und sich am Ende als Neunter tatsächlich für den DHB-Pokal qualifizierten – bei 31:37 Zählern mit nur zwei Punkten mehr auf em Konto als der erste Absteiger ASV Hamm-Westfalen (29:39). Der Longericher SC auf der anderen Seite war mit 43:17 Punkten eine Etage tiefer eine Art Tabellenführer eines eigenen Bereichs hinter den Top-Teams Krefeld (59:1) und TV Gelnhausen (52:8). Ein Jahr vorher hatte sich der TSV Bayer mit wesentlich weniger Zählern (22:46) als Drittletzter ebenfalls retten können – und der LSC war genauso um neun Punkte schwächer (34:26) und als Sechster trotzdem ein fester Teil der oberen Hälfte. Dazu passt der Rückblick auf 2022/2023: Dormagen (31:41) blieb über Rang 15 drin, Longerich (35:17) über den dritten Platz im oberen Drittel.
TSV-Trainer Julian Bauer, in Dormagen seit dem Sommer 2024 im Amt, denkt aus mehreren Gründen sowieso nicht im Geringsten daran, seine Mannschaft als Mitglied der 2. Bundesliga automatisch in der nächsten Runde zu sehen. Daneben lässt ihn der Blick in die Statistik vorsichtig werden: „Der Unterschied ist nicht so hoch.“ Außerdem fehlt den allermeisten Spielern aus seinem auf Hochgeschwindigkeits-Handball ausgerichteten Kader einiges an Erfahrung und Rechtsaußen Peter Strosack (31) ist der einzige Ü-30-Spieler. Zusammen mit Keeper Christian Ole Simonsen (25), der die kleine Fraktion „Mittelalter“ in Dormagen bildet, führt er das maximal junge Aufgebot als Kapitän an. Und er wird – obwohl die Longericher alles andere als eine Altherren-Mannschaft sind – wohl eine ganze Menge zu tun haben, um die Kollegen vor allem intensiv auf die Rückraum-Qualitäten des LSC hinzuweisen: Da können routinierte Leute wie Lukas Martin Schulz (30) oder Benjamin Richter (33) hin und wieder ein Spiel alleine in die für ihr Team günstige Richtung lenken. Das werden sie im „Fall“ Richter vermutlich noch ganz gut wissen in Dormagen, wo Richter bis 2021 für drei Jahre zu den Stützen der damaligen TSV-Mannschaft gehörte.
Bemerkenswert rund um die bevorstehende Pokalpartie: Vor einer Woche standen sich die beiden Kontrahenten im Sportcenter bereits in einem Vorbereitungs-Testspiel gegenüber. Das war vor längerer Zeit vereinbart worden – und niemand dachte daran, dass Treffen mit dem Blick aufs bald bervorstehende offizielle Wettbewerbsduell abzusagen. Auf der Platte zeigte sich dann, dass der LSC den Dormagenern tatsächlich gefährlich werden könnte, weil er selbst nach einem schlechten Start mit einem 4:9 (13.) und 6:11 (15.) nicht aufgab, übers 13:13 (22.) am Ende der ersten Halbzeit ein 18:17 (30.) und im zweiten Durchgang sogar ein 27:24 (48.) vorlegte. Eineinhalb Minuten vor der Schluss-Sirene führte Longerich mit 31:30 (59.), ehe der TSV Bayer zum 31:31 (60.) ausglich, noch einmal an den Ball kam und durch Luca Christ kurz vor Schluss den Treffer zum 32:31 (60.) erzielte. Für Dormagens Coach Julian Bauer war der Abend eine Bestätigung dessen, was er bereits wusste: „Longerich hat eine hohe Flexibilität in der Abwehr und die Mannschaft verfügt über eine starke Fernwurf-Qualität.“ Dass ihm selbst in Sören Steinhaus (jetzt beim Bergischen HC) der erfolgreichste Werfer der vergangenen Saison und damit eine zentrale Stütze fehlt, macht die Aufgabe für den Zweitligisten nicht gerade einfacher – ist aber gleichzeitig kein Thema mehr, mit dem er sich weiter beschäftigen will. Die zu ersetzenden 193 Treffer sollen/müssen schließlich auch in der am 30. August beim TuS N-Lübbecke beginnenden Zweitliga-Saison andere erzielen.
Kollege Chris Stark geht mit einer Mischung aus Gelassenheit und Stolz in die Partie. „Ich hoffe, dass wir das genießen können, das hat sich die Mannschaft durch ihre tollen Leistungen im vergangenen Jahr total verdient“, findet der LSC-Coach, „das wird ein Highlight eine Woche vor dem Saisonstart.“ Der bietet mit der Aufgabe am 23. August bei der HG Saarlouis (zuletzt Vierter) und am 30. August gegen den TV Gelnhausen (Zweiter) schon mal zwei besonders dicke Brocken – und damit passt der DHB-Pokal nahezu perfekt ins Programm. Falls es nun ganz „blöd“ läuft aus der Sicht der Gastgeber, gewinnen sie vielleicht gegen Dormagen und müssen anschließend neu überlegen. Schließlich steht vom 30. September bis zum 2. Oktober die zweite Pokalrunde auf dem Programm – die damit genau zwischen den Drittligaspielen am 27. September bei der HSG Rodgau Nieder-Roden und am 3. Oktober gegen die MT Melsungen II liegt. SC Magdeburg? SG Flensburg-Handewitt? Füchse Berlin? Warum nicht in dieser zweiten Runde. Sicher wäre jedenfalls, dass keiner dieser Träume in der „LSC-Arena“ in Erfüllung gehen könnte. Ob die Dormagener ihre Halle mit 3000 Plätzen zur Verfügung stellen würden? Im Moment hat der TSV Bayer ganz andere Pläne und er wird im Derby auf Kölner Träume nicht die geringste Rücksicht nehmen. Gegen einen der Großen würden sie lieber selbst ein Handballfest feiern. Am Samstagabend gegen 21 Uhr wissen alle etwas mehr.