Harz beiseite/Regionalliga Nordrhein
Zwei-Null-Vier-Vier: Davon träumt Bonn
Vier Klubs aus der ehemaligen Hauptstadt rühren mit dem Tag des Handballs am 8. November in der Hardtberghalle die Werbetrommel für den Handball. Aus Konkurrenten sind längst Partner geworden.

Bist du auch dabei? Bonns Luca Bohrmann dürfte in diesen Tagen und Wochen auch bei den Schiedsrichtern nachfragen, ob sie sich den Tag des Handballs vormerken können. Auf der Platte werden sowieso mehrere Gespanne am 8. November dabei sein. (Foto: Thomas Schmidt)

2044? Ist nicht der Titel eines Zukunfts-Romans. Und nicht das Jahr, für das München oder eine andere Region in Deutschland als Gastgeber für die Olympischen Spiele ihren Hut in den Ring wirft. Und es ist auch kein Paragraph aus dem Teil des Bürgerlichen Gesetzbuches, in dem es sich ums Erbrecht dreht. Der Tatort ist dabei erst mal Bonn und hier besonders die Hardtberghalle. Handball war da tatsächlich schon mal prominent zu Gast – vor 31 Jahren mit Spielen der Vorrunden-Gruppe A bei der Europameisterschaft der Frauen. Sonst gabs dort eher Basketball (bis 2008 Heimat der Telekom Baskets), Fechten, Hockey, Volleyball. Jetzt soll die Spielstätte im Ortsteil Brüser Berg, der zum Stadtbezirk Hardtberg gehört, auf jeden Fall an ihre Grenzen kommen: Beim Bonner Tag des Handballs am 8. November soll die Hardtberghalle ausverkauft sein – wobei eine Kapazität von 2044 Zuschauern errechnet ist. Es klingt wie ein Traum, es ist ein Traum. Aber sie tun was dafür: Seit Wochen laufen intensive Vorbereitungen und nicht nur Luca Bohrmann als einer der führenden Köpfe des Projekts, das lauter Handball-Verrückte unterstützen, fiebert diesem ersten Sonntag im November entgegen. „2044 Zuschauer ist natürlich wahnsinnig anspruchsvoll“, sagt Bohrmann, „ich muss aber mit dieser Veranstaltung keinen Gewinn machen.“ Den würden sie natürlich trotzdem gerne mitnehmen – und dann entsprechend unter den beteiligten Vereinen aufteilen. Genau hier liegt nun der eigentlich Kern des 8. November: Es ist ein Gemeinschaftsprojekt – weil sich vor einiger Zeit die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass ein Nebeneinander oder gar ein Gegeneinander in der ehemaligen Hauptstadt niemandem hilft. Miteinander ist das Gebot der Stunde.

Beteiligt sind der Poppelsdorfer HV, der Godesberger TV, die HSG Geislar-Oberkassel (Spielgemeinschaft aus TV Geislar und TuS Oberkassel) und die TSV Bonn rrh. Jeder bringt unterschiedliche Schwerpunkte ein, jeder hat ein breites Angebot – und in der Summe kommt Handball für sämtliche Alters- und Leistungsklassen heraus. Jemand hat mal alles addiert und ist dabei auf etwa 2000 Mitglieder gekommen, die aktiv in mehr als 60 Jugendmannschaften und rund 15 Teams bei den Senioren unterwegs sind. Daraus folgt: Der Handball müsste in Bonn eigentlich ein Schwergewicht sein – was allerdings nicht der Fall ist. „Wir fliegen ein bisschen unter dem Radar“, stellt Luca Bohrmann fest. Einer der Schritte beim Versuch, daran etwas zu ändern, war die Gründung der seit 2020 bestehenden Jugend-Spielgemeinschaft Bonn (JSG), um mehr auf Leistung ausgerichteten Sport anbieten zu können – ohne den Breitensport als Basis zu vernachlässigen. Deshalb fängt die Zusammenarbeit auch im Kinder-Handball bei allen denen an, die „nur“ Teil eines Teams sein wollen und nicht in irgendeine Auswahl streben. Hinzugekommen ist durch die JSG, dass sehr ambitionierte Nachwuchs-Handballer einen weiteren Schritt gehen können, weil sie durch die Konzentration der Kräfte auf (noch) bessere Möglichkeiten zurückgreifen können. Dazu gehören etwa Trainings, die den Leistungs-Anforderungen des DHB entsprechen, regelmäßige Leistungs-Diagnosen oder ein umfangreiches Technik-Training.

Eine Leuchtturm-Funktion in diesem Projekt hat die männliche B-Jugend der JSG, die in der laufenden Saison 2025/2026 wieder in der erst 2024/2025 eingerichteten Bundesliga für diese Altersklasse startet und dort erneut versucht, sich in der Vorrunden-Gruppe 2 gegen starke Konkurrenz zu behaupten. Immerhin: Für die Mannschaft des Trainerduos Julius Palmen/Robin Dick gab es es hier nach dem 29:33 beim TSV Bayer Dormagen, dem 33:34 gegen die JSG Köln, dem 24:25 gegen den VfL Gummersbach und dem 22:41 gegen TuSEM Essen mit dem 34:33-Krimi am Mittwochabend gegen den Bergischen HC den ersten Sieg. Zum Rückrundenstart könnte sich Bonn (2:8 Punkte), das für ein Weiterkommen mindestens Gruppendritter werden müsste, nichts Besseres vorstellen als eine tolle Kulisse fürs zweite Duell gegen die Dormagener (Dritter/6:4), denn die Partie ist als ein Mosaikstein beim Tag des Handballs für 15 Uhr angesetzt. Ansonsten dominiert bei weiteren Meisterschaftsspielen der Regionalliga-Handball: Nach einem „internen“ Spiel um 10.30 Uhr zwischen der weiblichen E-Jugend der TSV Bonn rrh. und der des Poppelsdorfer HV kämpft um 12.30 Uhr die weibliche B-Jugend in der Regionalliga gegen den TV Aldekerk um Punkte, ehe nach dem Bundesliga-Duell der B-Jugend die ersten Männer der Bonner um 17.15 Uhr in der Regionalliga gegen den Aufsteiger Borussia Mönchengladbach auf die Platte gehen und die Regionalliga-Frauen um 19.30 Uhr gegen die DJK Adler Königshof. Gewonnen werden am Ende – unabhängig von der Ausbeute in Punkten – alle genau dann haben, wenn sich der Aufwand gelohnt hat, wenn der Tag eine Werbung für den Handball war, wenn sich alle bei der abschließenden „After-Match-Party“ ab 21.30 Uhr im Sion im Carré darauf einigen, dass sie sich lange daran erinnern werden.

Die Halle Ringstraße: TSV-Torhüter René Krouß hat hier massiv viel Platz und eine Hälfte ganz für sich, weil seine Teamkollegen vorne gerade einen Angriff vortragen. Auf den Zuschauer-„Tribünen“ ist der Raum traditionell arg begrenzt. (Foto: Thomas Schmidt)

Einen Berg an Arbeit haben am 8. November rund um die Groß-Veranstaltung sicher alle im Orga-Team zu bewältigen und vermutlich noch ein bisschen mehr die Herren Florian Benninghoff-Lühl und Luca Bohrmann. Benninghoff-Lühl ist schließlich nicht nur Trainer der Regionalliga-Männer, mit denen er das aktuelle Konto von 5:3 Punkten ganz gerne steigern will – was ohne einen Erfolg über die bisher sieglose Borussia kaum funktionieren wird. Ganz „nebenbei“ ist der 37-Jährige, bis vor anderthalb Jahren spielender Co-Trainer von Frank Berblinger (inzwischen beim Klassen-Konkurrenten TV Korschenbroich), in seinem zweiten Jahr als Chefcoach zusätzlich der Jugend-Koordinator der JSG mit einem umfangreichen Aufgabenfeld. Also wird er sehr genau unter die Lupe nehmen, wie der Tag des Handballs im Sinne des großen Ganzen verläuft. Luca Bohrmann, der bei der TSV den Bereich Partner-Management und Marketing verantwortet, wird vielleicht ebenfalls ein Stück weit froh sein, wenn es um 17.15 Uhr endlich gegen Mönchengladbach losgeht – weil er dann nicht an tausend administrative Dinge denken muss, sondern eher daran, wie es gegen die Borussia rein sportlich am besten zu zwei Punkten reicht. Als Linksaußen könnte sich Luca gut vorstellen, zu seinen bisher 20 Saisontoren den einen oder anderen Treffer hinzuzufügen. Das Handicap: Borussia-Trainer Ronny Rogawska ist sowieso ein Meister seines Fachs und beide kennen sich aus einer früheren gemeinsamen Zeit beim TV Korschenbroich, als Luca Bohrmann ein Talent und Ronny Rogawska längst eine anerkannte Trainergröße war.

In der Regionalliga (unter anderem) sind die Bonner gewöhnlich in der Halle Ringstraße untergebracht – die aufgrund ihrer geringen Kapazität von etwas mehr als 100 Zuschauern sicher nicht ansatzweise höheren Ansprüchen genügt und gleichzeitig als „Bunker“ für eine besondere Atmosphäre sorgt. Selbst dieses Zuhause ist für die TSV jedoch aktuell nicht zu benutzen und wegen der seit gut drei Wochen dauernden Vollsperrung für Bau- und Instandhaltungs-Maßnahmen kommen die Handballer zum Teil als Heimatlose daher. Gefragt ist deshalb in vielen Bereichen wie Training und Spiel (nicht nur bei den Regionalliga-Teams) die durchaus hohe Kunst des Improvisierens und Ausweichens. Was die TSV Bonn rrh. sehr zu schätzen weiß: Hilfe jedweder Art zum Beispiel mit gemeinsamen Trainings oder dem Anbieten von Spielterminen kam auch von draußen – etwa vom TV Palmersheim, von den Wölfen Voreifel, vom TuS Niederpleis, vom 1. FC Köln oder vom Longericher SC. Angesetzt sind die Arbeiten in der Halle Ringstraße für sechs Wochen und die TSV geht davon aus, dass die in der Meisterschaft am 28. November gegen den HC Weiden wieder in ihrem gewohnten Umfeld antritt. Das wird als Treffen zwischen dem Vorjahrszweiten Bonn und dem Vorjahresdritten Weiden eine Art Spitzenspiel und zeigen, ob die Bonner (aktuell Siebter/5:3 Punkte) oder die Weidener (Vierter/6:2) erneut ganz vorne mitmischen können. Dabei dürften beide beim Gedanken an die 3. Liga zusammenzucken – weil die höhere Klasse zumindest aus ihrer Sicht im Moment eher etwas mit blühender Phantasie zu tun hat. Mit kühnen Plänen kennen sie sich die Bonner allerdings aus und so geben sie gerade alles für ihren persönlichen 8. November: Am Tag des Handballs soll die Hardtberghalle zu Werbezwecken so voll wie möglich werden. Das klingt wie ein Traum. Das ist ein Traum. Was daraus wird? Manchmal gehen Träume in Erfüllung.