Oberliga
Genug ist genug: Sebastian Bartmann und seine Handball-Rente
Der 33-Jährige hört auf bei Adler Königshof, um freier über seine Zeit verfügen zu können. Weitermachen will er höchstens ohne jeden Druck und aus reinem Spaß - und irgendwann wieder als Trainer.

Sein Freund, der Ball: Sebstian Bartmann weiß, wie Abwehrarbeit geht – und welche Wurfvariante er als Kreisläufer braucht. (Foto: Thomas Schmidt)

So einer kann gar nicht aufhören. Oder doch? Sebastian Bartmann, die personifizierte Leidenschaft und eine echte Erscheinung auf der Platte, hat sich das alles sehr sorgfältig überlegt. Und letztlich seinen Wunsch nach mehr Freiraum neben dem Sport nicht mehr länger unterdrückt, sondern in die Tat umgesetzt. Sehr sachlich klingt das so: „Ich werde nach dieser Saison mein Amt als Trainer und Spieler bei der ersten Herren-Mannschaft von Adler Königshof niederlegen.“ Als sie das vor Kurzem in Krefeld hörten, schien sich bei dem einen oder anderen zunächst der feste Glaube daran nicht einstellen zu wollen. Und es gab sofort, weil der Handball ebenfalls eine durchlässige Materie ist und sich das Thema entsprechend schnell herumgesprochen hatte, entsprechende Anfragen. Die immer wieder zu hörende Bitte an Sebastian, bei dem selbst höherklassige Klubs anklopften: „Wir müssen reden.“ Und weil der 33-Jährige zwar als Aktiver recht gut zupacken kann, aber sonst ein sehr freundlicher Mensch ist, lehnte er die Gespräche nicht von vornherein brüsk ab – allerdings nur, um zu erklären, dass er es ernst meint. „Ich bin jetzt nicht mehr mit dem Handball verheiratet, sondern mit meiner Familie“, sagt Bartmann. Gemeint sind Ehefrau Michaela und die drei Kinder, denen in Zukunft einfach mehr Raum gehören soll. Der Entschluss ist deshalb unumstößlich: „Nach 17 Jahren Handball unter Vertrag möchte ich meine freie Zeit flexibel gestalten können. Mir fehlt oft die Zeit, die Entwicklung und das Familienleben genießen zu können.“

Sebastian Bartmann blickt inzwischen auf eine sehr abwechslungsreiche Karriere voller Erfolge zurück, die von 1997 bis 2008 in der Jugend des SC Bayer Uerdingen stattfand – wo er in seinem letzten Jahr im Verein mit 17 Jahren bereits den Sprung in die erste Herren-Mannschaft schaffte, die in der Regionalliga unterwegs war (damals 3. Liga). Im Rückblick staunt Sebastian, unter anderem Auswahlspieler in der Jugend des Handball-Verbandes Niederrhein, selbst heute noch: „Ich habe von da an keine Jugend mehr gespielt, die A-Jugend habe ich komplett übersprungen.“ Weitere Stationen im Erwachsenen-Bereich: 2008 bis 2010 beim SC Bayer Uerdingen; 2010 bis 2011 bei DJK SF Hamborn 07 in der Oberliga; 2011 bis 2012 in Hamborn mit Doppel-Spielrecht für den seinerzeit in der 2. Liga angesiedelten TV Korschenbroich; 2012/2013 mit Adler Königshof in der 3. Liga; 2013 bis 2017 bei der SG Ratingen – 2013/2014 in der Oberliga und anschließend bis 2017 in der 3. Liga; 2017 bis 2018 beim TV Oppum in der Oberliga; 2018 bis 2025 bei Adler Königshof – 2018/2019 in der Regionalliga, danach in der Oberliga.

Als seine größten Erfolge auf der Platte sieht der 33-Jährige, der im Übrigen auch eine etwas länger zurückliegende Vergangenheit als Beachhandballer hat (Deutscher Vizemeister mit den Beach Boys Köln), die Niederrheinmeisterschaft mit den Ratingern (heute Interaktiv.Handball) und den Aufstieg in die 3. Liga 2014 sowie den Aufstieg der SG-Zweiten, die er 2017 als Aushilfe beim Weg in die Verbandsliga unterstützte. Beinahe legendär sind dabei die gemeinsamen Einsätze für Ratingen mit dem Kreisläufer-Kollegen Damian Janus, der heute für die HSG Am Hallo Essen ebenfalls in der Oberliga aktiv ist: Wo Bartmann/Janus gemeinsam im Abwehrzentrum deckten, sahen sich die gegnerischen Angreifer oft einer dicken und hohen Mauer gegenüber: Wer durch oder drüber wollte, musste auf jeden Fall bereit sein, eine Menge einzusetzen und einzustecken. Der Wille und die Bereitschaft, alles für seine Mannschaft zu geben, haben durch die Rückkehr nach Königshof, das für Sebastian so etwas wie eine Heimat ist, sicher nicht nachgelassen – eher im Gegenteil. In den ersten Jahren nach dem Wieder-Auftauchen im Adlerhorst war er nicht nur Führungsspieler und Kapitän der Mannschaft, sondern nebenbei praktisch der verlängerte Arm von Trainer Marius Timofte und darüber hinaus im Vorstand einer der Architekten für die Zukunft des Vereins. Als Timofte-Nachfolger übernahm Bartmann in der Funktion des Spielertrainers dann ab dem Januar 2022 noch mehr Verantwortung und baute seinen Handball-Einsatz wieder aus – sogar früher als vorgesehen. Der Wechsel, der erst im Sommer 2022 passieren sollte, ging doch bereits im Dezember 2021 über die Bühne, also mitten in der Saison.

Das war ’ne geile Zeit: Sebastian Bartmann (Mitte), der Handball-Rentner im Wartestand, fand das Allstar Game 2024 im Januar genauso klasse wie die anderen in der Harzhelden-Auswahl. Auch Markus Sonnenberg, Torhüter Florian Nordmann, Betreuer Siggi Knapik, Dustin Thöne und Trainer Leszek Hoft (von links) konnten sich nach der Schluss-Sirene feiern lassen. (Foto: Thomas Schmidt)

Am Ende der Serie 2021/2022 standen Rang vier und 28:20 Punkte in der Oberliga Niederrhein in der Bilanz, ein Jahr später nach der Saison 2022/2023 waren es sogar der dritte Platz und 36:16 Zähler. Das Jahr darauf schlossen die inzwischen ohne ihre vorherigen Stützen Matthias Meurer und Elias Eiker (beide zum Regionalligisten OSC Rheinhausen) auflaufenden Königshofer bei 20:32 Zählern auf dem zehnten Rang und damit am rettenden Ufer ab. Darum geht es in der Gruppe 3 der neuen Oberliga Nordrhein wieder – und nach dem siebten Spieltag liegen die Krefelder als Siebter mit 7:7 Punkten auf dem richtigen Weg dorthin. Dabei zeigte die Mannschaft, dass sie selbst klare Niederlagen wegstecken kann wie das 15:29 gegen den aktuellen Zweiten HSV Dümpten (12:2) und das spätere 25:37 beim Spitzenreiter HSG Am Hallo Essen (14:0), die angesichts ihrer personellen Ausstattung als die beiden heißesten Titelkandidaten gelten. Zuletzt machten die Adler im Heimspiel gegen die HSG Hiesfeld/Aldenrade (Vierter/9:5) nachhaltig auf sich aufmerksam, als sie in der ersten Halbzeit bereits mit 9:16 (30.) zurücklagen, sich nach der Pause jedoch Stück für Stück herankämpften und durch den sehr späten Treffer von Christian Menke einen 33:32-Erfolg aufs Konto überweisen konnten. Sebastian Bartmann steuerte dazu vier Treffer bei, davon zwei in den entscheidenden letzten neun Minuten – das 25:23 (52.) und das 27:27 (55./Siebenmeter).

Was für ihn der Handball bedeutet, konnten im vergangenen Januar offiziell 1171 Zuschauer (wir glauben immer noch, dass es mehr waren) im Sportcenter Dormagen feststellen, als Sebastian als Mitglied unseres Allstar Teams im Spiel gegen den Zweitligisten TSV Bayer Dormagen (28:43) nicht nur durch seine vier Treffer mit dafür sorgte, dass der Abend tatsächlich ein begeistert und begeisternd gefeiertes Fest des Handballs wurde. Seine Hingabe, seine Leidenschaft für diesen Sport waren bis in sämtliche Ecken der Halle spürbar. Und das alles soll nun nicht mehr sein? Ja. Tatsächlich. Irgendwie. Und irgendwie wieder nicht. Falls sich irgendwo eine Möglichkeit auftut, ohne Verpflichtungen und ohne Druck einfach aus Spaß mitzumachen und nach eigener Entscheidung nicht unbedingt zum Training kommen zu müssen: Sebastian hätte vielleicht Lust drauf. Bis dahin gilt diese Regelung: „Ich lasse das alles in Ruhe auf mich zukommen.“ In der Summe ist denkbar, dass Sebastian im nächsten Jahr irgendwo in einer wohl unteren Mannschaft auftaucht, die ihm die nötigen Räume lässt. Den hat er sich selbst im Übrigen auch gegeben – weil ein Sebastian Bartmann ganz ohne Handball auf Dauer wohl doch nicht denkbar ist. „Wichtig ist, dass ich meine Zeit frei gestalten kann, und das wird für mich nach 17 Jahren unter Vertrag echt was Neues sein“, sagt Sebastian, „ich werde dem Handball natürlich verbunden bleiben.“ Die Idee nicht für die nahe, aber für die mittlere Zukunft: „Mein Ziel ist es, meine Lizenzen und Trainerscheine zu machen und in ein paar Jahren weiter als Trainer zu arbeiten. Die zweieinhalb Jahre bei Adler als Spielertrainer haben mir gezeigt, dass es mir riesig Spaß macht – und da möchte ich zu gegebener Zeit wieder hin.“ Es klingt wie ein Versprechen, das dem Handball guttut. Er braucht Typen wie Sebastian Bartmann.