21. Juli 2025 | Zurück zur Artikelübersicht » |
Im Vorwärtsgang: Peer Pütz fühlt sich nach seiner Rückkehr zum TSV Bayer Dormagen prakktisch so, als wäre er nie woanders gewesen. (Foto: Thomas Schmidt).
Es fühlt sich nicht nur so an, es ist tatsächlich ein Nach-Hause-Kommen. Und Peer Pütz ist jetzt wieder da, wo sie ihn vor drei Jahren gar nicht gehen lassen wollten – aber am Ende ziehen lassen mussten. Damals hatte der Handball-Verrückte schon ein paar Posten beim TSV Bayer Dormagen hinter sich – vorwiegend im Nachwuchsbereich, dann als Co-Trainer von Dusko Bilanovic im Zweitliga-Team und nach dessen Entlassung im Januar 2022 auch als Chef im Duo mit David Röhrig. Pütz/Röhrig schafften mit der Mannschaft in einem dramatischen Saisonfinale den Klassenerhalt, ehe sich die Wege aller trennten. Röhrig ging zum Zweitligisten VfL Lübeck-Schwartau, für den er auch 2025/2026 arbeiten wird, Pütz kletterte eine Etage nach oben, wechselte aus Dormagen in die 1. Bundesliga und machte beim Bergischen HC als Co-Trainer von Jamal Naji weiter (damals bei TuSEM Essen), mit dem ihm seit gemeinsamen Zeiten beim TSV Bayer Dormagen eine echte Freundschaft verbindet. Die Nachfolger des zu den Rhein-Neckar Löwen abgewanderten Sebastian Hinze brachten den BHC am Ende mit 30:38 Punkten und Rang zwölf erneut auf eine Position im Mittelfeld – und alles schien auf eine länger haltende Ehe hinauszulaufen. Das erwies sich allerdings als einer der größten möglichen Irrtümer, denn in der Folge-Saison lief eher nichts wie geplant: Der Klub und sein Coach vereinbarten Ende 2023 zwar, den Vertrag vorzeitig bis 2028 zu verlängern, doch im April 2024 kam das ebenso vorzeitige Aus: Der inzwischen stark vom Abstieg bedrohte Verein stellte Naji frei – und mit ihm musste Co-Trainer Peer Pütz sechs Spieltag vor dem Ende der Serie 2023/2024 gehen. Weil die Ansichten der Parteien über Vertrags-Bestandteile und die Zulässigkeit der Trennung weit auseinanderliegen, schloss sich ein Rechtsstreit an – der nach zwei Instanzen (mit Urteilen jeweils für die Seite der klagenden Ex-Trainer) noch nicht final entschieden ist. Peer Pütz befand sich seitdem in einer Art Warteschleife, aus der er nun ausgebrochen ist. Dass es bei der Wieder-Aufnahme einer vollen Stelle ausgerechnet Dormagen wurde, ist in diesem Zusammenhang kein Wunder: Der Kontakt zum TSV Bayer war in der Zwischenzeit nie abgerissen.
Pütz, der in seiner Laufbahn als aktiver Spieler auf Drittliga-Erfahrung beim TV Korschenbroich, beim VfL Eintracht Hagen und bei „seinem“ TuS 82 Opladen zurückblickt, nahm für den Sommer 2020 das Angebot der Dormagener als Leitender Nachwuchs-Trainer Leistung an. Die inhaltliche Zusamenfassung: „Komplette Ausrichtung der auf Leistung ausgerichteten A I, B I und C I; individuelle Athletenförderung, Scouting und Vormittagstraining sowie Umsetzung und Überwachung der Praxis in der Halle; Trainer der B-Jugend.“ Ein erkennbarer Schwerpunkt lag in der Summe darin, den Nachwuchs zu fördern und Talente sowohl zu finden als auch auf ein möglichst hohes Niveau zu befördern. Im Kern ging es bereits 2020 darum, durch eine personelle Neu-Aufstellung ein festes Konzept vom Kinder-Handball bis hin zu den ersten Herren zu verfolgen. Wie der TSV Bayer Dormagen die Zusammenarbeit 2.0 sieht, hat er kürzlich verblüffend ähnlich formuliert: „Zu seinen weiteren Aufgaben zählt in Zusammenarbeit mit den jeweiligen Trainern die Weiterentwicklung des ganzheitlichen Scoutings und die strategische Kaderplanung von der Bundesliga-Mannschaft bis in den Nachwuchsbereich.“ Dabei ist Peer Pütz zwar ein ausgewiesener Fan der Datenpflege und Statistik, aber alles andere als ein Anhänger der Arbeit vom Schreibtisch aus – etwas Ähnliches würde er vermutlich keine Woche aushalten. Also kümmert er sich zusammen mit André Nicklas (wieder) um die B-I-Jugend, die ihre Bundesliga-Saison am 14. September gegen die JSG Bonn eröffnet, und auch für die U 23 sind beide verantwortlich: Hier ist Pütz der Chefcoach und Nicklas sein Co-Trainer. Eine klassische Hierarchie lässt sich daraus kaum ableiten, zumal für den Neu-Dormagener die Arbeit im Team und das große Ganze wichtiger sind: „Die Entwicklung der Spieler steht im Vordergrund.“ Im Idealfall springt eine Zukunft im Zweitligakader heraus.
Als Dormagen im Schluss-Spurt 2021/2022 die Klasse mit Pütz/Röhrig durch einen Kraftakt halten konnte, waren noch einige erfahrenere Kräfte wie Torhüter Martin Juzbasic (37), Patrick Hüter (30), Ian Hüter (27), Ante Grbavac (31), Alexander Senden (29) oder André Meuser (28) im Kader. Der seinerzeit neue Trainer Matthias Flohr konnte im ersten seiner beiden Jahre beim TSV ebenfalls auf ausreichend Routine bauen, ehe sich die Hinwendung zu (noch) mehr eigenen Talenten durchsetzte. Als der aus Magdeburg gekommene Flohr-Nachfolger Julian Bauer (30) mit seiner Mannschaft in die Saison 2024/2025 startete, ähnelte das Aufgebot erst recht einer Abteilung aus dem Unternehmen „Jugend forscht“. Die beiden Ü-30-Außen Peter Strosack (31) und Joshua Reuland (31) waren am letzten Spieltag komplette Ausnahmen in einem Kader, der demnächst auf der Platte noch jünger aussehen wird – weil etwa in Reuland und Senden die nächsten „Alten“ aufgehört haben. „Team-Senior“ Strosack zum Beispiel teilt sich nun die Rechtsaußen-Position mit Kaj Kriescher (20), während am Kreis der 19 Jahre alte Frederik Sondermann und Jan-Christian Schmidt (20) wirbeln. Zu den jüngsten Zweitliga-Kombinationen auf Linksaußen dürften zudem Luis Pauli (21) und Felix Böckenholt (19) gehören. Was Peer Pütz sehr genau weiß: Er wird erneut einen nicht ganz einfachen Spagat hinbekommen müssen – wobei er es durchaus als Privileg sieht, weitere junge Leute von „unten“ nach oben zu führen. Eines der Stichworte in der Personalsteuerung heißt Mehrfachbelastung – was unter anderem auf Talente wie die in den „Perspekivkader“ aufgenommenen Malte Adam, Julius Bahns und Paul Scholl (alle 18) aus der A-Jugend zutrifft. Vier der allgemeinen Fragen: Wer spielt in der Jugend? Wer spielt in der Zweiten? Wer hat vielleicht zwei Einsätze am Wochenende? Wer hilft sogar in der 2. Bundesliga aus?
Peer Pütz freut sich sehr auf seine Tätigkeit an der Schnittstelle zwischen starkem Nachwuchs und erster Mannschaft. „Das Ganzheitliche ist der Charme in Dormagen“, betont der 33-Jährige, der mit Zweitliga-Coach Bauer und A-Jugend-Trainer Dennis Horn, der als Koordinator den gesamten Jugendbereich verantwortet, sowie dem B-Jugend Kollegen Nicklas und dem C-Jugend-Trainer Moritz Adam in dieselbe Richtung denkt. Was besonders die vergangene Saison 2024/2025 gezeigt hat: Alles unter einen Hut zu bringen, kann kompliziert sein, auch beim Blick auf die Regionalliga, in der keiner der Gegner besonders viel Rücksicht auf Dormagener Befindlichkeiten nehmen wird. Nach der Meisterschaft in der Oberliga Mittelrhein am Ende der Saison 2023/2024 und Platz sieben in der Serie 2024/2025 schien sich Dormagen in der zurückliegenden Serie 2024/2025 zum Maß aller Dinge zu entwickeln – sieben Spiele, sieben Siege, über 35 erzielte Treffer pro Partie. Der Schwung trug danach aber nicht mal bis zum Ende des Kalenderjahres 2024 und die Bilanz mit drei Siegen zum Start ins Jahr 2025 war nur ein Zwischenhoch: Wegen der maximal übersichtlichen 3:19 Punkte aus den übrigen elf Spielen wurde Bayers Zweite in der Regionalliga praktisch bis auf Rang sieben durchgereicht und das Konto fiel letztlich mit 25:23 Punkten soeben positiv aus.
Was auf die neue Zweite, die als U 23 an den Start geht, zukommt oder wozu genau sie in der Lage ist? „Das ist schwer vorherzusagen“, findet Peer Pütz, „es wird aber eine Herausforderung.“ Obwohl die Verantwortlichen nachvollziehbar ausreichend personelle Qualität im Kader sehen, berührt niemand das Thema 3. Liga. Und weil die Dormagener genauso nachvollziehbar nicht antreten, um den Abstieg anzupeilen, wird der Hauptteil der Aufgabe zunächst darin bestehen, sich irgendwo im gesicherten Mittelfeld aufzuhalten – was angesichts der Konkurrenz keine ganz einfache Angelegenheit sein dürfte. Pütz verweist hier zunächst auf die hinzugekommene Konkurrenz aus der höheren Etage: „Es sind drei Drittliga-Absteiger dabei.“ Welche Rolle der in einem größeren Umbau steckende TV Aldekerk oder der ebenfalls (wie der TSV Bayer) mit einer sehr jungen Mannschaft antretende VfL Gummersbach II spielen können, ist dabei bisher relativ unklar – unklarer jedenfalls als die Idee des TV Korschenbroich: Rund um die Waldsporthalle haben sie längst offiziell bestätigt, um den Aufstieg mitspielen zu wollen. Aufsteiger aus der Oberliga wie die weiter verstärkte HSG am Hallo Essen oder die regionalliga-erfahrene Borussia Mönchengladbach sorgen zudem eher dafür, dass die Klasse mindestens so ausgeglichen wirkt wie jene zurückliegende Regionalliga, in der ja über weite Strecken der Rückrunde die Hälfte aller Mannschaften mit dem Kampf um den Klassenerhalt zu tun hatte. Erste Hinweise darauf, wie es um den möglichen Bayer-Standort bestellt ist, gibt es wohl in der Auftakt-Partie am 20. September beim dritten Aufsteiger SSV Nümbrecht und eine Woche darauf geht es gegen die TSV Bonn rrh. (Vizemeister). Für Peer Pütz ist es beim Comeback die Meisterschafts-Heimpremiere und spätestens dann ist er endgültig wieder zu Hause angekommen.