Regionalliga Nordrhein
Peer Pütz: Ein Handlungsreisender für den Handball
Der 28 Jahre alte Wahl-Opladener hat seine Berufung beim Zweitligisten TSV Bayer Dormagen zum Beruf gemacht.

Was sagst du dazu? Die Meinung von Peer Pütz (links) ist auch beim Dormagener Chefcoach Dusko Bilanovic gefragt. (Foto: Sven Ludorf)

Handball hat offensichtlich ein hohes Suchtpotenzial. Wer einmal damit angefangen hat, kommt sehr oft nicht mehr davon los. Das ist auch bei Peer Pütz so, der 28 Jahre jung ist und trotzdem schon fast alle Seiten „seines“ Sports kennt. Für den TV Korschenbroich und den VfL Eintracht Hagen war der schnelle Außen bereits in der 3. Liga unterwegs – und ahnte damals noch nicht wirklich, dass beides doch nur Etappen auf dem Weg in eine ungewöhnliche Zukunft sein würden. Aus der Berufung voller Leidenschaft ist ein Beruf geworden, mit dem der in Hildesheim geborene Wahl-Opladener jetzt seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Die Chance dazu bietet ihm der Zweitligist TSV Bayer Dormagen, der die Nachwuchs-Arbeit neu strukturiert. Eine nicht unwesentliche Rolle spielt dabei Peer Pütz, dessen ohnehin nicht geringes Arbeitspensum dadurch noch umfangreicher wird. Vollbeschäftigung oder hauptamtliche Tätigkeit klingt ja fast harmlos. Der Tag beginnt morgens – mit Handball. Der Tag hört abends auf – mit Handball. „Ich bin schon viel unterwegs“, berichtet Pütz, der trotz aller Belastung mit sich und der Welt im Reinen zu sein scheint. Als er seinerzeit das Angebot bekam, in Dormagen als Co-Trainer der ersten Mannschaft zu arbeiten, brauchte er keine Sekunde zu zögern. Dass ihn der Verein ab 1. Juli mit der Position des „Leitenden Nachwuchs-Trainers Leistung“ betraut, sieht er als Zeichen hoher Wertschätzung. Also gab es auch da nicht viel zu überlegen und Pütz gedenkt die neue Tätigkeit mit der ihm eigenen Leidenschaft auszufüllen.

Die Stellenbeschreibung lässt erahnen, wie viel Einsatz die Stelle verlangt, die für Pütz mehr als nur ein bezahlter Job ist. In der Zusammenfassung verantwortet er die komplette Ausrichtung der auf Leistung ausgerichteten A I, B I und C I. Enthalten sind die individuelle Athletenförderung, Scouting und Vormittagstraining sowie „Umsetzung und Überwachung der Praxis“ in der Halle. Enthalten ist zudem die direkte Arbeit als Trainer für die B-Jugend, deren bisheriger Coach David Röhrig die A-Jugend übernehmen wird. Im Kern geht es durch die personelle Neu-Aufstellung darum, den Verein strukturell weiter zu stärken und ein schlüssiges Konzept vom Kinder-Handball bis zu den ersten Herren zu verfolgen. Das Jugendzertifikat der Handball-Bundesliga hat der TSV Bayer bereits, demnächst wird er nach der Schaffung des zweiten Vollzeit-Arbeitsplatzes das Zertifikat mit Stern beantragen. Für Pütz heißt die neue Stelle im Idealfall, dass er zusammen mit seinem Trainerteam die eigene Begeisterung für den Handball weitergeben und das eine oder andere Talent an die erste Mannschaft heranführen wird. „Das ist auf jeden Fall viel Arbeit“, weiß Pütz, den die steile Karriere-Kurve selbst ein bisschen erstaunt: „Das hat sich allmählich so entwickelt. “ Vor etwa einem Jahr begann sich Stück für Stück deutlicher abzuzeichnen, wohin der Weg führen könnte. Unter dem Strich ist es fast wie ein Traum, von dem einer nie ernsthaft geträumt hat – und der auf einmal trotzdem in Erfüllung geht.

Ein Mann, ein Ziel: Peer Pütz (Nummer 77) hat als Spieler des Regionalligisten TuS 82 Opladen ebenfalls bestimmte Vorstellungen vom Handball. (Foto: Thomas Ellmann)

Die Arbeit als Co-Trainer von Dusko Bilanovic führt nicht selten quer durch die Republik. Zwischen Hamburg im Norden und Konstanz im Süden liegt das Einsatzgebiet der Dormagener, die nach 18 von 34 Spieltagen mit 20:16 Punkten auf Rang sechs in die EM-Pause gegangen sind und am kommenden Sonntag um 17 Uhr mit dem Heimspiel gegen den Neunten HSV Hamburg ins neue Jahr starten. Klarer Fall: Wer gewinnt, festigt seine Position im oberen Tabellendrittel. Ob ein Sieg und damit die Revanche fürs 22:26 vom zweiten Spieltag der Saison in Hamburg gelingt, hängt unter anderem vom Dormagener Co-Trainer ab. Pütz ist schließlich für die Video-Analyse der jeweiligen Gegner zuständig und muss die entsprechend aufbereiteten Erkenntnisse vor der Mannschaft präsentieren. Mit Dusko Bilanovic steht er ohnehin in ständigem Austausch und er kann seine eigenen Gedanken vortragen – ohne die interne Hierarchie in Frage zu stellen: „Dusko ist der Chef und wir machen, was er sagt.“ Insgesamt schätzt er an Bayer Dormagen die Kombination aus Bereitschaft zur Leistung unter professionellen Bedingungen und die trotzdem familiäre Atmosphäre: „Die Mannschaften kennen sich untereinander und die Jugendspieler kennen welche aus der ersten Mannschaft.“

Wen wundert es: Weil das reine Trainerdasein wohl nicht ausfüllend genug ist, geht Pütz seinem liebsten Sport auch aktiv nach – und das nicht gerade in einer der ganz unteren Klassen. Bei seinem Heimatverein TuS 82 Opladen, zu dem er über die Jahre immer Kontakt hatte, ist der rechts wie links einsetzbare Rechtshänder seit Anfang dieser Saison wieder eine feste Stütze und zuverlässiger Torschütze. Beides könnte für die Opladener im weiteren Kampf um die Meisterschaft noch sehr wichtig werden und Pütz, der seiner Mannschaft den Aufstieg zutraut, hat sich längst erkundigt: „In der 3. Liga sind die meisten Fahrten ja nicht so ganz weit.“ Das könnte durchaus ein interessanter Aspekt sein, weil er bereits jetzt an jedem Wochenende einen spannenden Spagat hinlegt. Spielt Dormagen parallel, hat immer der Arbeitgeber TSV Bayer Vorrang. Das wissen die Verantwortlichen des TuS 82 um Trainer Fabrice Voigt seit Langem – und sie sind trotzdem glücklich darüber, dass Pütz für 2020/2021 schon seine Zusage gegeben hat.

Dass der Trainer und Spieler Pütz so oft es geht von der schmucken Bayer-Halle in die gewöhnungsbedürftige Bielerthalle eilt („Die habe ich schätzen gelernt“), ist sowohl sportlich als auch mit privaten Gründen zu erklären. Peer Pütz lebt schließlich mit Alexandra Imhoff zusammen, die erstens ebenfalls dem Virus Handball verfallen ist und zweitens praktischerweise die Physiotherapeutin des Opladener Regionalliga-Teams. Wenn beide mal wieder ziemlich gegensätzliche Dienstpläne beackern müssen, sehen sie sich wenigstens rund ums Spiel für etwa 60 oder ein paar mehr Minuten. Nutze die Zeit, könnte die Devise wohl heißen.

Ob es irgendwann, vielleicht in ein paar Jahren, den Trainer Peer Pütz im Herrenbereich geben wird? Die Frage scheint ihn zu überraschen: „Vorstellen könnte ich es mir sicher. Aber ich denke da nicht so weit voraus. Ich konzentriere mich immer hundertprozentig auf die Aufgabe, die ich gerade habe.“ Das werden sie in Dormagen besonders gerne hören, weil es ja perfekt zur eigenen Philosophie passt. Dormagens Geschäftsführer Björn Barthel drückt es so aus: „Wir sehen unsere Aufgabe auch darin, Trainertalente für den deutschen Handball gezielt zu fördern.“ Also haben hier alle was davon, wenn einer wie Pütz dem Handball mit Haut und Haaren verfallen ist.