Oberliga
Neue Gesichter, neue Herausforderungen
Die neu formierte Klasse steht vor ihrer ersten Saison mit drei Gruppen. Mancher ist mit der Einteilung naturgemäß glücklicher als der andere. In der Gruppe 2 tummeln sich die Favoriten, in den Gruppen 1 und 3 gibt es weniger Kandidaten für den Aufstieg.

Wo sind wir denn gelandet? Trainerfuchs Ronny Rogawska und seine Borussia aus Mönchenglach mussten jetzt gleich doppelt umziehen – zunächst aus der Regionalliga in die Oberliga. Dort treffen sie nun vorwiegend auf Konkurrenz aus dem Mittelrhein und nicht wie früher auf Gegner, die am Niederrhein zu Hause sind. (Foto: Michael Jäger)

Wenn am kommenden Wochenende die ersten Partien der Spielzeit 2024/2025 in den Ober- und Verbandsligen angepfiffen werden, ist das mehr als ein „einfacher“ Saisonstart. Es ist gleichzeitig die Premiere des neu gegründeten Verbandes Handball Nordrhein, der sich über mehrere Jahre aus den beiden Vorgängern vom Nieder- und Mittelrhein formiert hat. Dass der Zusammenschluss insgesamt für die Vereine wenig transparent war und mit vielen bis heute ungeklärten Fragen einherging, spielt inzwischen keine große Rolle mehr. Die Beteiligten schauen nun größtenteils nach vorne und freuen sich auf eine neue Einteilung mit zum Teil zahlreichen neuen Gesichtern. Die wichtigste Veränderung in den Oberligen: Anstatt der bisher bestehenden zwei klar getrennten Staffeln (Nieder- und Mittelrhein) gibt es nun drei gemeinsame Gruppen, die mit den Ziffern 1 bis 3 durchnummeriert sind. Grenzen innerhalb der Gruppen gibt es prinzipiell nicht mehr und die Einteilung erfolgte seitens der Verantwortlichen offensichtlich ausschließlich nach geografischen Gesichtspunkten. Klar: Wie immer in solchen Situationen ist der eine mit der Zusammensetzung der Staffeln glücklicher als der andere und natürlich gibt es den einen oder anderen offensichtlichen Härtefall. Wir versuchen in der Folge einen ersten Überblick über die neuen Gruppen – und wer vielleicht welche Rolle spielen könnte.

 

Gruppe 1: Zwei Gladbacher Teams fahren nach Köln

Die erste der drei Oberliga-Staffeln besteht zum großen Teil aus Mannschaften, die in der vergangenen Saison in der Oberliga Mittelrhein unterwegs waren (sieben von 14 Teams). Hinzu kommen fünf Verbandsliga-Aufsteiger, die ebenfalls dem alten Verband Mittelrhein zuzuordnen sind. Für echte Abwechslung sorgen dagegen zwei Mannschaften aus Mönchengladbach: Regionalliga-Absteiger Borussia mit Trainer Ronny Rogawska sowie der TV Geistenbeck, der im Vorjahr in der Oberliga Niederrhein auf Platz vier gelandet ist. Für die beiden „Neuen“ wird die kommende Spielzeit daher so etwas wie eine Reise ins Unbekannte. „Wir nehmen das als Herausforderung, weil wir die Gegner überhaupt nicht kennen. Ich kann zu den Gegnern und der Leistungsstärke überhaupt nichts sagen. Deshalb ist es auch schwierig, ein Saisonziel zu formulieren. Klar ist aber auch: Wir sind jetzt Vierter geworden in einer starken Oberliga-Gruppe, sodass wir versuchen werden, jetzt wieder unter den Top Fünf anzukommen“, meint Geistenbecks Trainer Thomas Laßeur.

Die Mannschaften aus dem vorherigen Mittelrhein-Verband sind mit der Einteilung der Gruppen weitgehend einverstanden. „Wir sind sehr happy mit der Gruppe. Wir haben viele kurze Fahrten nach Köln und damit vermeintliche Derbys. Unser Rhein-Erft-Derby mit dem Pulheimer SC fällt allerdings leider weg. Die Fahrten ins Oberbergische vermissen wir ehrlich gesagt nicht und wir freuen uns darauf, mit zwei Teams aus dem Niederrhein auf neue Gesichter zu treffen“, erklärt Franziskus Bleck, Trainer des TuS Königsdorf, der in den beiden „Zugezogenen“ auch direkt zwei Kandidaten für die vorderen Plätze ausmacht: „Gladbach ist natürlich der absolute Favorit auf den ersten Platz in der Gruppe. Daneben werden sich der TV Geistenbeck und der TV Birkesdorf ein Hauen und Stechen um die ersten drei Plätze liefern. Wir sehen uns dahinter auf den Plätzen vier bis sechs und wollen unser Ergebnis von letzter Saison damit auf jeden Fall toppen.“

Die genannten Birkesdorfer sehen sich tatsächlich ebenfalls im oberen Bereich, bleiben bei der Formulierung ihres Ziels aber eher defensiv: „Wir haben einige Auswärtsspiele, die wir so bisher noch nicht kannten. Das finden wir gut und spannend. Ich vermute schon Geistenbeck und Gladbach ganz weit oben. Unser Saisonziel ist, dass wir so lange es geht oben mitspielen wollen. Ich schätze uns schon so ein, dass wir auch um den Aufstieg mitspielen können, wenn wir ganz ganz nah ans Leistungslimit kommen. Aber da muss ganz viel passen“, sagt Sportvorstand Luca Feistkorn. Hinter den drei als Favoriten gehandelten Teams wird es dann spannend zu sehen, wie sich die neu gegründeten Wölfe Voreifel (haben den Platz des TV Rheinbach übernommen) oder der TV Palmersheim schlagen. Letztere haben sich zwei Jahre nach dem Aufstieg in der Oberliga etabliert und zur neuen Saison personell eher verbessert, weswegen der Blick nun leicht nach oben geht. „Das Saisonziel ist so Platz fünf, sechs. Wir wollen uns auf jeden Fall nach oben orientieren, nachdem wir da jetzt zwei Jahre rumgekrebst sind. Wir haben einen 20-Mann-Kader, da können wir aus dem Vollen schöpfen“, erklärt Coach Peter Trimborn.

Der HC Weiden II, BTB Aachen II sowie ASV SR Aachen waren in der vergangenen Oberliga-Spielzeit eher im Keller unterwegs und profitierten massiv davon, dass es in der Saison keine Absteiger gab. Neu in der Gruppe sind die Aufsteiger Fortuna Köln, Polizei SV Köln, TSV Bonn rrh. II, 1. FC Köln sowie der MTV Köln II, wobei die Mülheimer angesichts der zu erwartenden Gruppenstärke voraussichtlich nur auf dem Papier mit ihrer zweiten und personell eher mit ihrer ersten Mannschaft auflaufen werden. All diese Teams dürften wohl erst einmal versuchen, so schnell wie möglich die nötigen Punkte zu sammeln, um sich aus dem Abstiegskampf herauszuhalten.

 

Gruppe 2: Das Beste vom Besten?

Es braucht keine vertieften Handball-Kenntnisse, um zu dieser Einschätzung zu kommen: Die neu formierte Oberliga-Gruppe 2 weist in der Breite die größte Qualität auf. Regionalliga-Absteiger SG Langenfeld hat es in die Staffel verschlagen, ebenso die vorherigen Gruppenzweiten LTV Wuppertal (Niederrhein) und SSV Nümbrecht (Mittelrhein) sowie die Gruppendritten Mettmann-Sport (Niederrhein) und HBD Löwen Oberberg (Mittelrhein). Alleine diese fünf Teams bringen bereits Potenzial für ganz oben mit, hinzu kommen zum Teil etablierte Oberligisten wie der TuS Lintorf, der TB Wülfrath (beide Niederrhein), der Pulheimer SC oder der Longericher SC II (beide Mittelrhein). Nümbrechts Coach Manuel Seinsche spricht daher den meisten Beteiligten aus der Seele: „Meines Erachtens haben wir eine Hammergruppe erhalten. Ich glaube, das Feld an der Spitze wird relativ groß sein. Natürlich möchten wir gerne oben mitmischen, jedoch wird das für viele eine spannende Saison werden, da sich viele Mannschaften noch gar nicht kennen.“

Angesichts dieser großen Leistungsdichte ist die Überlegung des MTV Köln, in dieser Gruppe eher mit der „Zweiten“ anzutreten, möglicherweise nachvollziehbar. Die Kölner wären dann neben dem Ohligser TV, der Cronenberger TG und den Bergischen Panthern II praktisch der vierte Verbandsliga-Aufsteiger – und diese vier Mannschaften kämpfen vermutlich auch vorrangig erst einmal um den Klassenerhalt. Ähnliches dürfte für den TuS 82 Opladen II gelten, der die vergangene Saison in der Oberliga Mittelrhein auf dem vorletzten Platz abschloss. Wo die Reise der Opladener in dieser Spielzeit hingeht, wird wie so oft von den aktuellen personellen Möglichkeiten abhängen. Das gilt sicher ähnlich für den LTV Wuppertal als Vizemeister der Oberliga Niederrhein. „Wir wissen, dass wir letztes Jahr eine Riesensaison gespielt haben, können das aber auch genau einschätzen. Wir haben starke Spieler auf wichtigen Positionen verloren, die man so nicht eins zu eins ersetzen kann. Deswegen ist unser teaminternes Ziel die obere Tabellenhälfte. Als Aufstiegsfavoriten sehen wir Langenfeld, Nümbrecht und natürlich Mettmann-Sport. Diese drei sollten es unter sich ausmachen“, meint Teamsprecher Jan Philipp Meißner – dessen Einschätzung Mettmanns Trainer Andre Loschinski eher nicht teilt. „Das Wort Aufstieg nehmen wir natürlich überhaupt nicht in den Mund, da wird bei uns gar nicht dran gedacht“, sagt der Coach – und er wünscht sich ebenfalls „nur“ einen Platz im oberen Tabellenbereich: „Für uns ist es schön, jetzt auch mal andere Spielorte und andere Vereine kennenzulernen und zu bespielen. Wichtig für uns ist sicherlich, dass Derbys gegen Wuppertal, Lintorf und Wülfrath weiterhin gegeben sind. Das hat auch einen finanziellen Aspekt, weil die Halle da natürlich immer extrem voll ist. Was die Leistungsdichte angeht, sehe ich die Gruppen ziemlich unterschiedlich. Ich glaube, wir haben eine relativ starke Gruppe erwischt, aber das sind Herausforderungen, denen wir uns gerne stellen.“

Mittendrin, nicht nur dabei: Für Trainer Andre Fink gehören seine Lintorfer zum erweiterten Kreis der Titelkandidaten in der neuen Gruppe 2 der Oberliga. (Foto: Horst Lesch)

Von mehreren Beteiligten wird der TuS Lintorf als eine Art „Geheimkandidat“ für die vorderen Plätze genannt. Die Mannschaft von Trainer Andre Fink beendete die Vorsaison als Sechster, hatte dabei aber über weite Strecken das Handicap, nicht in der eigenen Halle im Sportzentrum Lintorf (Sanierungsarbeiten) spielen zu können. Zur neuen Saison soll das endlich Geschichte sein und zudem ist der Kader insgesamt nicht schlechter geworden. Deswegen geht der TuS die neue Spielzeit durchaus selbstbewusst an. „Einen Favoriten im Aufstiegsrennen zu benennen, finde ich schwierig. Ich denke, es gibt sechs Mannschaften in dieser Liga, die oben mitspielen können – Nümbrecht, Löwen Oberberg, Wülfrath, Wuppertal, Langenfeld und wir“, meint Fink. Er ist ebenfalls der Ansicht, dass die qualitativen Unterschiede in der Gruppeneinteilung zu groß geraten sind: „Wenn ich die Gruppen 2 und 3 miteinander vergleiche, ist Gruppe 3 ein Witz. Fast nur Aufsteiger, kein Überflieger aus der Oberliga letzten Jahres und kein Absteiger.“

 

Gruppe 3: Schafft die HSG Am Hallo den Durchmarsch?

Finks Einschätzung in Bezug auf die Gruppe 3, die sich vermehrt aus Mannschaften aus dem Ruhrgebiet und dem oberen Niederrhein zusammensetzt, scheint auf den ersten Blick zu stimmen. In der HSG VeRuKa, dem HSV Dümpten, der MTG Horst Essen, dem ASV Süchteln, dem MTV Rheinwacht Dinslaken II, dem TV Aldekerk II, Rot-Weiß Oberhausen und der HSG Am Hallo Essen besteht die Staffel aus acht Verbandsliga-Aufsteigern. Der HSV Überruhr als Vorjahres-Fünfter der Gruppe Niederrhein ist so etwas wie das „Spitzenteam“ der Liga, der TV Lobberich, die HSG Hiesfeld/Aldenrade, die Adler Königshof, der TSV Kaldenkirchen und die Tschft. St. Tönis kamen auf den Rängen acht bis elf ins Ziel. Und dennoch fällt im Gespräch mit den Beteiligten immer wieder ein Name und viele sehen die HSG Am Hallo um den Sportlichen Leiter Felix Linden als Kandidaten für die Meisterschaft. Linden konnte den ohnehin gut besetzten Kader durch seine Kontakte noch einmal aufwerten und die Essener verpflichteten vor der Saison etwa Marijan Basic (HBD Löwen Oberberg). Der Ex-Profi (unter anderem TSV Bayer Dormagen, TuS Ferndorf und HSG Krefeld) war in der abgelaufenen Spielzeit mit 193 Treffern bester Schütze der Oberliga Mittelrhein.

Volker Hesse, der Trainer des TSV Kaldenkirchen, spricht deswegen aus, was mancher denkt: „Die Frage nach dem Titelkandidaten ist für mich relativ klar: Die HSG Am Hallo hat einen derart hochkarätig besetzten Kader, dass alles andere als ein Durchmarsch mehr als überraschend wäre.“ Nach einer aus Kaldenkirchener Sicht viel zu spannenden Saison, in der der TSV den Klassenerhalt erst sehr spät in trockene Tücher brachte, freuen sie sich im Grenzland auf eine Spielzeit mit hoffentlich weniger Sorgen. Wie die meisten aus der Region vermisst Hesse allerdings die beiden „Abgewanderten“ Borussia Mönchengladbach und TV Geistenbeck. „Wir sind im Großen und Ganzen zufrieden, auch wenn es ein bisschen schade ist, dass jetzt die Nachbarschaftsduelle mit Borussia und Geistenbeck nicht mehr stattfinden“, erklärt der TSV-Coach. Er befindet sich voll auf einer Linie mit dem Spielertrainer der Adler Königshof, Sebastian Bartmann: „Ich finde es schade, dass der Gladbacher Raum nicht zu uns gehört, quasi direkte Nachbarn von uns. Unser Saisonziel ist es auf jeden Fall, so schnell wie möglich mit dem Abstieg nichts zu tun zu haben. Und ich denke, dass die HSG Am Hallo mit dem Kapital und dem Personal, was sie jetzt geholt haben, eine sehr gute Rolle spielen wird.“

Die so Gelobten nehmen die Favoritenrolle nur ungern an – obwohl sie natürlich wissen, welche Akteure ihnen zur Verfügung stehen. „Wir haben nominell eine sehr, sehr gute Mannschaft. Aber ich glaube, dass wir noch ein Jahr in der Oberliga brauchen, um die Dinge neben dem Feld zu optimieren. Wir haben vor vier Jahren noch in der Bezirksliga gespielt, das darf man nicht vergessen“, erklärt Linden. Gleichzeitig darf es als ausgeschlossen gelten, dass die HSG auf einen möglichen Aufstieg verzichten würde, sollte er sich sportlich schon im Mai 2025 realisieren lassen. Unterm Strich wartet nicht nur auf die Essener eine Premieren-Saison mit ganz vielen Fragezeichen.