3. Liga Nord-West
Immer dabei? Wie eine Niederlage der Anfang von allem war
Der Longericher SC ist eine "Hobbytruppe", die auch ganz gut Handball spielt.

Pure Entschlossenheit: Tim Hartmann rechts/links Vinzenz Preissegger von der SG Langenfeld) zeigt, was Longerich in der Regel auszeichnet. (Foto: Thomas Schmidt)

Das ist schon irgendwie seltsam. Bei einer Umfrage würde es vermutlich jeder so beantworten: Natürlich sind die vom Longericher SC schon immer dabei. Mit diesem Ruf können sie beim Drittligisten aus Köln auch eigentlich ganz gut leben. Dabei liegt der Einschätzung ein Irrtum zugrunde. Tatsächlich hat der Verein erst vier Jahre in der dritthöchsten deutschen Handball-Klasse hinter sich und ist damit im Grunde noch im Kindergarten-Alter. Dass der LSC bereits zu den Etablierten gezählt wird, mag an seiner bisherigen Bilanz liegen: Siebter, Dritter, Fünfter, Sechster. So schneidet normal eben keiner ab, der sich erst an die höhere Klasse und ihre gestiegenen Anforderungen gewöhnen muss.

Unvergessen ist bis heute der 10. Mai 2014, als der damalige Meister der Oberliga Mittelrhein in der Qualifikation auf die SG Ratingen  traf, den Meister der Oberliga Niederrhein. Nach der 22:28-Niederlage im Hinspiel bekam das Team des damaligen Trainers Chris Stark im Rückspiel plötzlich die Chance, das Wunder von Longerich zu vollbringen, denn auf einmal hatte Jens Warncke den Ball. Sollte er treffen, wäre ein 22:16 amtlich – was wegen der Auswärtstore-Regelung den Longericher Aufstieg gebracht hätte. Warncke traf auch. Pech für die Gastgeber und Dusel für die Gäste: Das Spielgerät landete eine halbe Sekunde nach der Schluss-Sirene hinter der Linie. Für ein paar Augenblicke schien die Handball-Welt vor ungefähr 500 Zuschauern auf beiden Seiten den Atem anzuhalten.

Gutes Team: Trainer Andreas Klisch (links) und sein Vorgänger Chris Stark, der jetzt Sportlicher Leiter ist, sehen den Longericher SC auf einem guten Weg. (Foto: Thomas Schmidt)

Einige Hauptdarsteller von damals sind noch heute dabei und natürlich aus vollstem Herzen Longericher. Zu-Spät-Torschütze Warncke fungiert jetzt als „Manager Marketing“ und der frühere Chefcoach Chris Stark als Manager Sport. Weiter als Spieler aktiv ist Matthias „Michel“ Peters (so genannt nach Michel aus Lönneberga), der sich ebenfalls gut erinnern kann: „Natürlich waren wir enttäuscht, denn unser Ehrgeiz war schon groß. Aber damals haben wir uns gesagt: Jetzt erst recht.“ „Ich glaube, es war sogar gut, dass wir es damals noch nicht geschafft haben“, meint Chris Stark, dessen Trainer-Herz seinerzeit trotzdem leiden musste. Ein Jahr später holte der LSC tatsächlich das Versäumte nach, weil er den Oberliga-Kontrahenten TV Aldekerk nach dem Erfolg aus dem Hinspiel (26:21) auch in dessen eigener Halle besiegen konnte (31:30).

Dass sich die Mannschaft so rasch an die rauere Luft der 3. Liga gewöhnt hat, ist für Stark und Peters übrigens kein Wunder. „Wir sind vielleicht nicht von den Einzelspielern her die beste Mannschaft, aber wir haben uns als Einheit zusammengefunden“, findet Chris Stark. Spieler Peters meint dasselbe und drückt es nur ein bisschen anders aus: „Jeder steht für den anderen ein. Wir sind als Mannschaft auch Freunde.“ Beweise für diese Einschätzung gab es immer wieder – unter anderem im Dezember 2016, als das Team beim heutigen Zweitligisten TSV Bayer Dormagen vor der imponierenden Kulisse von 1700 Zuschauern einen 25:21-Erfolg mit nach Köln nehmen konnte. Gänsehaut verursacht auch der Rückblick auf die Drittliga-Premiere vom 28. August 2015, als dem LSC gegen den Neusser HV ein 30:27 gelang.

Die Faust für Longerich: Matthias „Michel“ Peters (rechts) und Simon Schlösser sind mit Leib und Seele dabei. (Foto: Thomas Schmidt)

Mit dem besonderen Kölschen Humor beschreiben sich die Herrschaften in Longerich als „Hobbytruppe, die ganz gut Handball spielen kann“. Daraus folgt: Man beherrscht, falls sich die Gelegenheit dazu bietet, auch die dritte Halbzeit mit entsprechenden Getränken ganz gut. Matthias Peters ist zwar als Student für „Human Resources und Personalwesen“ im Grunde ein Vertreter der Sachlichkeit, aber mittlerweile noch dichter dran am Longericher Puls. Ein Grund dafür: Seit einem Jahr wohnt er im Kölner Stadtteil und er sieht keinen Grund, daran so schnell etwas zu ändern. Einer seiner Träume wäre es, noch mal mit dem LSC in einer neuen Halle zu spielen und dort Spitzenhandball zu zeigen. Denn darum geht es in erster Linie: Die Mannschaft will sich dauerhaft in der Spitze der 3. Liga etablieren. Das wird in der gerade gestarteten Saison 2019/2020 vermutlich noch schwieriger als zuletzt, weil etwa im VfL Eintracht Hagen oder im Wilhelmshavener SV starke Zweitliga-Absteiger hinzugekommen sind. Mit der weiten Reise nach Wilhelmshaven begann bereits am 24. August die erst fünfte Drittliga-Saison des Longericher SC. Die schwache erste Halbzeit kostet die Gäste hier am Ende ein besseres Resultat und beim 25:27 haben alle das Gefühl, dass mehr drin gewesen wäre gegen jenen Kontrahenten, der auf vielen Tipp-Zetteln der Top-Meisterschaftsfavorit ist. Anschließend gewinnt der LSC sein erstes Heimspiel gegen den TSV GWD Minden II nach nicht geringen Startschwierigkeiten noch klar mit 35:24. In den letzten zehn Minuten nehmen die Gastgeber dann richtig Fahrt auf – und sie scheinen nun endgültig in der Saison angekommen zu sein. Und das ist kein bisschen seltsam, denn die Mannschaft von Trainer Andreas Klisch hat Qualität. Das hat sich nicht nur in Nordrhein-Westfalen herumgesprochen. Siebter, Dritter, Fünfter, Sechster: Dieser Bereich dürfte es am Ende gerne wieder sein.