09. September 2019 | Zurück zur Artikelübersicht » |
Im Sport mit dem etwas größeren Spielgerät würde René Lönenbach wohl als Straßenfußballer durchgehen. Er hat das Besondere, das Unberechenbare, das sich kaum bis überhaupt nicht kalkulieren lässt. Vor allen Dingen die Handballer am Mittelrhein können seit Langem ein Lied davon singen, dass der Spielmacher selbst in aussichtslos erscheinenden Situationen nicht immer, aber immerhin sehr oft noch eine Lösung findet. Und spätestens seit der Einführung der Regionalliga Nordrhein vor drei Jahren kennen sie in ganz Nordrhein-Westfalen die Qualitäten des Spielmachers – von Dinslaken bis Bonn und von Gummersbach bis Aachen. In der vergangenen Saison war der 26-Jährige sogar wieder eine Klasse für sich. Mit halb-amtlich durch den Verband festgehaltenen 206 Saisontreffern war René Lönenbach erstens der beste Torschütze der gesamten Regionalliga und zweitens maßgeblich am Klassenerhalt seines TV Rheinbach beteiligt.
Mancher mag sich wundern, dass ein Spieler seiner Klasse bei einem Viertligisten seiner Leidenschaft nachgeht und sich mit dem Kampf gegen den Abstieg begnügt – obwohl er sicher mindestens eine Etage höher in jeder Mannschaft seinen festen Platz finden würde. Das vermutlich wichtigste Argument: „Ich bin ein sehr heimatverbundener Mensch.“ Nicht viel geringer einzuschätzen: Der Aufwand etwa in der 3. Liga ist unter dem Strich zu hoch für einen, dessen Beruf als Garten- und Landschaftsbauer bereits besondere zeitliche Belastungen mit sich bringt. Unter anderem deshalb bekam ja auch ein Nachbar, der Lönenbach gerne nach Köln geholt hätte, eine Absage. Und jetzt wird der Regisseur seine beruflichen Fertigkeiten weiter verfeinern, denn er hängt eine Ausbildung zum Meister dran.
Davon konnte noch niemand was ahnen, als der kleine René mit drei Jahren beim TV Palmersheim zum ersten Mal einen Ball in die Hand nahm und schnell mit dem Virus Handball infiziert war. Als A-Jugendlicher wechselte er dann zum TV Rheinbach – ein Entschluss, der ihn bis heute beschäftigt: „Das war fast herzzerreißend. Ich hatte irgendwie das Gefühl, dass ich die Jungs im Stich lasse.“ Kurzzeitig schien anschließend sogar der Sprung in den Profi-Bereich möglich zu sein, weil der ruhmreiche und inzwischen doch in die 2. Liga abgestiegene VfL Gummersbach ein Probetraining ermöglichte. Dass es damals nicht geklappt hat, ist für René Lönenbach kein Problem: Er ist mit sich und der Handball-Welt im Reinen. Auf dem Feld hat er sich trotzdem kontinuierlich weiterentwickelt. Kaum zu glauben: In seinen ersten Jahren bei den Senioren war er nicht mehr – wie in der Jugend – als Mittelmann unterwegs, sondern als Linksaußen „geparkt“. Den Posten beherrscht er immer noch, aber viel wohler fühlt er sich in der Mitte. Dort, wo die Spielzüge angesagt werden, wo die wichtigen Entscheidungen zu treffen sind. Es hat Jahre gedauert, bis René Lönenbach zurück auf seine Lieblingsposition durfte.
Dort kann er natürlich ein Spiel mit System lenken und die Teamkollegen entsprechend in Szene setzen. Eines seiner Markenzeichen: „Ich lasse die Dinge auf mich zukommen und entscheide vieles aus dem Bauch heraus. Manchmal spiele ich den Ball erst im letzten Moment ab.“ Das sieht vielleicht manchmal aus wie eine Ein-Mann-Show, ist es aber nicht – im Gegenteil. René Lönenbach sieht sich auch als Teamplayer, der fürs große Ganze verantwortlich ist. „Ich finde, dass wir eine ganz gute Mischung in der Mannschaft haben. Wir haben viele junge Leute dazubekommen“, erklärt Lönenbach, dem die Trainer Dietmar Schwolow/Jan Hammann immer den Rücken stärken. Und der Spieler weiß das Vertrauen zu schätzen: „Ich kriege alle Freiheiten.“
Für die kommende Saison hofft der Spielmacher für den TV auf einen Platz im oberen Mittelfeld. Der dramatische Abstiegskampf wie in der vergangenen Saison muss es jedenfalls nicht wieder sein. Schließlich dauerte es in der Serie 2018/2019 bis zu den beiden letzten Spielen und damit noch länger als ein Jahr zuvor, ehe alle Zweifel beseitigt waren. Ohne das 22:20 über den HC Wölfe Nordrhein und das 28:25 beim TV Aldekerk wäre Rheinbach in die Oberliga abgestiegen. Ein Grund fürs lange Zittern war der Angriff, der mit 642 Toren in 26 Spielen die schwächste Marke aller Regionalligisten erreichte. Als Verstärkung für den Rückraum ist jetzt wieder Oliver Dasburg dabei, der nach einem Jahr beim Drittligisten Longerich zu seinem Stammverein zurückkehrt. Insgesamt scheint der Kader tatsächlich breiter aufgestellt zu sein. Und trotzdem werden sie wieder auf die Dienste ihres Unberechenbaren angewiesen sein. Die Jagd beginnt für René Lönenbach und seine Rheinbacher am 14. September beim Aufsteiger HG Remscheid. Es folgt am 21. September die Heimpremiere gegen die HSG Siebengebirge. Spätestens dann wissen alle, wie viel „Straßenfußball“ sie diesmal brauchen.