10. September 2019 | Zurück zur Artikelübersicht » |
Wer mit Leszek Hoft über Handball redet, sollte unbedingt etwas Zeit mitbringen. Jedes Gespräch darüber erfährt womöglich den einen oder anderen unerwarteten Abstecher. Leszek, dessen Leidenschaft für den Handball in jeder Sekunde spürbar ist, weiß viel und er kennt viele Menschen – so viele, dass er fast immer einen Halt einlegen muss, um jemanden wenigstens kurz zu begrüßen. Bei der Verabredung fürs Treffen mit den Harzhelden gehen wir ein paar Schritte zu einem nahegelegenen Café. Plötzlich ruft jemand: „Lesch, was machst du denn hier?“ Es ist ein früherer Lehrer-Kollege, der Hoft herzlich umarmt. So geht es oft auch in der Sporthalle: Spieler und Trainer, meist Weggefährten aus vergangenen Jahren, wechseln immer ein paar Worte mit dem aus Danzig stammenden Polen, der seit Langem in Solingen lebt. Und Leszek Hoft etwas über Handball erzählen zu wollen, hieße wirklich, Eulen nach Athen zu tragen. Er ist so etwas wie ein Handball-Lexikon.
Einer der Gründe: Leszek Hoft kennt sich aus im „großen“ Handball. Einst schaffte er mit der damaligen SG Solingen an der Seite von Bob Hanning den Aufstieg in die Bundesliga. Das ist jener Bob Hanning, der mittlerweile längst bei den Füchsen Berlin in der Bundesliga das Sagen hat und in die oberste Führungsetage des Deutschen Handball-Bundes aufgerückt ist. Anschließend war Hoft erfolgreich für die Jugend des Bergischen HC tätig, mit der er 2007 Deutscher Meister wurde. Etwas später taucht in seiner Vita die Handball-Akademie des VfL Gummersbach auf. Zwei aktuelle Nationalspieler haben von Hofts Wirken profitiert: Kreisläufer Patrick Wiencek, der heute beim THW Kiel unter Vertrag steht, und Paul Drux, der für die Füchse Berlin aufläuft. „Seine“ Liste von Spielern, die in Zweiter und Dritter Liga, Nordrheinliga oder Oberliga spielen, dürfte endlos lang sein.
Leszek Hoft ist ganz bestimmt einer der jüngsten Menschen, die die 60 bereits recht weit hinter sich gelassen haben. Er ist jederzeit für eine Überraschung gut und ans Aufhören denkt er noch lange nicht. Irgendwann stand fest: Der ganz große Umfang von morgens sechs Uhr mit dem Verlassen des Hauses bis Mitternacht mit dem Abschluss der letzten Vorbereitungen soll es aber nicht mehr sein. So fand er den Weg zur SG Langenfeld (SGL), die er zu einem Spitzenteam der Oberliga formte. Am Ende der Saison 2014/2015 hörte Hoft auf bei der SGL – allerdings nicht ganz. Im Mai 2016 saß er neben seinem Trainer-Nachfolger Dennis Werkmeister beim Finale um den Deutschen Amateur-Pokal noch einmal auf der Langenfelder Bank, um seine Erfahrung einzubringen. Der Triumph in Hamburg war dann für alle Beteiligten ein von großen Emotionen geprägtes Erlebnis.
Selbstredend ist Leszek Hoft auch im Lehrer-Ruhestand als Pädagoge tätig – und ausnahmsweise nicht im Handball. Hier bringt er Kindern als Aushilfs-Lehrer das Schwimmen bei. „Das macht unheimlich viel Spaß“, betont Hoft, der selbstverständlich nicht von seinem Lieblingssport loskommt. Nach Langenfeld folgte die Station SG Ratingen, wo er die zweite Mannschaft aus der Bezirksliga in die Verbandsliga führte – es war ein Engagement, das er selbst als verrückt bezeichnete und exakt so haben wollte. Dass er unter anderem weiter in der Trainer-Ausbildung an Bord ist, gilt als Hauptgrund für seine Hinwendung zu den „Niederungen“ des Handballs, die fernab von großem Sport liegen. „Es war in einem Trainerlehrgang“, berichtet Hoft, „als mir ein Teilnehmer gesagt hat: Du hast es gut, du arbeitest mit Profis zusammen, wir aber nicht.“ Leszek Hoft fuhr nach Hause und stellte fest: Der Kollege hatte nicht Unrecht. Also überprüfe ich mal, ob ich das unten auch kann.
Diese Einsicht führte den Solinger Hoft letztlich zum Ohligser TV – was wie damals im Fall Ratingen mancher überhaupt nicht nachvollziehen konnte. Die Frage in drastischer Kurzform: „Spinnst du?“ Eine Antwort: „Das ist bei mir um die Ecke.“ Viel wichtiger: Er bekam beim Landesligisten erneut die Gelegenheit, bei seiner Leidenschaft zu bleiben – und an der Basis mit dafür zu sorgen, dass der Handball lebt: „Ich habe immer neue Herausforderungen gesucht und ich habe immer noch Spaß am Handball. Die Jungs haben Spaß mit mir und ich habe Spaß mit ihnen. Es geht auch hier um Disziplin und das Miteinander. Wir wissen alle, dass wir wahrscheinlich keine DHB-Spieler hervorbringen.“ In der vergangenen Saison brachte die frische Ehe zwischen Hoft und Ohligs immerhin dank einer Serie von 9:1 Punkten aus den letzten fünf Saisonspielen den Sprung auf den sechsten Platz der Abschluss-Tabelle, während im Jahr vorher der Abstieg drohte.
Wunder erwartet auch in der neuen Saison keiner. „Oberliga oder Nordrheinliga geht für uns nicht“, meint Hoft, in dessen Worten kein bisschen Bitterkeit mitschwingt: „Ich arbeite sehr, sehr gerne im Breitensport.“ Warum? „Handball ist ehrlich und unheimlich attraktiv.“ Das ist für Leszek Hoft keine Frage der Spielklasse, sondern der inneren Einstellung. Weitermachen wird er so lange, wie die Lust auf Neues und der Spaß an der Sache da sind – also vermutlich ziemlich lange. Ein Top-Trainer, der in der Szene höchst angesehen ist, hat sein Herz an den kleinen Handball verloren. Großartig.