22. Oktober 2019 | Zurück zur Artikelübersicht » |
Von vielen war vor der Saison die Rede, als es um die Suche nach möglichen Kandidaten für die Meisterschaft in der Oberliga Mittelrhein ging. Die HSG Refrath/Hand kam auf dieser Liste vor, auch der TuS Derschlag, der TSV Bayer Dormagen II oder der HC Gelpe/Strombach. Drei der vier Kandidaten haben sich mittlerweile auch relativ weit vorne einsortiert, denn Derschlag, Dormagen II und Strombach belegen die Ränge zwei bis vier. Die Refrather halten sich auf dem sechsten Platz noch ein bisschen zurück – obwohl sie zuletzt beim 33:33 in Derschlag andeuteten, dass mit ihnen durchaus zu rechnen sein wird. In keiner Einschätzung kam dafür jene Mannschaft vor, die noch ungeschlagen ist und über das bessere Torverhältnis mittlerweile die Spitze übernommen hat. Trainer Kelvin Tacke und der Pulheimer SC sind von diesem Stand der Dinge ebenso überrascht wie erfreut: „Das ist auf jeden Fall nur eine Moment-Aufnahme, aber natürlich eine schöne. Die nehmen wir gerne mit.“
Nach Rang acht aus der vergangenen Saison knüpfen die Hornets wenigstens zurzeit an die Serie 2017/2018 an, als sie in einem Herzschlag-Finale auf Rang zwei hinter dem punktgleichen BTB Aachen landeten. Am letzten Spieltag hätte den bis dahin führenden Pulheimern ein Unentschieden zur Meisterschaft gereicht, doch es gab ein schmerzhaftes 24:26. Weil die „Hornissen“ auch das Treffen der Hinrunde verloren hatten (20:25), lagen sie im direkten Vergleich hinter den Aachenern. Dritter im Bunde damals: Derschlag, das am Ende wie die beiden anderen bei 40:12 Punkten gelandet war und ein Jahr später als Vizemeister wiederum den Titel verpasste.
Die Pulheimer mussten nach dem Ende der vergangenen Saison einen Umbruch vollziehen, weil langjährige Stützen wie die Spielmacher Kristoffer Lingner und Stephan Kirschfink nicht mehr zur Verfügung standen. „Wir hatten dann sechs Neue in die Mannschaft einzubauen“, sagt Tacke. So kamen André Nicklas und Torhüter Tobias Middell aus Bocklemünd, während Lars Jäckel vom TuS 82 Opladen Erfahrung aus der 3. Liga und der Regionalliga mitbrachte. Unter dem Strich stand der Coach fast vor einer Neubau-Situation wie vor einer halben Ewigkeit, als er seine Arbeit bei den Pulheimern begann: „Damals haben wir viele Jugendliche hochgezogen, die im Kern relativ lange zusammengeblieben sind.“ Damals ist ein gutes Stichwort, denn Tacke hätte sich seinerzeit nie träumen lassen, dass er derart lange bei den Hornets bleibt.
Nun ist er bereits im 14. Jahr für die ersten Herren verantwortlich – was allgemein im Handball eine rekordverdächtige Marke sein dürfte. Fester Wegbegleiter seit gemeinsamen Zeiten als Spieler: Manfred Zybarth. Nur ein Jahr gab es Tacke/Zybarth nicht im Paket. Beide vertrauen sich blind, beide denken den Handball auf dieselbe Art und Weise, beide sind nur als Duo zu haben. Deshalb entschieden auch diesmal beide gemeinsam, dass sie in Pulheim trotz der durchaus eintrudelnden Anfragen anderer Vereine und der bevorstehenden personellen Änderungen bei den Hornets bleiben. Dieser Entschluss fasst übrigens viel vom Selbstverständnis des Trainers Tacke zusammen: „Wenn ich eine Zusage gebe, ziehe ich meinen Plan auch durch – egal, in welchem Bereich.“ Diese Devise ist nicht zu verwechseln mit dem Festhalten am Alten um jeden Preis: „Ich habe gelernt, dass du dich manchmal ändern musst.“
Ändern wollen die Pulheimer, die zu den Glanzzeiten des Vereins in der Regionalliga unterwegs waren (damals 3. Liga), in der laufenden Saison einiges. „Wir haben das Zeug dazu, eine gute Rolle zu spielen“, glaubt Tacke, der sich in seiner Trainer-Laufbahn bisweilen den Ruf eines Perfektionisten erarbeitet hat. Dazu passt, dass er die aktuelle Mannschaft momentan längst nicht auf ihrem spielerischen wie taktischen Höhepunkt sieht: „Bei uns läuft nicht alles so, wie ich mir das vorstelle. Wenn ich unser Tempospiel sehe – da wartet viel Arbeit.“ Das hat unter anderem damit zu tun, dass viele Abläufe im komplizierten Unternehmen Umbau erst präzise aufeinander abzustimmen sind. In der Übersetzung folgt daraus: Es wird einige Zeit brauchen, bis die neuen Hornets die Ideen ihres Trainers fast optimal umsetzen. „Du musst bereit sein, mit der Mannschaft ein paar Jahre zu gehen“, betont Tacke. Als besonders wichtig sieht er dabei den Rückhalt im Verein: „Jeder trägt seinen Teil dazu bei.“
Und sollte sich bereits in diesem Jahr trotz aller Vorsicht beim Benennen von Zielen die Chance ergeben, für die anderen der Spielverderber zu sein, würden sie in Pulheim ganz bestimmt zugreifen. In zwei Auswärtsspielen beim Achten HC Weiden II (2. November) und beim Zwölften BTB Aachen II (9. November) müssen die Pulheimer zunächst wieder beweisen, dass sie auch außerhalb des heimischen Hornissennests konstant stechen können. Sollte Tackes Team diese beiden Aufgaben ebenfalls lösen können, müssten die anderen vorne wohl endgültig davon ausgehen, dass sich noch einer in den Kreis der Favoriten geschlichen hat.