Harz beiseite
Von Gummersbach nach Thüringen: „Kraudi“ steht immer unter Strom
Der ehemalige Bundesliga-Spieler mit Wurzeln im Oberbergischen ist heute als Trainer sehr erfolgreich. Jetzt hat ihn seine Leidenschaft nach Eisenach geführt.

Läuft! Der Gummersbacher Markus Krauthoff-Murfuni hat den Wechsel nach Thüringen noch keine Sekunde bereut. (Foto: sportfotoseisenach)

Er scheint zu denen zu gehören, die Stillstand furchtbar finden. Deshalb kommt Markus Krauthoff-Murfuni, der frühere Bundesliga-Profi, ziemlich viel rum in der Handball-Welt. Sein Zauberwort bei allem: VfL Gummersbach. Schon als Junge kam der heute 42 Jahre alte Markus, den viele lieber „Kraudi“ nennen, mit dem Virus in Kontakt – in der legendären Eugen-Haas-Halle. So hat er die Geschichte vor gar nicht so langer Zeit den Schülern des Wüllenweber-Gymnasiums in Bergneustadt als Leiter einer Handball-AG erzählt: „Ab da wollte ich Profi werden.“ Es blieb nicht bei der mutigen Ankündigung und Krauthoff-Murfuni begann, vom Oberbergischen aus die große Handball-Welt zu erobern. Das gelang ihm zuerst als Spieler ganz gut. Und der Umstieg in eine ziemlich vielversprechende Trainer-Karriere hat bis jetzt ebenfalls sehr anständig funktioniert. Mitte 2016 zog es den Dauer-Reisenden zunächst aus der Schweiz zurück in die Heimat, denn „Kraudi“ begann beim TuS Derschlag als hauptamtlicher Jugendleiter – was für den Nachwuchs-Bereich eines heute in der Oberliga angesiedelten Vereins eine ziemlich einmalige Angelegenheit ist. Die Arbeit füllte er mit Herz und der ihm eigenen Leidenschaft aus, ehe im Sommer 2019 wieder Umwälzendes passierte. Wie es dazu kam, ist eine Geschichte, wie sie vielleicht wirklich nur der Handball schreiben kann.

Die in der Szene unterwegs sind, kennen sich ohnehin. Wenn sie dann jeweils Gummersbach als ihre ursprüngliche Heimat ansehen oder es aufgrund sportlicher Beziehungen zur Wahl-Heimat machen, ist die gegenseitige Wertschätzung wohl noch etwas größer. Deshalb brauchte sich Markus Krauthoff-Murfuni selbstredend nie besonders über jenen Trainer zu erkundigen, der in Gummersbach eine Legende ist: Sead Hasanefendic ist einer der ganz großen Namen im internationalen Handball. Insgesamt drei Mal war Hasanefendic, der auch in Spanien und Tunesien gearbeitet hat, für den VfL an der Seitenlinie verantwortlich – 2002 bis 2004, 2008 bis 2011 und 2017. Weil er das Oberbergische insgesamt relativ liebenswert fand, legte er Gummersbach als seinen Lebensmittelpunkt fest. Dort wohnt er jetzt zusammen mit seiner Lebensgefährtin. Und dort hat er eine weitere feste Anlaufstelle: Einen ganz bestimmten Friseur.

Seit Jahren geht Hasanefendic in den Salon von Sonia Murfuni, der ein echtes Kommunikationszentrum zu sein scheint. Sonia ist mit Markus Krauthoff verheiratet, der seit Oktober 2016 einen Doppelnamen trägt, und der Rest ging schnell: Sead Hasanefendic brachte den wie er handball-verrückten „Kraudi“ bei seinem neuen Verein ins Gespräch. Kleines Problem: Dieser Klub ist nicht eben um die Ecke angesiedelt, denn er heißt ThSV Eisenach, ist Aufsteiger in die 2. Liga und liegt fast 300 Kilometer weg von Gummersbach. Rein sachlich zögerte Krauthoff-Murfuni nicht lange, weil er das Angebot aus Thüringen für sehr wertvoll hielt, dort Co-Trainer der Ersten und Jugend-Koordinator zu werden. Der andere Punkt: Er musste dem TuS Derschlag kurzfristig und mitten in der Vorbereitung auf die neue Saison mitteilen, dass er seine Stellen als Jugendleiter und Sportlicher Leiter der Handball-Männer aufgeben wird. Trotzdem konnte er dem Ruf aus Eisenach nicht widerstehen.

Geschichtsträchtig: Markus Krauthoff-Murfuni hat sich natürlich in der Luther-Stadt Eisenach auch schon die Wartburg angesehen. (Foto: MKM)

Mehr zu schaffen machte ihm jedoch, dass er erneut Sonia und die acht Jahre alte Tochter Lola in Gummersbach zurücklassen musste. „Das ist aktuell ein bisschen schwierig“, sagt Krauthoff-Murfuni, der deshalb jede der durchaus nicht vielen freien Minuten für eine Visite im Oberbergischen nutzt. Was wunderbar passt: Sead Hasanefendic zieht es ebenfalls immer wieder nach Gummersbach, sodass die Herren im Auto eine Fahrgemeinschaft bilden und das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden können. Die eine oder andere Stunde bietet sich ja gleichzeitig an, um dienstliche Dinge zu besprechen, sodass der Kopf zu Hause fürs Private frei ist.

Markus Krauthoff-Murfuni wechselte als Spieler aus der Gummersbacher Jugend in den Seniorenbereich des VfL, kam dort jedoch nicht richtig zum Zug. In der deutschen Bundesliga spielte der Kreisläufer später etwa für die SG Solingen, Wallau-Massenheim und Pfullingen, ehe es ihn in die Schweiz zog. Hier ging er von Pfadi Winterthur zu den Kadetten Schaffhausen – um dort Co-Trainer der deutschen Handball-Legende Markus Baur zu werden. Fast klar: Beide führten die Kadetten unter anderem zur Meisterschaft. Das Kapitel Schweiz endete für „Kraudi“ im Sommer 2016, nachdem Baur bereits in der Winterpause von Bord gegangen war.

Der A-Lizenz-Inhaber Krauthoff-Murfuni sprudelt über vor Ideen, die den Handball allgemein nach vorne bringen können. Ein paar Stichpunkte: Jugend-Camps, Sichtungen, Zusammenarbeit mit Schulen, Handball-Abzeichen, Hanniball-Pass. Weil im Bereich Nachwuchs in vielen Vereinen offensichtlich ein größerer Nachholbedarf besteht, fühlt sich der Gummersbacher mit seinen Ideen in Thüringen ebenfalls bestens aufgehoben – da die allgemeine Lage nicht vom Bundesland abhängig ist. Hier ist der Trainer eher Praktiker: „Ich habe das Gefühl, in Deutschland musste du immer irgendwas aufschreiben. Strukturen musste du aber nicht aufschreiben, sondern einfach schaffen.“

„Dreierbande“: Co-Trainer Markus Krauthoff-Murfuni, Cheftrainer Sead Hasanefendic und Manager René Witte (von links) lenken die Geschicke der Eisenacher Zweitliga-Handballer. (Foto: ThSV Eisenach)

Begeistert ist „Kraudi“ davon, neben seiner Funktion als Jugend-Koordinator wieder mit einer Mannschaft im oberen Leistungsbereich arbeiten zu können. Der ThSV Eisenach spielt bislang als Aufsteiger eine grandiose Saison und konnte Spitzenteams wie TuSEM Essen oder den Hamburger SV Handball bereits nachhaltig ärgern. „Ich spüre wieder diesen Gänsehaut-Effekt und ich brauche das“, betont Krauthoff-Murfuni. Ein Beispiel: Gegen die HSG Konstanz gelang am vierten Spieltag in letzter Sekunde der Treffer zum 27:26-Sieg – und die Euphorie kannte danach keine Grenzen mehr in der Halle, die der Wahl-Thüringer als echten Handball-Tempel bezeichnet: „Es war eine gute Zeit in Derschlag, aber das hat mir gefehlt.“

Die aktuell erreichten 13:5 Punkte und der vierte Tabellenplatz sagen dem ThSV vor allem eins: Nichts – außer der Tatsache, dass die Mannschaft das Niveau für die 2. Liga mitbringt. „Wir haben noch einen langen Weg vor uns“, weiß Markus Krauthoff-Murfuni. Mit seinen Gedanken begibt er sich allmählich ohnehin wieder in den Tunnel, denn nach einem meisterschaftsfreien Wochenende rund um den „Tag des Handballs“ geht es jetzt wieder um Punkte. Der ThSV Eisenach tritt am Samstag zum Ost-Traditionsderby bei Erzgebirge Aue an. Kein Zweifel: „Kraudi“ gehört tatsächlich zu denen, die ständig unter Dampf stehen.