01. November 2019 | Zurück zur Artikelübersicht » |
Gummersbach. Es sind nur elf Buchstaben. Aber alleine der Name elektrisiert. Und den allermeisten fällt dabei immer noch zuerst jener Traditionsverein ein, der in seinen Glanzzeiten die Nummer eins in Deutschland war, vielleicht sogar in der ganzen Handball-Welt. Aber Gummersbach ist viel mehr als nur der VfL, der nicht erst durch den Abstieg aus der höchsten Klasse von einstigem Glanz verloren und sich gerade neu orientiert hat. Der Handball lebt auch zwei Etagen darunter – und wie. Wenigstens diesmal wird das Oberliga-Spiel zwischen dem HC Gelpe/Strombach und dem TuS Derschlag die Szene bestimmen. Der große Bruder hat seine aktuelle Meisterschafts-Aufgabe bereits erledigt und in der 2. Liga beim TSV Bayer Dormagen klar mit 28:22 gewonnen. Damit ist die Bühne frei für diejenigen, die ihrer Leidenschaft mit mindestens genauso viel Herzblut nachgehen. Wie passend: Beide Mannschaften sind ungeschlagen, beide treffen sich am Samstagabend zum Spitzenspiel – und das in der legendären Eugen-Haas-Halle, der einstigen Heimstätte der VfL Gummersbach, der inzwischen in der Schwalbe-Arena zu Hause ist. Gelpe, das sich aus Niedergelpe und Obergelpe zusammensetzt, ist ein Stadtteil von Gummersbach. Strombach ist ein Stadtteil von Gummersbach. Und Derschlag ist ein Stadtteil von Gummersbach – in dem gut 50000 Menschen leben. So viel Handball auf engstem Raum: Mehr Derby geht nicht. Nirgendwo in Deutschland.
Der junge HC Gelpe/Strombach entstand als Zusammenschluss der Vereine TV Strombach und TV Gelpetal. Im Jahr 2017/2018 nahmen zuerst die Jugendmannschaften beider Klubs als HC am Spielbetrieb teil, eine Saison später zogen alle anderen Teams nach. Trainer des Oberliga-Teams ist der Niederländer Michiel Lochtenberg, der mit seiner Mannschaft bisher eine geschickte Saison zeigt. Der HC ist erstens nicht aus Zufall bei 8:2 Zählern aus drei Siegen und zwei Unentschieden ungeschlagen. Zweitens bewegen sich Lochtenbergh und seine Spieler ein bisschen unter dem allgemeinen Radar. Heißt übersetzt: Sie verstehen es geschickt, keine zu hohen Erwartungen aufkommen zu lassen. Der Coach bleibt weitgehend bei der bekannten Zielformulierung: „Sicher wollen wir irgendwann hoch. Aber wir haben nie klar gesagt, dass wir in diesem Jahr unbedingt aufsteigen wollen. Wir wollen da oben mitspielen.“ Das lässt ziemlich alle Möglichkeiten offen. Tatsache ist, dass der 38-Jährige über eine gut besetzte Mannschaft verfügt.
Querverbindungen nach Derschlag gibt es in Hülle und Fülle. Eine davon ist Lochtenbergh selbst, der vor fünf Jahren vorübergehend Trainer des TuS und anschließend für die Kombination Handball Sport Gummersbach/Derschlag in der 3. Liga war. Eine andere ist der erfahrene Rückraumspieler Tim Hilger, der seine Tore einst für den Drittligisten Leichlinger TV erzielte und 2017 ins Bergische zurückkehrte – zum TuS Derschlag. Seit dem Anfang dieser Saison stellt der 35-Jährige nun seine Qualitäten den Strombachern zur Verfügung. Von der Zusammenarbeit scheinen beide zu profitieren.
Was im Derby auf die Gastgeber zukommt, ist Lochtenbergh klar: Es ist ein ungewöhnliches Prestigeduell, das beide dringend für sich entscheiden wollen. Dabei wird es seiner Ansicht nach ebenso herzhaft wie sportlich fair zugehen: „Alle sind hier sehr verwurzelt. Und viele von den Jungs sind auch untereinander befreundet.“ Die Chancen sehen sie bei den Hausherren ziemlich verteilt, weil sie besonders die erste Sechs aus Derschlag für bärenstark halten und bei sich selbst in der Breite Vorteile sehen. Mit dem Blick auf die weitere Saison beweist Michiel Lochtenbergh dann noch, dass er über viel Humor verfügt: „Leider spielen wir nicht alleine in dieser Liga. Dann wäre vieles einfacher.“
Natürlich hat Derschlags Trainer Ralph Weinheimer eine sehr spezielle Verbindung zum VfL und Gummersbach, weil er dort seine Jugendzeit als Handballer verbracht hat. Deshalb kennt er jeden Winkel in der Eugen-Haas-Halle, in die er jetzt in verantwortlicher Position zurückkehrt. „Dieses Derby wird eine coole Nummer“, glaubt Weinheimer, der die Partie fast als Pflichttermin für jeden Handball-Fan in der Gegend sieht – und die Hausherren diesmal in der Favoritenrolle: „Sie haben ein über Jahre eingespieltes Team und für diese Saison noch Qualität dazubekommen. Sie sind uns eine Nasenlänge voraus, weil unser Kader nicht breit genug ist.“ Beim 33:33 gegen die HSG Refrath/Hand unmittelbar vor der Herbstpause waren es vor allem die Tore von Michael Romanov (11) und Norman Krause (13/2), die dem TuS letztlich das Unentschieden brachten. Gegen Ende war außerdem Torhüter-Routinier Axel Sierau (49) als eine der Führungsfiguren beim TuS mit entsprechenden Paraden zur Stelle.
Die kurze Dienstreise in die Eugen-Haas-Halle ist für den TuS so etwas wie der Start in die Wochen der Wahrheit. Das fordernde November-Programm bringt insgesamt vier Punktspiele mit dem Abschluss am 30. November beim aktuellen Tabellenführer Pulheim. Dazwischen liegt am 23. November das Mittelrhein-Pokalfinale gegen den Regionalligisten HC Weiden. „Wir haben ein paar dicke Bretter vor der Brust“, betont Weinheimer. Eins dieser Bretter ist das Derby gegen Gelpe/Strombach, auf das er sich unabhängig vom Ergebnis sehr freut: „Das wird eine Werbung für Gummersbach und den Handball. Das ist ein Highlight.“ Dazu passt perfekt, dass sich die beiden Mannschaften nach der Partie wohl zum gemeinsamen Essen treffen werden.
Im Schatten des Top-Duells will der Tabellenführer Pulheimer SC versuchen, beim HC Weiden II den Platz an der Sonne zu verteidigen. Der TSV Bayer Dormagen II, der seine Ambitionen zum Aufstieg bisher am offensivsten dargestellt hat, gilt gegen den sieglosen Klassen-Neuling BTB Aachen II als klarer Favorit. Der TuS 82 Opladen II, ein weiterer Aufsteiger, startet mit dem neuen Coach Dennis Breuer (Nachfolger des entlassenen Oliver Dorn) gegen den MTV Köln mit Trainer Moritz Adam in die Mission Klassenerhalt.