Oberliga Niederrhein
Umbau in Königshof: Die neuen Adler sind flugtauglich
Die Krefelder haben sich nach dem Abstieg neu sortiert und ein junges Team zusammengestellt. Sebastian Bartmann ist für Trainer Marius Timofte viel mehr als nur ein starker Kreisläufer.

Mitten im Getümmel: Sebastian Bartmann (Nummer 21) kann als Kreisläufer immer mindestens zwei Gegenspieler gut beschäftigen. (Foto: Herbert Mölleken)

Das ist die Lage am 5. Mai: Die DJK Adler Königshof ist vor dem letzten Saisonspiel in der Regionalliga Nordrhein nicht mehr zu retten und sie muss in die Oberliga absteigen. Vor dem 37:37 gegen den VfB Homberg wäre theoretisch wenigstens der vorletzte Platz noch erreichbar gewesen, doch die Adler beenden die Serie ausgerechnet im Jubiläumsjahr, in dem der Verein 100 wird, mit insgesamt enttäuschenden 16:36 Punkten als Schlusslicht. Doch die Lichter gehen in Krefeld nicht etwa aus – im Gegenteil. Ein halbes Jahr darauf ist von Depression nichts zu spüren. Irgendwie haben sie den Reset-Knopf gefunden und in manchen Bereichen vieles auf neu gestellt – nicht zuletzt in der Mannschaft, die das Adler-Konzept 2.0 ist. Zwei der prägenden Figuren bei den Königshofern sind in der Szene bestens bekannt: Trainer-Fuchs Marius Timofte, der Anfang 2019 für den zurückgetretenen Goran Sopov kam, und Sebastian Bartmann, der seit 2018 als Kreisläufer an Bord und in der Handball-Welt ein echtes Schwergewicht ist. Wenn sie gemeinsam auf ihre bisherige Bilanz in der neuen Saison blicken, dürfen sie einverstanden sein: Rang vier und ist mehr, als alle beim Umbau erwartet haben. Die Adler, denen als Greifvogel eine extrem gute Sehschärfe bei der Jagd nachgesagt wird, haben einen klaren Blick auf die Zukunft. „Wir brauchen eine junge Mannschaft, die Spaß macht“, betont Bartmann.

Mit Herz und Leidenschaft: Trainer Marius Timofte hat im Handball schon eine Menge erlebt. Das gibt er inzwischen gerne an die Adler weiter. (Foto: Herbert Mölleken)

Mit seinen 28 Jahren gehört er zur kleinen Fraktion der erfahrenen Kräfte im Team, das mit einem Durchschnittsalter von 23,4 Jahren unterwegs ist. Den Ausreißer nach oben liefert Keeper Florian Lindenau (39), der Timoftes Laden gemeinsam mit Bartmann zusammenhalten soll – und das in der Realität oft perfekt umsetzt. Beispiel: Als die Adler am 29. September beim TV Lobberich mit 31:28 gewinnen, ist der Keeper mit seinen zahlreichen starken Paraden der Mann des Tages. Bartmann beteiligt sich mit für ihn eher durchschnittlichen fünf Treffern (davon vier per Siebenmeter), während Rückraumspieler Niklas Funke mit neun Toren die Werfer-Bestmarke setzt. Mittelmaß ist Funke lediglich in der internen Altersstruktur, denn seine 24 Jahre liegen ziemlich dicht am Durchschnittswert der Mannschaft. Ein Altersgenosse für Bartmann ist Rechtsaußen Florian Niehoff, während Spieler wie die nach Königshof zurückgekehrten Elias Eiker (19/Rückraum rechts) und Lars Auth (21/Linksaußen) zur Abteilung Jugend forscht gehören.

In seiner Zeit beim damaligen Drittligisten SG Ratingen bildete Sebastian Bartmann an der Seite von Damian Janus (heute beim Zweitliga-Aufsteiger HSG Krefeld unter Vertrag) einen Abwehr-Innenblock der besonders kompromisslosen Art. Vorne setzte er bereits damals seine enormen körperliche Präsenz gewinnbringend für seine Mannschaft ein – woran sich bis heute nichts geändert hat. Mitte 2017 verabschiedete sich Bartmann (wie Janus) nach vier Jahren aus Ratingen, um aus familiären Gründen kürzerzutreten. Klar: Weil er allerdings vom Handball nicht lassen konnte, schloss er sich dem Oberligisten TV Krefeld-Oppum an. Ein Jahr darauf nahm er das Angebot der DJK Adler Königshof an, weil ihn die sportliche Herausforderung in der Regionalliga Nordrhein reizte.

Obwohl am Ende der für alle Beteiligten enttäuschende Weg zurück in die Oberliga stand, hat Bartmann den Wechsel nicht bereut: „Hier habe ich ein Super-Komplett-Paket.“ Da ist zunächst der Standort-Vorteil: Sebastian lebt inzwischen mit seiner Frau und den zwei Kindern nur 800 Meter von der Adler-Halle entfernt.  Zweitens: Im besten Handballer-Alter geht er seinem Sport auf einem sehr vernünftigen Niveau nach. Und drittens: Bartmann kann seine reichhaltige Erfahrung weitergeben. Alles zusammen macht ihm derart viel Spaß, dass er sich fast nichts anderes mehr vorstellen mag. „Wir trainieren ja dreimal die Woche und ich habe jedes Mal richtig Bock drauf.“ Jene Intensität scheint sich immer mehr auf die Mannschaft zu übertragen, an deren Zusammenstellung Bartmann nicht ganz unbeteiligt war. Trainer Timofte und der Spieler Bartmann durchsuchten ihr jeweiliges Netzwerk, steckten die Köpfe zusammen – und holten unter dem Strich acht Neue nach Königshof. Einige haben ihre Wurzeln bei den Adlern und die Hälfte des Teams kann mit dem Fahrrad zum Training kommen. Bartmann bringt den Kurs auf den Punkt: „Wir haben nach der vergangenen Saison an sportlicher Qualität verloren, aber viel gute Stimmung gewonnen.“

Ein perfektes Duo: Adler-Trainer Marius Timofte weiß, dass er sich auf Sebastian Bartmann (von rechts) hundertprozentig verlassen kann. Der Kapitän ist auf dem Spielfeld sein verlängerter Arm. (Foto: Herbert Mölleken)

Die neuen Adler brauchen Zeit, um sich zu entwickeln und zu festigen. Bis zum vergangenen Wochenende war Königshof mit nur einer Niederlage (24:25 am ersten Spieltag gegen den VfB Homberg) der erste Verfolger des Mit-Absteigers HC Wölfe Nordrhein. Dann verlor Timoftes Mannschaft beim Titelkandidaten LTV Wuppertal unter anderem deshalb mit 30:34, weil zu viele Chancen ungenutzt blieben. Bartmann hat intensiv in die Statistik geschaut: „Wir haben 16 freie Würfe vergeben.“ Das war in der Analyse tatsächlich ein bisschen ärgerlich, doch 10:4 Punkte liegen weiter deutlich über dem Soll: „Wir sind alle sehr zufrieden damit, was wir bis jetzt erreicht haben. Die Mannschaft hat einen unglaublichen Schritt nach vorne gemacht.“ Für diese Saison bleibt ohnehin der Klassenerhalt das einzige Saisonziel – als Basis dafür, dann die nächsten Schritte in Angriff zu nehmen. „Wenn wir zusammenbleiben, können wir in zwei oder drei Jahren vielleicht wieder an die Regionalliga denken“, meint Bartmann.

Bei den Adlern hat sich der Kreisläufer jetzt auch in den neuen Vorstand aufnehmen lassen. Dort bringt er seinen Handball-Verstand als Zeugwart ein – was ein bisschen nach 70er-Jahre-Sprachregelung klingt. Tatsächlich kümmert er sich auch darum, dass die Adler-Mannschaften in einheitlichen Trikots auflaufen. Ebenso wichtig ist allerdings die beratende Funktion mit Blick auf die Gesamt-Entwicklung des Vereins. Und dann bleibt da ja die eigene Spieler-Karriere: „Ich spiele so lange, wie es geht. Im Moment habe ich gar keinen Gedanken, aufzuhören.“ Ein Gedanke für die Zeit danach ist aber natürlich längst da: Sebastian Bartmann kann sich sehr gut vorstellen, irgendwann die Seite zu wechseln und als Trainer zu arbeiten. Auch das ist ein relativ scharfer Blick in die Zukunft. Wie es sich für einen Adler gehört.