Oberliga Mittelrhein
Dormagens Freddy Rudloff: „Ich liebe es, unter Strom zu stehen“
Der Coach des TSV Bayer II ist Lehrer und Trainer aus Leidenschaft. Von seinen Spielern verlangt er viel, aber der Aufstieg in die Regionalliga ist (noch) kein Muss.

Der mit dem kritischen Blick: Dormagens Trainer Freddy Rudloff stellt an sich selbst und an seine Mannschaft hohe Ansprüche. (Foto: Thomas Schmidt)

In einem haben Frederic Rudloff, den die meisten einfach Freddy nennen, und seine Mannschaft allen anderen etwas voraus: Die Halle im Sportzentrum des TSV Bayer Dormagen an der Römerziegelei gehört definitiv zu den schönsten Handball-Adressen in Nordrhein-Westfalen. Irgendwie scheint die tolle Umgebung auch den Aufstieg zu fordern – vielleicht mittelfristig sogar den der Ersten, die sich inzwischen (wieder) in der 2. Liga etabliert hat und einen passenden Unterbau bekommen soll. Dafür ist als Chefcoach Rudloff zuständig, der mit dem TSV Bayer II (noch) in der Oberliga Mittelrhein zu Hause ist. Dass manche sein junges Team vor dem Beginn dieser Saison mit dem Prädikat „Top-Titelfavorit“ versehen haben, findet er trotzdem reichlich übertrieben. Er definiert das Ziel anders: „Die Mannschaft soll aufsteigen. Wir verstärken uns, um anzugreifen. Wenn du mich fragst, geht das aber höchstens dann, wenn alles passt.“ Eine Übersetzung könnte lauten: Es gibt zu viele Unwägbarkeiten, lasst uns in Ruhe arbeiten.

Bislang ist Bayers Zweite ziemlich reibungslos durch die Saison gekommen, denn bis auf das 28:30 vom zweiten Spieltag gegen den TuS Derschlag, der eine Favoritenrolle ja ebenfalls ablehnt, gab es sieben ungefährdete Siege – den höchsten mit dem 35:19 über den MTV Köln, den knappsten direkt am ersten Spieltag mit dem 34:29 beim SC Fortuna Köln. Die größte Enthaltsamkeit trug Bayers Zweite mit dem 25:19 beim SSV Nümbrecht und jetzt am vergangenen Wochenende mit dem 24:18 beim TuS 82 Opladen II vor. Auffällig: Die Torhüter Jonas Vieker und Cornelius Dahmen rührten zusammen mit dem Abwehrverbund davor erneut Beton an. Die insgesamt 184 Gegentreffer aus acht Begegnungen sind der mit klarem Abstand beste Wert der Klasse und bedeuten einen Schnitt von nur 23 Toren pro Partie. Der Dormagener Angriff braucht sich ebenfalls nicht zu verstecken, denn er steht hinter dem HC Gelpe/Strombach (250) auf dem zweiten Platz (248). Mit dem Torverhältnis von plus 64 (248:184) stellt der TSV Bayer II selbst den ungeschlagenen Spitzenreiter Pulheimer SC in den Schatten (15:1 Punkte/236:96 Tore/plus 40).

Rohdiamant eins: Ali Kinanah (mit Ball) bringt extrem viel Dynamik aufs Feld. (Foto: Thomas Ellmann)

Das alles weiß Rudloff natürlich und er registriert es durchaus mit Zufriedenheit. Trotzdem sieht der 32-Jährige, im Hauptberuf Lehrer für Sport, Religion und Mathematik, einige Baustellen, die es zu bearbeiten gilt. Einer der Punkte: Er hat seinen 17 Spieler umfassenden Kader nicht so richtig oft zusammen. Bisweilen gibt es im Training lediglich eine reduzierte Besetzung, sodass sich wettkampfähnliche Situationen in Abwehr und Angriff nur schwierig nachstellen lassen. Ein anderes Thema: Rudloff, der im Grunde ja Spielertrainer ist und deshalb manchmal noch als Aktiver auf dem Spielberichtsbogen auftaucht, muss sich meist als eine Art Mädchen für alles betätigen. Unter anderem gehen organisatorische Dinge, die rund um eine Meisterschafts-Begegnung zu erledigen sind, über seinen Schreibtisch. Während sich manche Kollegen hauptsächlich um die rein sportlichen Belange einer Handball-Mannschaft zu kümmern haben, fordert Rudloffs Tätigkeit einen breiteren Zeitrahmen. Darum genießt er es doppelt und dreifach, wenn er mal frei hat – was tatsächlich nicht so oft vorkommt. Das ständige Gefordert-Sein macht ihm in der Summe übrigens ziemlich wenig aus: „Ich liebe meinen Lehrer-Job und ich liebe das Trainer-Dasein. Ich liebe es auch, ständig unter Strom zu stehen.“

In einer abgemilderten Form mag er das so ähnlich bei den Spielern sehen – und zwar in jeder Einheit. Das Credo: Wir treffen uns hier nicht, um miteinander eine Tasse Kaffee zu trinken. Freddy Rudloff bezeichnet sich selbst als Fan des sehr strukturiert aufgebauten Handballs, in dem jeder gewisse „Entscheidungs-Freiheiten“ besitzt. Einen Spieler mit überdurchschnittlichen Qualitäten in diesem Bereich könnte er sich in der Mannschaft sehr gut vorstellen: „Ich würde nicht nein sagen.“ Daraus folgt, dass der Coach beim aktuellen Team in diesem Bereich Luft nach oben sieht. Einfach einen von außen an Land ziehen, sieht er wegen des aus seiner Sicht verhältnismäßig kleinen Budgets nicht als Option. „Wir bieten dafür gutes Training an“, betont Rudloff, der junge Spieler gerne in deren Entwicklung fördern will. Zwei Belege dafür, dass die Anbindung an „die da oben“ reibungsloser funktionieren kann als früher, sind Jan Reimer (18) und Ali Kinanah (22). Beide halfen am Samstag zunächst der TSV-Zweiten, die Oberliga-Partie in Opladen zu gewinnen. Reimer war am 24:18 mit vier Treffern beteiligt, während der individuell sehr starke Kinanah zwei Tore beisteuerte. Dann eilten die beiden Nachwuchskräfte direkt die paar Kilometer nach Hause, denn sie standen im Zweitliga-Kader von Trainer Dusko Bilanovic und erlebten den hart erkämpften 27:24-Sieg über den HC Elbflorenz aus Dresden mit.

Rohdiamant zwei: Auch der erst 18 Jahre alte Jan Reimer atmete am vergangenen Wochenende schon Zweitliga-Luft in Dormagen. (Foto: Thomas Ellmann)

Mit seinen 32 Jahren ist Freddy Rudloff auf der einen Seite nah an den Spielern dran. Auf der anderen hat er wenig Probleme damit, im Training die Grenzen auszuloten: „Ich bin ein Schleifer und verlange absolut hundert Prozent Einsatz. Wir verfolgen ganz klar einen Leistungsgedanken.“ Seit 2011 ist Rudloff inzwischen in verschiedenen Funktionen für Dormagen tätig und sein Plan bleibt es, die Zweite zusammen mit seinem Co-Trainer Jan Lück Stück für Stück stärker in den Fokus zu rücken: „Es ist besser geworden, wir reden viel.“ Ganz auf die Karte Sport setzen mag der Handball-Verrückte übrigens trotz allen Einsatzes nicht. „Die Bundesliga brauche ich als Trainer nicht unbedingt“, sagt Rudloff, „ich bin eigentlich ein Sicherheitsfanatiker.“ Deshalb sei gerade die Kombination aus Lehrer-Stelle und Trainertätigkeit ein idealer Zustand – zumal ja ohnehin in beiden Bereichen gute pädagogische Fähigkeiten gefragt sind.

Vielleicht wissen sie in Dormagen bis Mitte Januar 2020 eher, wohin der Weg in dieser Saison gehen könnte. Am 1. Dezember etwa trifft die Bayer-Zweite auf die HSG Refrath/Hand (mit dem Ex-Dormagener Jonathan Benninghaus), die im Kampf um eine der Top-Positionen keinen weiteren Boden verlieren darf. Sehr anspruchsvoll wird auch die Aufgabe beim Vierten HC Gelpe/Strombach (7. Dezember), der ebenfalls zu den Verfolgern des Spitzenreiters Pulheim gehört. Nach dem Jahres-Abschluss 2019 gegen den TV Birkesdorf (14. Dezember) beginnt das Jahr 2020 mit dem Heimspiel gegen den Aufsteiger HC Weiden II (10. Januar), ehe die Hinrunde mit dem Spitzenspiel gegen Pulheim endet (18. Januar). Steht Dormagen II dann immer noch mit oben, wird eine Position um Platz drei oder vier als offizielle Zielsetzung wohl zu wenig sein.  Und Freddy Rudloff, der die Favoritenrolle auf dem weiten Weg durch die Saison so überhaupt nicht mag, würden sich vermutlich liebend gerne korrigieren. Dann gäbe es an der Römerziegelei im „schlimmsten“ Fall eben doch schon 2020/2021 Handball auf Regionalliga-Niveau.