Oberliga Mittelrhein
„Imis“ willkommen: Die Handball-Familie aus der Südstadt
Der SC Fortuna Köln ist kein Club wie jeder andere. Ohne Jugendabteilung und mit wenigen Mitteln muss der Verein eigene Wege zum Erfolg finden.

Lagebesprechung: Trainer Stephan Schulze (Mitte) kennt sich als Organisator in verschiedenen Rollen aus. (Foto: Thomas Schmidt)

Der Kölner an sich, so heißt es, zeichnet sich in den meisten Lebenssituationen durch ein hohes Maß an Toleranz aus – auch und vor allem gegenüber Ortsfremden. Wer nicht gerade den Fehler begeht, am Rosenmontag auf der Domplatte ungeschminkt ein Altbier zu öffnen, hat zumeist keine Probleme, von den Einheimischen akzeptiert zu werden. Vertiefte Kenntnisse von Kultur und Sprache werden für die Integration nicht vorausgesetzt, sondern kommen mit der Zeit beinah automatisch. Nichts anderes gilt grundsätzlich im Handball, der als Mannschaftssport ja ohnehin vom Sinn für Zusammenhalt lebt. Und so macht manch einer aus der Not eine Tugend – wie die Handballer des SC Fortuna Köln. Der Verein, der mit seiner ersten Herrenmannschaft in der Oberliga und mit den ersten Damen in der Regionalliga auf gehobenem Niveau unterwegs ist, hat durchaus mit schwierigen Rahmenbedingungen zu kämpfen. Eines der Probleme: Im ganzen Verein existiert keine Jugendmannschaft. „Wir haben hierfür leider keine Hallenzeit“, sagt Stephan Schulze, Trainer der Oberliga-Herren. Daher rekrutieren die Senioren-Teams sich im Grunde aus Handball-„Imis“, wie der Kölner in seiner Mundart die Zugezogenen nennt. Oft sind es Studenten. Oder einfach Leute, die über persönliche Kontakte den Weg in die Südstadt gefunden haben.

Genauso ging es Schulze, als er 2010 von der HGV Hürth-Gleuel zur Fortuna kam. Dabei war sein erstes Engagement in der Domstadt nur folgerichtig, denn dem heute 31-Jährigen liegt der Kölner Handball in der DNA: „Meine Mutter hat früher bei den Cologne Kangaroos gespielt – mein Vater war ihr Trainer.“ Der junge Stephan konnte somit gar nicht ohne Ball aufwachsen. In seinem damaligen Wohnort machte er beim TuS Grevenbroich früh seine ersten Schritte, durch Umzüge mit der Familie ging es über den HV Erftstadt noch in der Jugend nach Hürth. Als das Herren-Team des HGV später in die Kreisliga abstieg, musste noch einmal eine sportliche Herausforderung her. „Jannusch Frontzeck hat mich dann mit zur Fortuna genommen, die damals in der Verbandsliga gespielt hat“, erinnert sich Schulze, der sofort voll im Verein ankam: „Ich mag die Südstadt und ich mag die Fortuna. Das ist ein typischer Studentenverein. Hier bekommt kein einziger Spieler Geld und trotzdem können wir viele Leute halten, weil es bei uns menschlich einfach stimmt.“

Neben seiner Position im Rückraum engagierte sich Schulze zunächst als Trainer der zweiten Damenmannschaft. Nach zwei Bandscheibenvorfällen trat Stephan Schulze ab 2017 als Spieler kürzer, zumal die ersten Herren zwischenzeitlich den Aufstieg in die Oberliga geschafft hatten: „Das musste ich meinem Körper dann nicht mehr antun.“ In der höheren Klasse hatte der Rückraumspieler bereits einmal die Perspektive gewechselt – von der halblinken auf die Mittelposition. „In der Verbandsliga kannst du mit 1,80 Metern noch auf halb spielen. Manche können das auch in der Oberliga. Ich gehörte nicht dazu“, erzählt Schulze mit einem typisch kölschen Augenzwinkern. Klarer Fall: Seine Zeit bei der Fortuna war noch lange nicht abgelaufen und neben seinen neuen Aufgaben als Co-Trainer engagierte sich Schulze immer weiter neben dem Platz.

Multitalente: Roman Stabauer gehört als stellvertretender Abteilungsleiter zu den Mitgliedern, die auf und neben dem Platz Verantwortung tragen. (Foto: Thomas Schmidt)

„Wir hatten teilweise wirklich Probleme, die Spieltage zu organisieren. Da konnte es vorkommen, dass wir eine Stunde vor dem Spiel gefragt haben: ‚Wer macht heute eigentlich den Zeitnehmer?‘ Das kann vielleicht in der Kreisliga passieren, aber doch nicht in der Oberliga“, findet Schulze, der gemeinsam mit anderen Mitstreitern die Aufgaben nach und nach auf viele Schultern verteilte: „Wir haben jetzt ein tolles Team und ich glaube den jüngsten Vorstand der Liga. Viele davon spielen selbst noch. Und auch im ganzen Verein zieht jeder mit. Es ist einfach unheimlich wichtig, dass auf die Frage, wer jetzt die Halle putzt, nicht alle verschwinden, sondern direkt vier oder fünf Hände hochgehen.“

Im November 2018 folgte für Stephan Schulze der nächste Schritt im Verein: Weil Trainer Kamel Fekih berufsbedingt seinen Posten räumen musste, rückte der „Co“ zum Mann ganz vorne auf. Nach dem relativ sicheren Klassenerhalt in der vergangenen Saison könnte die Gegenwart für das Oberliga-Team durchaus etwas besser aussehen. 5:13 Punkte sind die Ausbeute aus neun Spielen, die gerade einmal für den Platz direkt über dem (Abstiegs-)Strich reicht. Für Schulze ist das kein Zustand: „Eigentlich muss mit dieser Mannschaft das Ziel ein einstelliger Tabellenplatz sein. Leider haben uns ein paar Verletzungen zurückgeworfen. Deswegen wollen wir aus den drei Spielen vor Weihnachten noch vier Punkte holen.“ Dabei hängt die Messlatte gerade am kommenden Samstag gegen den Titelkandidaten und frisch gebackenen Mittelrheinpokalsieger TuS Derschlag besonders hoch. Der Trainer bleibt aber optimistisch: „Das wird natürlich eine harte Aufgabe. Aber wir haben im Anschluss Weihnachtsfeier. Und wir spielen zu Hause. Da sind die Jungs immer gut drauf.“

Abgeblockt: Thiemo Kruse (beim Wurf) und die Fortuna hängen ihren Ansprüchen in der aktuellen Saison noch hinterher. (Foto: Thomas Schmidt)

Auch in Zukunft werden sie bei der Fortuna schwierige Rahmenbedingungen durch hohen persönlichen Einsatz ausgleichen müssen. „Wir haben es jetzt geschafft, dass einmal in der Woche ein Physio zu uns kommt“, freut sich Schulze. Fast im selben Atemzug rechnet der Coach vor, dass sein Team nur dienstags und mittwochs trainieren kann – und sich die Halle am Dienstag zudem mit der eigenen Zweiten teilen muss. Wer mit Stephan Schulze über die Fortuna spricht, bekommt trotzdem keine Zweifel daran, dass sie in der Südstadt als Familie noch einiges vorhaben. Auch über den Handball hinaus. „Da ist mir mein Trauzeuge auch nicht böse, wenn er im Training 50 Liegestütze machen muss“, berichtet Schulze und meint Thorben Marquart, den Kreisläufer, der als Geschäftsführer ebenfalls noch Mitglied der Abteilungsleitung ist. Gemeinsam werden sie daran arbeiten, weiterhin aus jeder Not eine Tugend zu machen – und jeden „Imi“ gerne willkommen heißen.