Oberliga Mittelrhein/Oberliga Niederrhein
Trainer-Leiden: Auch Tackes Hornissen und Molsners Wölfe hats erwischt
Im gesamten Verbreitungsgebiet der Harzhelden gibt es keine Mannschaft mehr ohne Niederlage. Ohne einen einzigen Punkt steht nur noch der TK Nippes da.

Zeichensprache: Pulheims Trainer Kelvin Tacke wird seiner Mannschaft eindringlich erläutern, wie die Dinge funktionieren können – und wie eben nicht. (Foto: Thomas Schmidt)

Jetzt hat sich auch das erledigt. Bisher waren diese beiden Mannschaften ja Leuchttürme im Verbreitungsgebiet der Harzhelden, weil sie noch keine einzige Niederlage auf dem Konto hatten. Dann stellten sich am zehnten Spieltag der Hinrunde die neuen Leiden des Thomas M. und des Kelvin T. ein. Die Pulheimer mit Trainer Tacke hatten eine Woche zuvor erst das Spitzenspiel der Oberliga Mittelrhein beim TuS Derschlag überzeugend gewonnen (29:24), ehe sie jetzt zu Hause ebenso überraschend wie verdient gegen den Longericher SC den Kürzeren zogen (21:24). Sollte es eine Schmerz-Skala für Niederlagen geben, traf es den HC Wölfe Nordrhein mit Trainer Molsner in der Oberliga Niederrhein allerdings deutlich härter – weil er mit dem 18:27 beim neuen Zweiten Borussia Mönchengladbach eine echte Bruchlandung produzierte. Vielleicht hatte es sich eine Woche zuvor beim extrem mühseligen 23:22 über den gefährdeten Aufsteiger HSG Hiesfeld/Aldenrade sogar angedeutet, dass es die Wölfe bald mal erwischen könnte. Thomas Molsner ist jedenfalls nicht gewillt, einfach zur Tagesordnung überzugehen.

Schon am Abend nach dem Spiel, dessen Verlauf nicht richtig gut zur folgenden team-internen Weihnachtsfeier passte, hatte der Wölfe-Coach einen klaren Plan: „Wir müssen uns schleunigst zusammensetzen und überlegen, ob wir alle das gleiche Ziel haben.“ Und zwei Tage darauf bleibt der erfahrene Coach dabei, die Angelegenheit nicht als einmaligen Ausrutscher abzuhaken: „Damit bagatellisierst du, was passiert ist.“ Seiner Ansicht nach machten die Mönchengladbacher in allen Bereichen vor, wie es gehen kann – durch Mut, Leidenschaft, Disziplin. „Hut ab davor“, fand Molsner, dessen Mannschaft genau jene Tugenden streckenweise komplett vermissen ließ. Eine der Ausnahmen im tristen Grau war Alexander Grefer, der vorne als Kreisläufer wie hinten im Deckungszentrum beispielhaft rackerte. Was dabei für sich sprach: Grefer ist ja der spielende Teil des Trainerduos, das er bei den Wölfen mit Molsner bildet. Auf Grefers Konto gingen zwei der nur 18 Gäste-Treffer, die alleine sechs Mal durch Siebenmeter erfolgreich waren. Damit blieben lediglich zwölf Feldtore – ziemlich kümmerlich und total indiskutabel für ein Top-Team.

Klar ist: Die Wölfe haben bei 17:3 Zählern unverändert gute Chancen, als Winter-Meister in die Pause über Weihnachten und Neujahr zu gehen. Molsner traut das dem Team, das sich am Anfang offen zu seinen Titel-Ambitionen bekannt hat, natürlich weiter zu – falls es künftig wieder seine alten Qualitäten aufs Feld bringt. Besonders der defensive Wert mit nur 24,1 Gegentreffern pro Partie ist Ligaspitze und die jüngste Magerkost im Angriff war eher untypisch. Dass der Tabellenführer die 30-Tore-Grenze durchaus auch in Duellen mit Kontrahenten von oben knacken kann, zeigte das 31:28 am achten Spieltag bei der DJK Adler Königshof – als die Welt noch völlig in Ordnung war. Um die nach wie vor sehr anständige Ausbeute zu festigen, wollen/müssen sich die Wölfe wieder steigern. „Jetzt kommen die Crunch-Spiele“, meint Molsner, der damit wegweisende Begegnungen meint. Der Rest der Hinrunde hat es tatsächlich in sich, denn zum Jahres-Ausklang wartet am kommenden Samstag zunächst die Aufgabe gegen den kaum zu kalkulierenden Achten Mettmann-Sport. Noch mehr ans Eingemachte geht es im neuen Jahr beim Dritten LTV Wuppertal (12. Januar) und gegen den Vierten TV Lobberich (18. Januar).

Er weiß es doch nicht: Trainer Thomas Molsner (links) und Torhüter Björn Otterbach werden kaum vom Schiedsrichter hören, wie sie wieder den alten Schwung vortragen können. (Foto: Thomas Ellmann)

Einen Hauch weniger bedient könnte Kelvin Tacke nach der ersten Niederlage der Hornissen sein. Der Pulheimer Coach, der wie Molsner als Mitglied im Ü-50-Klub im Handball längst alles erlebt hat, war offensichtlich vorher auf der richtigen Fährte – weil er trotz des Höhenfluges mit 17:1 Punkten immer seine eigene Philosophie verfolgte: Vorsicht ist das Gebot der Stunde, denken wir lieber von Spiel zu Spiel. Das Geschehen beim 21:24 gegen Longerich II dürfte er aber sehr gerne aus einem Gedächtnis streichen wollen – weil es exakt so kam, wie er das für einen Zeitpunkt X befürchtet hatte: „Allen Warnungen zum Trotz haben wir nicht die Einstellung gebracht, die nötig war. Es war eine verdiente Niederlage, die mich in meiner Einschätzung zu unserer Tabellen-Situation bestätigt.“ Parallele zu den Wölfen vom Niederrhein: Die Hornets stellen mit 24,4 Gegentreffern pro Partie die stärkste Abwehr der Liga und vorne sind andere wirkungsvoller.

Pulheim bietet sich ebenfalls die Chance, an der Tabellenspitze zu überwintern. Dazu wird allerdings am Sonntag ein Sieg beim MTV Köln nötig sein, weil der auf einen Punkt herangerückte HC Gelpe/Strombach beim TK Nippes als haushoher Favorit gilt. Gelpe/Strombach mit dem niederländischen Trainer Michiel Lochtenbergh hat „seine“ erste und bislang einzige Niederlage bereits hinter sich – mit dem 29:33 am sechsten Spieltag im Derby gegen den TuS Derschlag. Zusammen mit der jüngst überzeugenden Leistung beim 32:26 gegen den TSV Bayer Dormagen II ist kaum vorstellbar, wie der neue Zweite in Nippes stolpern soll. Das Schlusslicht hat mit sechs Punkten Rückstand zum rettenden Ufer bereits den Anschluss verloren – zehn Spiele, zehn Niederlagen, 0:20 Zähler, 210:286 Tore. Damit besitzen selbst die Kölner mit Trainer Stefan Tuitje eine Art Rekord, auf den sie jedoch ganz sicher lieber verzichten würden: Kein anderes Team aus dem Verbreitungsgebiet der Harzhelden steht ohne einen einzigen Zähler da – nicht in der 3. Liga, nicht in der Regionalliga, nicht in der Oberliga Niederrhein. Hier handelt es sich also um die alten Leiden des Stefan T. und Nippes wird es auch sehr schwer haben, diesen Zustand zu ändern.