04. Januar 2020 | Zurück zur Artikelübersicht » |
Vermutlich haben alle in der Pause über Weihnachten und Neujahr noch einmal alles sacken lassen. Die möglicherweise ruhigeren Stunden könnten den einen oder anderen vielleicht dazu verleitet haben, noch eine zusätzliche Flasche Sekt aus dem Kühlschrank zu holen. Das gilt natürlich zuerst für die Top-Teams wie den Tabellenführer TuS 82 Opladen und den Zweiten TVK, die sich ganz vorne ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefern, in dem die Opladener mit 18:4 Punkten zurzeit zwei Zähler besser liegen. Die beiden Kontrahenten, die viel Respekt voreinander haben, verfolgen eine nahezu identische Handball-Philosophie – in deren Mittelpunkt die Mannschaft steht. Markus Sonnenberg, der spielende Sportliche Leiter des TuS 82, brachte es beim 26:23 gegen den TV Rheinbach zum Abschluss der Jahres 2019 noch einmal präzise auf den Punkt: „Wir leben nicht nur von der individuellen Klasse unserer Spieler, sondern von einem unglaublichen Teamspirit.“ Das könnte TVK-Trainer Dirk Wolf nahezu blind unterschreiben. Auch bei ihm gewinnen oder verlieren nicht einzelne Spieler eine Partie, auch er bevorzugt den geschlossenen Auftritt.
Der TuS 82 gewann am 28. September in der Korschenbroicher Waldsporthalle das auf hohem Niveau stehende Duell zweier Titelkandidaten knapp mit 24:23 – und liegt deshalb auch verdient vorne. Nach 12:0 Zählern aus den ersten sechs Spielen schien das Team von Trainer Fabrice Voigt den Faden zu verlieren, fand seinen Rhythmus jedoch im Anschluss an zwei Niederlagen wieder. Der TVK, der in den Heimspielen regelmäßig deutlich stärker auftritt, wird sich im neuen Jahr eher auswärts steigern müssen – weil er dort (zu) oft mit dem Feuer spielt. Der einzige Auftritt ohne Stolpergefahr war das 34:26 beim TV Jahn Köln-Wahn – während es neben dem 23:27 beim BTB Aachen vier andere Aufgaben mit Hindernissen gab. Vom 27:26 beim MTV Rheinwacht Dinslaken übers 29:28 beim TV Rheinbach, 27:27 bei der HG Remscheid bis zum 27:27 kurz vor Weihnachten bei TuSEM Essen II reichte der Spannungsbogen.
Hinter dem Top-Duo folgen im Dritten TV Rheinbach und im Vierten TSV Bonn rrh. zwei Mannschaften, die vielleicht noch glücklicher mit dem bisher Erreichten sind – weil sie sich derart weit vorne gar nicht erwartet hatten. Besonders die Rheinbacher, die im Endspurt der vergangenen Saison erst ganz spät den Klassenerhalt geschafft hatten, wären auch mit etwas kleineren Brötchen zufrieden gewesen. Das um Oliver Dasburg (vom Drittligisten Longericher SC zurück) verstärkte Team des Trainerduos Jan Hammann/Dietmar Schwolow hat in den vergangenen Monaten aber nicht nur seine Pflicht erfüllt, sondern auch höher eingeschätzte Konkurrenz in Not gebracht – und zum Beispiel in Ratingen gewonnen (28:26). Die mit 6:6 Zählern gestarteten Bonner verloren später nur noch gegen jene Ratinger, schafften aber zuletzt wieder drei Siege. Ansprüche für Höheres leitet der als Realist geltende Trainer David Röhrig daraus trotzdem nicht ab.
Nummer drei auf der Liste der Titelkandidaten ist damit tatsächlich die SG Ratingen, weil sich der punktgleiche Sechste TV Aldekerk „nur“ auf einem guten Weg in die Zukunft des Vereins befindet und für diese Saison nicht mal ansatzweise an die 3. Liga denkt. Die Ratinger hinken nicht zum ersten Mal hinter den eigenen Vorgaben her, was vor allem am missratenen Start in die Serie mit mageren 5:9 Punkten liegt. „Ich habe noch nie so eine Diskrepanz gesehen zwischen dem Potenzial, den Rahmenbedingungen und der Wirklichkeit“, räumte SG-Chef Bastian Schlierkamp damals ein. Vier Partien weiter steht das Konto bei 13:9 Zählern und die Ratinger sind auf Rang fünf vorgerückt – durch Erfolge beim Vierten TSV Bonn rrh. sowie gegen drei Kontrahenten, die um den Klassenerhalt kämpfen (HG Remscheid, HSG Siebengebirge, TV Jahn Köln-Wahn). Trainer Ace Jonovski (38) hat Champions League und Bundesliga gespielt, er gehörte zur Nationalmannschaft Mazedoniens. Ein Eckpfeiler im Rückraum ist Ex-Profi Alexander Oelze, der mit dem Bergischen HC in der Bundesliga und mit den früheren Rhein Vikings bis zu deren Insolvenz in der 2. Liga unterwegs war. Ebenfalls von den Rhein Vikings kam Thomas Bahn (29), ein Rückraumspieler mit exzellenter Qualität in der Abwehrarbeit. Beide stießen damals zu einer Mannschaft, in deren Reihen schon Filip Lazarov (34), mazedonischer Nationalspieler und WM-Teilnehmer 2019. Andere wie die Kreisläufer Kai Funke (29) und Christian Mergner (28) können auf Einsätze in der 3. Liga zurückblicken.
Keine akuten Sorgen müssen sich im gesicherten Mittelfeld der BTB Aachen, TuSEM Essen II und Aufsteiger HC Weiden machen. Dahinter allerdings beginnt eine schwierige Zone, in der nicht jeder begeistert sein dürfte. Drittliga-Absteiger SG Langenfeld etwa hatte keine übertriebenen Erwartungen, aber ein bisschen mehr erhofft als 9:13 Punkte und Platz zehn. Ein der ersten Aufgaben für das neue Jahr wird es sein, einen Nachfolger für Trainer Markus Becker zu finden, der in der Woche vor Weihnachten seinen Abschied zum Saisonende erklärte und eine Handball-Pause einlegen will. Dem TV Jahn Köln-Wahn mit Trainer Olaf Mast war klar, dass es nur um den Klassenerhalt gehen kann – weshalb Rang elf in Ordnung geht. Beim Aufsteiger HG Remscheid ist die stabilste Größe der Mangel an Konstanz. Platz zwölf würde trotzdem gerade noch zur Rettung reichen.
Für die HSG Siebengebirge auf dem ersten Abstiegsplatz scheint sich der Wechsel von Werner Klöckner (zurückgetreten) zum neuen Trainergespann Lars Degenhardt/Fabian Zächerl auszuzahlen, weil sich die Mannschaft pünktlich zum Jahres-Finale mit dem 31:29 in Langenfeld für eine kämpferisch starke Leistung mit einem ganz wichtigen Sieg belohnte. Ganz am Ende droht dem Vorjahresmeister MTV Rheinwacht Dinslaken tatsächlich der komplette Absturz – nur sechs Monate nach der Teilnahme an der Qualifikation für die 3. Liga. Irgendwie scheint der ganze Niederrhein dem MTV die Daumen zu drücken, dass er vielleicht doch einen Weg aus dem Keller finden möge. Helfen müssen sich die Dinslakener aber selbst. Und es ist die große Frage, ob sie dazu im neuen Jahr in der Lage sind.
Wenn es was werden soll, muss aus den beiden ersten Spielen im neuen Jahr bei der HG Remscheid (11. Januar) und gegen Siebengebirge (19. Januar) die entsprechende Ausbeute an Punkten her. Vorne geht es ebenfalls direkt zur Sache, weil Korschenbroich auf die Ratinger trifft (11. Januar) und die Opladener nach Bonn fahren. Vieles spricht dafür, dass die Fortsetzung der Meisterschaft mit dem Rest der Hinrunde und der kompletten Rückrunde ähnlich spannend wird wie die vergangenen Monate im zweiten Halbjahr 2019.