Europameisterschaft
Michiel Lochtenbergh: „Mein Herz schlägt immer Orange“
Der Trainer des Mittelrhein-Oberligisten HC Gelpe/Strombach drückt den Niederlanden auch gegen Deutschland die Daumen.

Der mit dem prüfenden Blick: Trainer Michiel Lochtenbergh ist für die Geschicke des HC Gelpe/Strombach verantwortlich und ein Experte für den niederländischen Handball. (Foto: Thomas Schmidt)

Er ist so etwas wie ein Pendler zwischen den Welten. Sein enormer Vorteil: Er kennt sich in beiden nicht nur ganz, sondern ziemlich gut aus. Also hat sein Urteil für die am Donnerstag beginnende Europameisterschaft in Österreich, Schweden und Norwegen viel Gewicht – speziell in Bezug auf das erste Spiel der Vorrunden-Gruppe C am Donnerstag um 18.15 Uhr zwischen Deutschland und den Niederlanden. Michiel Lochtenbergh lebt mittlerweile im Oberbergischen, wo er sich jetzt als Trainer und Sportlicher Leiter um den Oberligisten HC Gelpe/Strombach kümmert. Geboren ist der 38-Jährige aber in Doetinchem. Gespielt hat Michiel Lochtenbergh, den Freunde eher „Mick“ nennen, für den niederländischen Erstligisten E&O Emmen und natürlich in der Nationalmannschaft der Niederlande. Gespielt hat er auf dem Höhepunkt seiner Karriere auch als Profi beim TSV Bayer Dormagen, der damals als „DHC Rheinland“ unterwegs war und 2008 den Aufstieg in die Bundesliga schaffte. Viel ist deshalb sportlich richtig gelaufen – wofür der einstige Linksaußen dankbar ist: „Ein Privilieg.“ Zwei Dinge gibt es trotzdem, die er gerne noch in seiner Vita hätte: „Ich habe nie an einem Großturnier teilgenommen und ich konnte nie in der Köln-Arena spielen.“ Niederlande? Nie bei einem Großturnier? Es sind die Kollegen mit dem etwas größeren Spielgerät, die darüber vielleicht den Kopf schütteln mögen. Für die Handball-Männer des Nachbarn ist die Qualifikation fürs EM-Turnier ein großer sportlicher Erfolg.

Lochtenbergh weiß, dass die Niederlande ohne eine Modus-Änderung eher wieder nicht dabei gewesen wären. Weil die Teilnehmerzahl auf 24 Teams erhöhte wurde, reichte in der Quali-Gruppe der dritte Rang (6:6 Punkte) hinter Slowenien (10:2) und Lettland (8:4) ebenfalls für ein EM-Ticket. „Natürlich haben wir gute Jungs in der Mannschaft“, betont Lochtenberg, der die Niederlande realistisch auf einem Rang zwischen 16 und 24 in Europa einordnet – was ja zum Qualifikations-Ergebnis passt. Für einen Sieg über eine der etwas größeren Handball-Nationen muss seiner Ansicht nach alles passen: „Wir brauchen einen sehr guten Tag und die anderen dürfen nicht so richtig Lust haben.“  Dass so etwas in der Auftaktpartie in Trondheim (Norwegen) gegen Deutschland passiert oder am letzten Gruppen-Spieltag gegen Spanien (13. Januar), gilt aber als ausgeschlossen. Lochtenbergh wird dennoch vor dem Fernseher mitfiebern und seinen Landsleuten nicht zuletzt gegen die Deutschen alle Daumen drücken: „Da gibt es keine Diskussionen. Ich habe weiter einen niederländischen Reisepass und mein Herz ist Orange.“

Mit einigen Spielern des aktuellen Teams von Trainer Erlingur Richardsson stand Lochtenbergh, der vor acht Jahren das letzte seiner 82 Länderspiele absolvierte, noch gemeinsam auf dem Feld. Zahlreiche Profis des Nachbarn haben ebenfalls Erfahrung in der Bundesliga gesammelt oder sie stehen dort bis heute unter Vertrarg – wie die Außen Jeffrey Boomhouwer (Bergischer HC) und Bobby Schagen (TBV Lemgo Lippe). Ebenfalls bekannt in Deutschland sind der inzwischen in die Niederlande zurückgekehrte Keeper Gerrie Eijlers (früher SG Solingen, SC Magdeburg, TSV GWD Minden) und Rückraumspieler Fabian van Olphen (SC Magdeburg, TBV Lemgo Lippe), der dem „Team Oranje“ jedoch nicht wird helfen können. „Er hat sich beim letzten Lehrgang am Knie verletzt“, weiß Michiel Lochtenberg, der sich die Klasse und Routine des 38-Jährigen im teilweise jungen Aufgebot ohne Turnier-Erfahrung durchaus als extrem wertvoll gesehen hätte.

Lochtenberghs Motto fürs gesamte EM-Turnier: „Dieser Weg wird kein leichter sein.“ Den Niederlanden traut er bei aller Wertschätzung und bei aller Liebe zur Heimat nicht zu, die Vorrunde zu überstehen, weil nur zwei Nationen pro Gruppe weiterkommen – wobei es sich in der Gruppe C aller Voraussicht nach um die bereits mit zahlreichen Titeln dekorierten Spanier und Deutschland handeln dürfte. Vielleicht reicht es ja am 11. Januar (Samstag) gegen Lettland wenigstens zum ersten Erfolg bei einem EM-Turnier, denn mit den Letten bewegen sich Lochtenberghs Landsleute offensichtlich auf Augenhöhe – wie in der Qualifikation, als es nach dem 25:29 in Lettland ein 25:21 im Heimspiel gab. Dem deutschen Team traut „Mick“ im weiteren Turnierverlauf den Einzug ins Halbfinale zu: „Das kommt auch darauf an, wie sie ins Turnier finden.“ Und wie ist es mit dem Titel? Michiel Lochtenbergh drückt sich ein wenig um eine deutliche Antwort herum, was sich wohl als „eher nicht“ interpretieren lässt. Ob der Pendler zwischen den Welten mit seinem Gefühl richtig liegt, wird spätestens in gut zwei Wochen feststehen.