Regionalliga Nordrhein
Abstiegskampf: Wahn hofft auf das kölsche Grundgesetz
Das Team von Trainer Olaf Mast ist inzwischen auf Rang zwölf stark gefährdet, will aber alles für den Klassenerhalt geben.

Letzte Instanz: Torhüter Oliver Kierdorf gehört zu den Schlüsselspielern der Kölner, die in den kommenden Wochen und Monaten um den Verbleib in der Regionalliga kämpfen. (Foto: Thomas Ellmann)

Diese Zahlen lügen nicht und an den 15. September 2019 werden sie sich beim TV Jahn Köln-Wahn vielleicht nur dunkel erinnern können. Wolfgang Niedeckens BAP, die ja direkte Nachbarn der Kölner sind, würden es so ausdrücken: „Verdamp lang her.“ Vor viereinhalb Monaten bezwangen die Wahner am ersten Spieltag der neuen Saison in der Regionalliga nach einem spannenden Duell den MTV Rheinwacht Dinslaken mit 28:27 – damals eine Überraschung, weil die Gäste als Vorjahresmeister eigentlich der Favorit waren. In weiser Voraussicht verbuchten die Verantwortlichen den Sieg direkt als Bonus, der für den weiteren Kampf um den Klassenerhalt sehr wichtig werden könnte. Dass Dinslaken inzwischen ebenfalls mit dem Rücken zur Wand steht, ahnte damals keiner. Dass die Mannschaft von TV-Trainer Olaf Mast ohne jenen gelungenen Einstieg mittlerweile sogar die rote Laterne halten würde, auch nicht. Mit dem 30:33 zum Rückrundenstart in Dinslaken ist die Gefahr trotzdem immer größer geworden und der Faden, der die Verbindung zum rettenden Ufer bedeutet, immer dünner.

Wahn ließ dem Erfolg über den MTV zwei weitere Siege folgen – 27:23 gegen den TV Rheinbach (28. September), 24:23 gegen die HG Remscheid (12. Oktober). Damals stand das Konto bei 6:4 Zählern, die eine ordentliche Basis zumindest für die weitere Hinrunde sein sollten. Die Dinge entwickelten sich jedoch ab jetzt ganz anders, denn auf den vierten Saisonsieg wartet die Mannschaft bis heute vergebens. Lichtblicke waren lediglich das 26:26 beim TV Aldekerk (30. November) und das 22:22 gegen TuSEM Essen II (7. Dezember), die beide im gesicherten Mittelfeld stehen. Darüber hinaus gab es nichts Zählbares mehr, sondern sieben Niederlagen. In der Summe bedeutet das gerade 8:20 Zähler sowie Rang zwölf vor Dinslaken und der HG Remscheid, die jeweils 7:21 Punkte aufweisen. Ein Sonderfall im unteren Tabellenbereich ist inzwischen die HSG Siebengebirge, die zuletzt vier Mal hintereinander ungeschlagen blieb, sich mit 7:1 Zählern aus der Region aussichtslos in eine deutlich günstigere Position gebracht hat und derzeit gerettet wäre. Dinslaken und Remscheid müssten absteigen, während der TV Jahn Köln-Wahn in einer Millimeter-Entscheidung soeben über dem Strich stünde. Ob Rang zwölf am Ende wirklich genügt, hängt vor allen Dingen von der Entwicklung in der 3. Liga ab. Kommen tatsächlich zwei Klubs runter in die Regionalliga Nordrhein, gibt es dort drei Absteiger in die Oberliga.

Vieles am Stand der Dinge hat zu tun mit den speziellen Verhältnissen in Wahn, denn die Mannschaft trainiert aus strukturellen und hallentechnischen Gründen nur zwei Mal pro Woche – im Grunde viel zu wenig für die Regionalliga. Ex-Profi Mast, der als Spieler und Trainer alles im Handball erlebt hat, wusste immerhin bei seinem Amtsantritt im Winter 2017/2018, was da auf ihn zukommt. In dieser krassen Form trotzdem nicht vorgesehen: Im Sommer 2018 verlor er Spielmacher Christoph Gelbke und im Sommer 2019 Rückraumspieler Alexander Senden (mittlerweile beide beim Drittligisten Leichlinger TV). Mannschaft und Trainer stürzten sich dennoch mit Leidenschaft ins neue Abenteuer. Mast brachte die Bedingung, ohne die nichts geht, früh auf den Punkt: „Wir müssen es über den Teamspirit machen. Ich stehe vor der vielleicht größten Herausforderung meines Trainerlebens.“ Die wurde kurz vor Weihnachten sogar noch einmal ein Stück größer, weil sich Wahn von Rückraumspieler Davidson Idahosa trennte – und mit ausdrücklicher Billigung seines Trainers den nächsten Eckpfeiler verlor. „Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem eine weitere Zusammenarbeit nicht möglich ist“, sagte Mast damals. Für Abteilungsleiter Tobias Carspecken gibt es nach wie vor keinerlei Zweifel, dass der Schritt richtig war: „Wir haben die sportliche Schwächung in Kauf genommen, weil du Spieler brauchst, die zusammenhalten.“

Besprechung: Trainer Olaf Mast brütet zurzeit gemeinsam mit Andrew Akintunde und allen anderen Spielern darüber, wie sich die sportlich angespannte Lage der Wahner bewältigen lässt. (Foto: Thomas Ellmann)

Da die Lage einigermaßen kompliziert ist und die Entscheidung über die Klassenzugehörigkeit vielleicht erst beim Saisonfinale am 9. Mai zu Hause gegen den HC Weiden fällt, muss der Verein für 2020/2021 zweigleisig planen – was er selbstredend tut. „Sollte es uns doch treffen, dürfte ein Abstieg den Verein nicht umhauen“, betont Carspecken, der sich aktuell mitten in den Gesprächen mit den Spielern befindet und so bald wie möglich Klarheit über den künftigen Kader haben will. Die Beschäftigung mit der Zukunft bedeutet im Übrigen nicht, dass sie beim TV den Kampf um den Klassenerhalt als verloren ansehen – im Gegenteil. Da teilen sie den Standpunkt vieler, dass in dieser unfassbar ausgeglichenen Klasse noch viele und überraschenden Dinge passieren werden. Olaf Mast bringt es für Wahn auf den Punkt: „Vielleicht können wir irgendwo mal was reißen, wo keiner mit uns rechnet.“ Dazu wäre dann mit am besten wohl die Aufgabe am kommenden Samstag geeignet, denn der Drittletzte bekommt es in eigener Halle mit dem Spitzenreiter TuS 82 Opladen zu tun.

Mast trägt die Situation mit der Erfahrung seiner langen Karriere als Spieler und Trainer äußerlich gelassen. Zwei Dinge zieht er dabei nicht in Erwägung: Der 51-Jährige wird als für den Bereich Sport zuständiger Oberkommandeur das Schiff Wahn nicht verlassen: „Wenn ich eine Zusage geben, ziehe ich das durch.“ Außerdem lehnt er es – wie alle bei den Kölnern – kategorisch ab, den Mut sinken zu lassen: „Großartig verändert hat sich die Lage für uns nicht. Und wir haben nicht vor, aufzugeben. Ich haben schon ganz komische Verläufe erlebt und wir haben noch zwölf Spiele vor uns.“ Der Mannschaft bescheinigt er trotz vorhandener Fehlerquellen Woche für Woche, dass die Einstellung zu hundert Prozent stimmt. „Natürlich müssen wir einige Dinge verbessern“, meint der TV-Coach, „und das werden wir. Uns fehlen immer wieder nur Kleinigkeiten und wir haben im Moment auch kein Spielglück.“ Abzustellen gelte es unter anderem, nach einer Pause nur schwer in die zweite Halbzeit zu finden – was einer der Gründe für die Niederlage in Dinslaken war.

Dass die Uhren in Wahn etwas anders gehen,  belegt am Ende die Herangehensweise an die personellen Planungen. Während die meisten Klubs zuerst die Trainerfrage klären, laufen in Wahn zurzeit „nur“ die Gespräche mit den Spielern. Die Frage, ob Mast bleibt, soll erst etwas später fällen. Und der Trainer hält das für völlig richtig so: „Ich stelle mich im Moment komplett hinten an.“ Sollte letztlich der Abstieg doch nicht zu vermeiden sein, muss sich der Verein seiner Meinung nach ohnehin Gedanken über die Struktur des gesamten Wahner Handballs machen – weil die Zweite die Chance zum Aufstieg aus der Landesliga in die Verbandsliga hat und im Erfolgsfall lediglich eine Klasse unterhalb der Ersten angesiedelt wäre. Am liebsten wäre es Olaf Mast allerdings, dass die Erste gleichzeitig die Regionalliga hält. Dazu braucht es eine gute Portion Optimismus und vielleicht den Glauben ans kölsche Grundgesetz: „Et hätt noch immer jot jejange.“