04. Februar 2020 | Zurück zur Artikelübersicht » |
Es ist und bleibt die Geschichte von einem, der auszieht, um die etwas größere Handball-Welt zu erkunden. Da ändern sich die Dinge bisweilen – was sie in Bonn aber eigentlich ganz gut wissen, weil die Stadt nur bis 1990 die Bundeshauptstadt war. Jetzt geht dort für die einen wieder eine Ära zu Ende, während sich für den anderen neue Türen öffnen. Betroffen ist in diesem Fall der Regionalligist TSV Bonn rrh., der am Ende der Saison nach dann vier Amtsjahren seinen aktuellen Trainer David Röhrig verliert. Für Röhrig, der sich mit vier bei den Bonner Minis mit dem Handball-Virus infizierte, gehen zweieinhalb Jahrzehnte im Verein zu Ende. Die Bonner haben ihm viel zu verdanken – und er ihnen. „Ich bin dem Verein sehr dankbar, dass er mir damals das Vertrauen geschenkt und die erste Mannschaft anvertraut hat. Das war nicht selbstverständlich“, sagt Röhrig, der seine eigene Karriere als Spieler der Turn- und Sportvereinigung Bonn rechtsrheinisch nicht lange vorher nach dem fünften Kreuzbandriss beendet hatte. Heute sind die Bonner, die 2017/2018 sogar kurz an die 3. Liga denken durften, ein fester Bestandteil der Regionalliga, der sie mit ziemlicher Sicherheit auch 2020/2021 angehören werden – wenn denn von Platz vier aus (18:12 Punkte) nicht völlig Unerwartetes geschieht. Auf dem falschen Fuß erwischt Röhrig die TSV mit seinen Plänen übrigens auch nicht: Jeder in Bonn konnte es ahnen und seit einiger Zeit wissen sie es offiziell, dass der Handball-Verrückte bald die nächste Station seiner Trainerkarriere in Angriff nimmt. Ab dem Sommer kümmert sich der 29-Jährige um die Bundesliga-A-Jugend des Zweitligisten Bayer Dormagen. David Röhrig freut sich riesig drauf, denn diese neue Tätigkeit bringt ihn wieder ein Stück voran: Handball mit Leidenschaft und Handball als Beruf sind genau das, was er sich wünscht.
Nicht selten bekam er in den vergangenen Wochen ein paar Zweifel zu hören: Du gehst in den Jugendbereich? Warum das denn? David Röhrig antwortet gelassen: „Handball in der Jugend-Bundesliga ist Leistungssport.“ Dort kann er unter professionellen Bedingungen mit Top-Talenten arbeiten, die zum Teil in nationalen Auswahlteams zu Hause sind und ihr Leben komplett auf den Handball ausgerichtet haben: „Die Spieler trainieren mindestens einmal am Tag, sie brennen für die Sache. Und wir haben es mit den bestens Teams aus Deutschland zu tun.“ Dormagen ist zudem im Bereich Nachwuchs eine Top-Adresse, wie die aktuelle A-Jugend gerade beweist. In der Bundesliga-Meisterrunde gewann Bayer am vergangenen Wochenende mit 30:29 beim SC Magdeburg und hat durchaus die Chance, sich in den restlichen Gruppenspielen eins der Tickets fürs Viertelfinale zu sichern. Niederlagen gab es bisher nur bei der SG Flensburg-Handewitt (33:35) und gegen die Rhein Neckar Löwen (28:29). Flensburg und Löwen – das klingt nicht nur so, das ist großer Handball. Aktueller Trainer des Teams ist der als Chefcoach zum Zweitligisten TuSEM Essen wechselnde Jamal Naji, dessen Nachfolge in Dormagen David Röhrig antritt, der seinerseits gerade mit der B-Jugend des TSV Bayer in der Regionalliga von Erfolg zu Erfolg eilt. Selbst den ersten Verfolger HC Düsseldorf konnte der TSV deutlich bezwingen (34:18) und bei 24:0 Punkten zweifelt längst niemand mehr am Titelgewinn.
David Röhrig wird in der neu strukturieren Nachwuchs-Arbeit des Zweitligisten viel mit dem neuen Jugend-Koordinator Dennis Horn (23) und mit dem Leitenden Nachwuchs-Trainer Leistung zu tun haben. Das ist Peer Pütz (28), gleichzeitig Spieler des Regionalligisten TuS 82 Opladen, ebenfalls ein Vielbeschäftigter in Sachen Handball – und in den bisherigen vier Jahren der gemeinsamen Tätigkeit zum guten Freund geworden: „Ich glaube nicht, dass sich für uns so viel ändern wird. Wir werden uns austauschen und wir werden mal anderer Meinung sein. Das ist gut so.“ Wegen der künftigen Stelle in Dormagen, die für ihn mehr als nur ein bezahlter Job ist, wird die zeitliche Belastung sicher nicht geringer – zumal sich David Röhrig weiter um Trainingspläne, Training an Kooperationsschulen oder um Jugend-Auswahl und Jugend-Sichtung kümmert. Was er mit Peer Pütz gemeinsam hat: Die Herren scheinen immun gegen zeitlichen Stress zu sein. Röhrig sieht es so: „Wenn ich hauptberuflich vom Handball leben kann, darf ich mich glücklich schätzen.“ Für ihn muss es nicht unbedingt die Perspektive bei einem Erstligisten oder Zweitligisten sein – ein Bereich, den er zumindest im Moment sowieso für reine Utopie hält: „Das liegt für mich ganz weit weg.“ Zu weit weg liegen in der Jugend-Bundesliga die Reiseziele im Laufe der Saison, sodass die Zusage an Bayer Dormagen gleichzeitig die Absage an Bonn bedeutete. „Es ist undenkbar, dass miteinander zu koordinieren“, betont Röhrig.
Bis zum Ende der laufenden Saison wird er versuchen, sowohl mit der TSV Bonn rrh. als auch mit Dormagens B-Jugend den maximal möglichen Erfolg einzufahren. Dabei gilt der TSV Bayer am kommenden Sonntag beim Vierten TuSEM Essen nach dem 33:20 aus der Hinrunde als Favorit – und David Röhrig hofft, dann einen etwas ruhigeren Spät-Nachmittag zu erleben. Bereits am Samstagabend trifft er schließlich mit seinen Bonnern in der berühmt-berüchtigten Halle an der Ringstraße auf die gegen den Abstieg kämpfende und in jüngster Zeit deutlich stabilere HSG Siebengebirge. Röhrig weiß unabhängig vom Ausgang der Partie, dass nach dem jüngsten 42:34 bei der HG Remscheid keinerlei ernsthafte Zweifel mehr am Bonner Klassenerhalt bestehen und er den Verantwortlichen ein ganz gut bestelltes Feld hinterlässt. Die TSV, von der er sich nun verabschiedet, hat seiner Ansicht nach viele liebenswerte Züge und gleichzeitig unter anderem wegen der Halle einen schwierigen Stand. „Vor zwei Jahren waren wir im Team personell auf dem Höhepunkt“, findet Röhrig, „auch jetzt haben wir in der Mannschaft eine tolle Struktur.“ Es klingt ein bisschen wehmütig. David Röhrig weiß allerdings zwei Dinge ganz sicher. In Bonn verstehen sie seinen Schritt und sie gönnen ihm das Fortkommen als Trainer. Außerdem kann er sich nicht wehren. Die etwas größere Handball-Welt zieht ihn einfach magisch an.