14. Februar 2020 | Zurück zur Artikelübersicht » |
Dafür wäre zunächst ein neuer Name zu erfinden. Natürlich: Das Duell des Zweiten Pulheimer SC mit dem Spitzenreiter HC Gelpe/Strombach am Samstagabend ist das Spiel der Spiele in der Oberliga Mittelrhein. Beide haben sich bei jeweils 28:4 Zählern ein Stück vom Verfolgerfeld abgesetzt, das höchstens noch aus dem TSV Bayer Dormagen II (24:8), der HSG Refrath/Hand und dem TuS Derschlag besteht (beide 22:10). Etwas mehr als vier Monate ist es her, als sich die beiden Top-Teams in der Hinrunde gegenüberstanden und damals keinen Sieger fanden (27:27). Wer jetzt gewinnt, ist einen großen Schritt weiter – obwohl es einen grundlegenden Unterschied zum Regelwerk im Handball-Verband Niederrhein gibt. Der HVN legt am Ende einer Saison die Reihenfolge zwischen zwei punktgleichen Mannschaft über den direkten Vergleich fest, während die Durchführungsbestimmungen des Handball-Verbandes Mittelrhein in Abschnitt II, 3.6 etwas ganz anderes sagen: „Nach Abschluss der Meisterschaftsspiele entscheidet über die für Meisterschaft, Aufstieg oder Abstieg maßgeblichen Tabellenplätze bei Punktgleichheit die bessere Tordifferenz.“ Das dürfte zunächst die Strombacher freuen, die ja zurzeit mit 491:394 Treffern (plus 97) ohnehin schon besser liegen als die Hornets mit 453:387 (plus 66). Die Titelkandidaten sind sich im Übrigen in dieser Beziehung einig: Darauf wollen sie es sowieso nicht ankommen lassen. Noch ärger wäre dann in diesem Zusammenhang, falls später das Torverhältnis identisch sein sollte. Dann wäre plötzlich der direkte Vergleich wieder im Rennen. Reicht der nicht aus, weil beispielsweise beide Partien ein 27:27 gebracht haben, ginge es mit Entscheidungsspielen in die Verlängerung. Warum überhaupt zwei regionale Teile des Westdeutschen Handball-Verbandes ein unterschiedliches Regelwerk anwenden, ist wieder eine andere Frage.
Pulheim verlor den ersten Platz erst am vergangenen Wochenende trotz des durchaus beachtlichen 24:24 bei der HSG Refrath/Hand. Die fünf Begegnungen vorher hatte die Mannschaft von Trainer Kelvin Tacke gewonnen und die bisher einzige Niederlage am 7. Dezember mit dem 21:24 gegen den Longericher SC II offensichtlich keinen Schaden angerichtet. Den vierten Zähler gaben die Pulheimer in der Hinrunde in Strombach ab, sodass sie im Laufe dieser Saison noch gegen keins der Teams von ganz oben als Verlierer vom Platz gingen. Auf der Positivliste tauchen Siege gegen Refrath/Hand (28:22), in Derschlag (29:24) und in Dormagen auf (28:24). Trotzdem herrscht bei den Hornets keine Euphorie, sondern eher größeres Staunen über den Stand der Dinge. „Ich glaube, wir sind die einzige Mannschaft, de sich selbst nicht auf dem Zettel hatte“, sagt Trainer Kelvin Tacke, „wir haben im Team nicht ein einziges Mal über das Thema Aufstieg gesprochen.“ Den zweiten Platz seines personell umgebauten Aufgebots sieht er vor allem als Bestätigung für die intensive Arbeit: „Wir machen offensichtlich schon viele Dinge richtig, aber wir bewegen uns auf einem dünnen Eis.“ Damit meint er in erster Linie den Kader, den er insgesamt in der Breite als zu schmal besetzt sieht und bei dem immer wieder Spieler aufgrund beruflicher Verpflichtungen nicht an Bord sein können. Auf das Gipfeltreffen freuen sich die Hornets trotzdem sehr – und eine Niederlage würde sie nicht aus der Bahn werfen: „Das wäre kein Beinbruch. Wir sprechen ja gar nicht über die Meisterschaft.“ Und sollte das Thema doch auf den Tisch kommen? Team und Trainerstab konzentrieren sich erst mal lieber auf das Spitzenspiel, das ihnen ohnehin eine Menge abverlangen wird. „Da treffen zwei Welten aufeinander“, findet Tacke.
Die andere Welt mit den deutlich klareren Ambitionen für den Sprung in die Regionalliga ist nicht nur aus der Sicht der Gastgeber der HC Gelpe/Strombach, der das Gefühl des Verlierens gar nicht mehr richtig kennt. Nach der 29:33-Heimniederlage gegen den TuS Derschlag am 2. November 2019 stand das Konto bei 8:4 Zählern. Dreieinhalb Monate und zehn Spiele später sind daraus 28:4 Punkte geworden – eine makellose Bilanz mit zehn Erfolgen hintereinander. Ausgerechnet das jüngste 34:24 über den Aufsteiger HC Weiden II, das den Sprung an die Spitze brachte, löste bei Trainer Michiel Lochtenbergh aber überhaupt keine Begeisterung aus – das Gegenteil war der Fall. „Ich glaube nicht, dass Leistungen wie in Birkesdorf oder gegen Weiden reichen werden, um in Pulheim in so einem Spitzenspiel zu bestehen“, urteilte der HC-Coach, „es geht um die Art und Weise, wir wir gespielt haben. Ich hoffe, dass die Mannschaft das versteht.“ Logisch: Der Spitzenreiter will sich gedanklich und taktisch intensiv vorbereiten, damit seine imponierende Serie hält.
Dass der vom Drittligisten Rhein Vikings (Rückzug nach Zahlungsunfähigkeit) für den Rest der Saison verpflichtete Dennis Aust (35) mit seiner Erfahrung und individuellen Klasse zum ersten Mal mitwirken kann, passt dem Tabellenführer natürlich ganz gut – und es belegt, dass die Strombacher ernsthaft in die Regionalliga wollen. Dazu passt auch die Verpflichtung des 26 Jahre alten Regisseurs Alexandre Brüning, der zur kommenden Saison vom Drittligisten SG Schalksmühle-Halver in seine handballerische Heimat zurückkehrt. Trainer Lochtenbergh tritt dennoch auf die Bremse: „Vorherzusagen, wie das jetzt ausgeht, ist Kaffeesatz-Leserei. In den 60 Minuten kann alles passieren. Es kommt auch auf die Tagesform an. Beide Mannschaften werden top motiviert und top vorbereitet sein. Ich hoffe, dass es trotz allen Drucks ein attraktives Spiel wird. Zwei Punkte wären sehr viel wert, aber es wären eben nur zwei Punkte.“ Eine Entscheidung im Kampf um den Titel fällt seiner Auffassung nach nicht – unabhängig davon, wer das Gipfeltreffen gewinnt.
Einen herben Verlust für die nächste Serie muss dafür der TuS Derschlag hinnehmen, weil Kreisläufer Philipp Krefting zum Regionalliga-Tabellenführer TuS 82 Opladen wechselt. Der 20-Jährige, aus der Jugend des VfL Gummersbach stammt und über den TSV Bayer Dormagen (Jugend-Bundesliga, Senioren) im Sommer 2019 nach Derschlag kam, ist beim TuS sowohl in der Abwehr als auch im Angriff eine feste Größe. „Es ist alles total sauber gelaufen. Aber natürlich ist das für uns gar nicht gut, weil wir Probleme haben werden, so jemanden zu ersetzen“, sagt Trainer Ralphg Weinheimer, „wenn du als Spieler die Chance hast, in der 3. Liga zu spielen, kann ich das aus sportlicher Sicht total nachvollziehen. Das ist für uns bitter und für ihn eine Chance.“ An den gemeinsamen Zielen für den Rest der laufenden Serie ändert Kreftings Schritt sowieso nichts. Der TuS Derschlag strebt zuerst einen Sieg im Heimspiel gegen den stark gefährdeten TuS 82 Opladen II ein, ehe sich alles nur noch um das Viertelfinale des Deutschen Amateurpokals am 23. Februar beim Regionalligisten SG Langenfeld drehen darf. Weinheimer blickt vorsichtig voraus: „An diesem Tag müsste alles passen für uns.“
Der Dritte Bayer Dormagen II hält lediglich durch einen Erfolg beim MTV Köln den Kontakt zum zweiten Platz, der im günstigsten Fall der Fälle ein Aufstiegs-Entscheidungsspiel bringen könnte (gegen den Zweiten der Oberliga Niederrhein). Der Vierte Refrath/Hand, der bei Fortuna Köln antritt, glaubt selbst nicht mehr daran, noch einmal nach ganz vorne angreifen zu können, und die Derschlager sind mit ihrem Traum vom Halbfinale oder sogar Finale im Deutschen Amateurpokal ein Kapitel für sich. Ganz unten zeigt die Richtung für den TK Nippes (0:32 Punkte) weiter auf die Verbandsliga, obwohl das Team von Trainer Stefan Tuitje immer alles gibt. Der Vorletzte Opladen II (5:27) braucht allmählich ebenfalls eine Art Handball-Wunder, um den direkten Wieder-Abstieg zu vermeiden – weil er alleine vier Zähler hinter dem Mit-Aufsteiger BTB Aachen II liegt (9:23). Bis zum HC Weiden II (13:19) auf dem viertletzten Platz ist die Lücke bereits acht Punkte groß.