17. Februar 2020 | Zurück zur Artikelübersicht » |
Er ist keiner, der sich einfach aus dem Staub macht. Und das Feuer für den Handball brennt auch immer noch bei Ralph Weinheimer, dem Trainer des TuS Derschlag. Trotzdem beschlich den 45-Jährigen vor ein paar Wochen immer mehr das Gefühl, etwas verändern zu müssen. Seit Dezember 2019 stand die Frage im Raum: Verlängern und in eine fünfte Saison beim Oberligisten gehen? Die Entscheidung fiel am Ende nicht gegen Derschlag, sondern für Weinheimer, der nach dieser Saison als Trainer im Oberbergischen aufhören wird. Dafür gibt es nicht den einen Grund, sondern ein Bündel an einzelnen Bauteilen – angefangen damit, dass seit 2012 die Arbeit erst für Bergneustadt und anschließend für den TuS keinerlei oder nur wenig Raum für etwas anderes als Handball ließ und lässt. Zweiter Aspekt: „Ich empfinde die aktuelle Saison als besonders anstrengend.“ Das begann im turbulenten vergangenen Sommer mit einer aus vielerlei Gründen schwierigen Vorbereitungszeit. Kurz hintereinander gingen dann der fest eingeplante Rückraumspieler Felix Jaeger, der ein Angebot des Zweitligisten HSG Krefeld zu verlockend fand, und der Sportliche Leiter Markus Krauthoff-Murfuni, der ein Angebot des Zweitligisten ThSV Eisenach nicht ablehnen konnte, dort Co-Trainer der ersten Mannschaft und Jugend-Koordinator zu werden. Letztlich mussten sich die Derschlager innerhalb kürzester Zeit neu sortieren und mit einer vergleichsweise dünnen personellen Decke in die Saison starten. Für Weinheimer stand deshalb schnell fest: „Ein Spitzenplatz ist nur drin, wenn wirklich alles optimal läuft.“ Der aktuelle Rang fünf mit 22:10 Punkten geht in der Summe in Ordnung und dass am Lokalrivalen HC Gelpe/Strombach ganz vorne vermutlich kein Weg mehr vorbeiführt, steht für die Derschlager sowieso fest.
Nachdem Weinheimer mit dem TV Bergneustadt aus der Landesliga bis in die Oberliga aufgestiegen war, kam er im Sommer 2016 zum TuS und war dort am Neubeginn beteiligt (unter anderem aufgrund der gescheiterten Kooperation mit dem VfL Gummersbach für die 3. Liga). Weil sich Bergneustadt damals vom Spielbetrieb verabschiedete, waren gleichzeitig einige Spieler frei – wie etwa Norman Krause oder Nils Welke. „Mit Nils arbeite ich schon seit acht Jahren zusammen“, berichtet Weinheimer, „und vielleicht ist es für einen Spieler nicht schlecht, wenn er mal einen anderen Input bekommt.“ An diesem anderen Input könnte Weinheimer durchaus entscheidend beteiligt sein: „Der Verein braucht jetzt zuerst einen Trainer.“ Eine Empfehlung in diese Richtung hat der Noch-Coach bereits abgegeben, weil sein Herz durchaus am TuS Derschlag hängt – und weil er dem Verein vielleicht bis wahrscheinlich in einer anderen Funktion erhalten bleibt. Ein Oberligist mit Ambitionen auf etwas mehr sollte seiner Ansicht nach einem Trainer einige wichtige Dinge abnehmen, die rund um ein erfolgreiches Team zu erledigen sind. Stichwort: Sportlicher Leiter. „Krauti hat damals viel weggeblockt“, sagt Weinheimer, der sich dieses Aufgabengebiet für sich selbst durchaus sehr gut vorstellen kann. Es wäre wohl für beide Seiten das, was heute im neuen Deutsch als „Win-Win-Situation“ durchgeht. Der Verein hätte eine Lücke geschlossen und einen Experten an Bord, der sich im Handball allgemein und im Bergischen besonders optimal auskennt. Außerdem bekäme Weinheimer jene Freiheit, die er sich wünscht und er könnte sich wenigstens gelegentlich einen handball-freien Tag erlauben: „Ich war ja jetzt acht Jahre total an den Kalender gebunden und habe gefühlt seit 97 oder 98 Jahren mit Handball zu tun.“
Dass die Trainer-Verpflichtung relativ bald erledigt sein muss, liegt in der Natur der Sache. Die Planungen für die nächste Saison laufen schließlich überall auf Hochtouren – und jeder Spieler will wissen, mit welchem Coach er es demnächst zu tun hat. In Derschlag gilt es zudem mindestens eine Stütze des bisherigen Kaders zu ersetzen, weil Kreisläufer Philipp Krefting zum Regionalliga-Spitzenreiter TuS 82 Opladen wechselt und hofft, dort in der 3. Liga auflaufen zu können. „Sein Wechsel ist keine Sensationsnachricht“, findet Weinheimer, „da ist auch alles sauber gelaufen.“ Sportlich traut er Krefting den Sprung zu – was erneut unterstreicht, dass der Verlust für die Derschlager herb ist. Wie viel Arbeit rund um den reinen Spielbetrieb zu erledigen ist, zeigt außerdem der „Fall Yuri Pishchukhin“. Der Russe, erst im September 2019 auf Vermittlung von Michael Romanov aus Riga (Lettland) gekommen, ist seit einiger Zeit nicht mehr an Bord – weil er als Nicht-EU-Bürger nur im Besitz eines inzwischen abgelaufenen Reisevisums und ein Arbeitsvisum offensichtlich gar nicht oder jedenfalls nicht schnell genug zu beschaffen war.
Unabhängig von der Neu-Besetzung des Trainerpostens oder der Wieder-Besetzung der Sportlichen Leitung bereiten sich zurzeit alle im Oberbergischen auf einen besonderen Höhepunkt vor, denn am kommenden Sonntag steht das Viertelfinale des Deutschen Amateurpokals beim Regionalliga-Zweiten SG Langenfeld auf dem Programm. Deswegen war zuletzt die Oberliga-Partie gegen den gefährdeten TuS 82 Opladen II bereits ein Teil der Vorbereitung – was mit erklärt, warum das Ergebnis am Ende mit dem 35:30 nach einer Zwölf-Tore-Führung relativ knapp ausfiel. Derschlag träumt von Hamburg, wo Anfang April das Halbfinale und das Finale des Amateurpokals zu Hause sind. Und das Endspiel gehört dort sogar zur großen Show rund ums Endspiel der Profis. Dass der TuS in Langenfeld der krasseste mögliche Außenseiter ist, machte das Ganze insgesamt noch reizvoller für Derschlag. Das ist schließlich das Besondere an Märchen: Sie erzählen immer von wundersamen Begebenheiten. Sollte Derschlag das Wunder wahr werden lassen und das Hamburg-Ticket lösen, würde sich an einem wenig ändern: Ralph Weinheimer hört als Derschlager Trainer definitiv nach dieser Saison auf – und beim TuS wäre ihm keiner böse: „Ich gehe nicht im Zwist.“ Dass Weinheimer den Handball ganz lässt, ist im Übrigen eine ziemlich schräge Vorstellung. Das Feuer brennt immer noch.