Regionalliga Nordrhein/Oberliga Mittelrhein
Langenfeld und Derschlag sind in Hamburg verliebt
Für zwei Vereine aus dem Harzhelden-Gebiet ist der Deutsche Amateurpokal ein Traum. Weiterkommen kann aber nur einer.

Volle Kraft voraus: Auch Thorben Schneider (mit Ball) will für den TuS Derschag (ganz rechts Philipp Krefting) alles geben, um den Traum von Hamburg vielleicht wahr werden zu lassen. (Foto: Judith Uessem)

Am Anfang haben ihn viele kaum wahrgenommen und auch heute noch zeigen ihm manche die kalte Schulter – weil der Aufwand tatsächlich relativ hoch ist. Die Veranstaltung ist ja schließlich beim Deutschen Handball-Bund angesiedelt, der bei der Einführung des Wettbewerbs zur Saison 2014/2015 entsprechend umfangreiche Vorschriften erlassen hat. Wer mitmachen will, muss sich nicht nur überhaupt qualifizieren, sondern zugleich ein umfangreiches Pflichtenheft durcharbeiten. Dazu ist offensichtlich nicht jeder bereit, der als Sieger seines Verbandspokals zur Teilnahme berechtigt wäre. Diesmal verzichteten immerhin die Gewinner aus sieben von 22 Landesverbänden: Vereine aus Baden, Brandenburg, Bremen, Hessen, Pfalz, Rheinhessen und dem Rheinland kamen nicht in den Lostopf fürs Achtelfinale. Was die betroffenen Klubs sparen: Terminstress, organisatorischen Aufwand, Kosten unter anderem für womöglich weite Fahrten. Was ihnen entgeht: Die Aussicht, sich auf der Landkarte seines Sports bekannter zu machen – und vor allem die Chance auf ein einmaliges Erlebnis. Alle eint der Traum von Hamburg. Wer einmal da war, wird es vermutlich nie mehr vergessen. Dichter dran an die Großen des Sports kommt der normale Handballer, der seiner Leidenschaft außerhalb des Berufssports nachgeht, fast nicht mehr. Die Entscheidung im Amateurpokal ist immer ein Bestandteil des Final-Four-Turniers, in dem die oberste Etage des deutschen Handballs ihren Pokalsieger ermittelt. THW Kiel, SG Flensburg-Handewitt, Rhein-Neckar Löwen, SC Magdeburg oder Füchse Berlin sind plötzlich für ein paar Stunden zum Greifen nah.

Wer in diesem Jahr ein Ticket für Hamburg anstrebt, braucht dazu für den 4./5. April nach dem Triumph im Verbandspokal nur zwei weitere Etappen zu bewältigen – fast eine Kleinigkeit im Vergleich zur Meisterschaft, die meistens aus 26 Spieltagen besteht. Der Mittelrhein-Pokalsieger TuS Derschlag und der Niederrhein-Pokalsieger SG Langenfeld haben dabei den ersten Schritt jeweils schon hinter sich: Derschlag aus der Oberliga Mittelrhein besiegte die HSG Werratal aus der Thüringenliga im Achtelfinale mit 24:18, Langenfeld aus der Regionalliga Nordrhein machte mit den stärker eingeschätzten Sportfreunden Loxten aus der Oberliga Westfalen beim 40:33 kurzen Prozess. Jetzt wird bereits im Viertelfinale am kommenden Wochenende darüber entschieden, wer ein Hotel in Hamburg buchen „muss“ – und die SGL ist in eigener Halle sicher Favorit gegen Derschlag (Sonntag, 17 Uhr, Halle Konrad-Adenauer-Gymnasium). Die übrigen Viertelfinale-Paarungen: HV Oberlausitz Cunewalde (Sachsen) – SG OSF Berlin (Samstag, 16 Uhr), SG VTB Altjürden (Niedersachsen) – SG Wift/Neumünster (Schleswig-Holstein/Samstag, 19.30 Uhr), MSG HF Illtal (Saar) – TuS Helmlingen (Südbaden/Sonntag, 17 Uhr). Grundsätzlich startberechtigt sind im Amateurpokal lediglich Vereine bis zur Oberliga – was aber auch die SG Langenfeld einschließt, weil die vor einigen Jahren eingeführte Regionalliga Nordrhein im Bereich des Westdeutschen Handball-Verbandes grundsätzlich eine verkappte Oberliga ist – die seinerzeit die jeweils sechs besten Teams aus den Oberligen Niederrhein und Mittelrhein zusammenführte.

Kennt sich aus: André Moser (Nummer 23) gehörte zur Langenfelder Mannschaft, die 2016 schon in Hamburg den Deutschen Amateurpokal gewann. (Foto: Tobias Swawoll)

Neu bei der sechsten Auflage des Amateurpokals: Der DHB hielt es für eine gute Idee, das Halbfinale zum ersten Mal ebenfalls in Hamburg ausgetragen. Diese beiden Partien sind allerdings nicht im Handball-Tempel Barclaycard-Arena zu Hause, wo am 4. April die Bundesligisten MT Melsungen und TSV Hannover-Burddorf sowie TBV Lemgo Lippe und THW Kiel ihre Halbfinalspiele im DHB-Pokal bestreiten – vermutlich vor 13000 Fans in einer tollen Atmosphäre. Die Amateure sind parallel dazu in der Sporthalle Wandsbek untergebracht, die 2300 Zuschauern Platz bietet und bei den Halbfinals wohl nicht ausverkauft sein dürfte. Die beiden Gewinner ziehen dann am 5. April mit um in die große Halle und spielen um 11 Uhr vor dem Finale der Profis (14.15 Uhr) ihren Sieger aus. Ein Trostpreis für die Verlierer: Der Deutsche Handball-Bund ehrt in der einmaligen Atmosphäre alle vier Halbfinalisten. Klar ist trotzdem: Wer einmal in Hamburg ist, will in der großen Arena unten aktiv auf dem Feld dabei sein. Nicht unwahrscheinlich: Wer nach dem Finale vom Feld geht, läuft auf dem Weg in die Kabine vielleicht der Prominenz des THW Kiel über den Weg – einem Patrick Wiencek, einem Holger Weinhold, einem Niklas Landin, einem Domagoj Duvnjak oder einem Filip Jicha, der eine Kieler Legende und inzwischen der Trainer des Bundesliga-Tabellenführers ist. Die Top-Stars gelten rund ums Final-Four immer als sehr gesprächsbereit. Kleine Einschränkung beim THW: Er müsste vorher sein Halbfinale gegen Lemgo gewonnen haben.

Aus den bisher fünf Ausgaben im Amateurpokal ergibt sich eine erstaunliche statistische Tatsache: Wer ins Finale gelangt, ist nicht nur im Pokal sehr erfolgreich – sondern in der Regel auch in der Meisterschaft. Im Jahr 2015 setzte sich DHK Flensborg aus Schleswig-Holstein durch – und schaffte im Parallelflug den Aufstieg in die 3. Liga. Zwölf Monate später ließ Langenfeld am Ende der erfolgreichsten Saison in seiner Handball-Geschichte der Oberliga-Meisterschaft den Triumph im Amateurpokal folgen – und stieg zeitgleich in die 3. Liga auf. Für 2017 trug sich der Westfalen-Oberligist TuS Spenge in die Siegerliste ein, ehe er das Kunststück 2018 wiederholte – und den Sprung in die 3. Liga schaffte, dort sein Premierenjahr auf Rang drei abschloss und im Moment als Vierter wieder glänzend unterwegs ist. Im Frühjahr 2019 gewann der ATSV Habenhausen (Bremen) das dramatische Finale mit 31:28 nach Verlängerung und Siebenmeter-Werfen gegen BTB Aachen aus der Regionalliga Nordrhein. Stand der Dinge in der Oberliga Nordsee: Habenhausen hat mit 28:6 Punkten als Zweiter hinter dem TV Cloppenburg (30:4) durchaus gute Aussichten auf die Rückkehr in die 3. Liga. Langenfeld wird daraus trotzdem wenig für die eigenen Aussichten in der Regionalliga 2019/2020 ableiten: Der Rückstand des Zweiten (21:13 Punkte) auf den Spitzenreiter TuS 82 Opladen (27:7) ist einfach zu groß. Und Derschlag macht sich für die Oberliga Mittelrhein nichts vor: Von Rang vier aus (22:10 Punkte) ist der Spitzenreiter HC Gelpe/Strombach (30:4) nicht mehr einzuholen. Dass das März-Programm für den TuS unter anderem mit dem Nachholspiel beim SSV Nümbrecht (Dienstag, 10. März) rappelvoll ist? Geschenkt. Obwohl der Aufwand so hoch ist, zeigen weder die Derschlager noch die Langenfelder dem Amateurpokal die kalte Schulter. Für beide ist Hamburg ein heiße Liebe.