Deutscher Amateurpokal
Zwei Trainer, ein Traum: Becker gegen Weinheimer
Regionalligist Langenfeld und Oberligist Derschlag wollen zum großen Finale nach Hamburg.

Der „alte“ Mann und der Handball: Axel Sierau ist ein besonderer Typ. Deshalb wurde er im Dezember auch zum Harzhelden 2019 gewählt. (Foto: Judith Uessem)

Es ist eins jener Spiele, in denen die Rollen mehr als nur einfach klar verteilt zu sein scheinen. Hier ist der Regionalligist SG Langenfeld, der in diesen Wochen von Erfolg zu Erfolg eilt und in der Meisterschaft mittlerweile auf dem zweiten Platz angekommen ist. Dort steht der TuS Derschlag, der in der Oberliga Mittelrhein von Rang fünf aus nicht mehr viel nach ganz vorne bewegen kann. Von zehn Vergleichen würde Langenfeld vermutlich neuneinhalb oder noch ein bisschen mehr für sich entscheiden. Die große Unbekannte: Wen beflügelt der Traum von Hamburg mehr? Nimmt die SGL, die ja bereits in der Siegerliste des Deutschen Amateurpokals steht, noch mehr Schwung mit? Oder bekommt der Außenseiter aus dem Oberbergischen mit dem Torhüter-„Oldie“ Axel Sierau plötzlich Flügel, weil er sowieso nichts zu verlieren hat? Das Viertelfinale verdrängt zumindest für die aktiv beteiligten Spieler sogar den rheinischen Karneval in die zweite Reihe. Am Sonntag ab 17 Uhr ist in der Halle am Konrad-Adenauer-Gymnasium die hohe Zeit für Handball: Langenfeld erwartet Derschlag. Es geht um die Fahrkarte fürs Halbfinale und Finale in Hamburg. Es sollte – bei aller Leidenschaft auf beiden Seiten – ein Duell in freundschaftlicher Atmosphäre werden, weil die Trainer Markus Becker (SGL) und Ralph Weinheimer (TuS) einen glänzenden Draht zueinander haben. Noch in dieser Woche haben sie miteinander telefoniert, um sich über dieses und jenes auszutauschen. Auch das Viertelfinale war dabei natürlich ein Thema – wobei die Herren selbstredend die eigenen taktischen Überlegungen, die sie gewöhnlich gerne miteinander teilen, ausnahmsweise für sich behielten. Im Harzhelden-Doppel-Interview äußern die Herren als Kollegen einen hohen Respekt vor der Arbeit des anderen und vor dessen Mannschaft. Auf einen genauen Tipp mag sich ebenfalls keiner festlegen. Am Ende wird es trotzdem nur einen geben können, der die Fahrkarte nach Hamburg löst. Gemeinsam haben Becker und Weinheimer danach noch eins: Beide geben ihr Amt nach dieser Saison ab – einer von beiden im besten Fall sogar als Deutscher Amateurpokalsieger 2020.

 

RALPH  WEINHEIMER

Zeichensprache eins: Derschlags Trainer Ralph Weinheimer scheint in seinen Auszeiten eine Spur zurückhaltender zu sein. (Foto: Judith Uessem)

Du kennst ja deinen Trainerkollegen ganz gut. Wie siehst du ihn und seine Arbeit?

Wir kennen uns mittlerweile seit knapp acht Jahren. Damals war ich in Bergneustadt und er hat Longerich II trainiert. Das Thema Video war da noch nicht so verbreitet und wir haben uns dann drei oder vier Mal die Woche ausgetauscht – über Gegner, über Spieler und über Vereine. Von Markus habe ich eine sehr hohe Meinung, denn er ist ein absolut akribisch arbeitender Fachmann und menschlich ein super Typ. Ich finde, das Spiel der Langenfelder trägt deutlich seine Handschrift.

Was zeichnet denn die SG Langenfeld aus?

Das ist sicher die stabile 5:1-Deckung. Außerdem spielen sie ein richtig brutales Tempo nach vorne. Ich glaube, dass dieses Tempo in der Oberliga Mittelrhein keiner spielt und auch in der Regionalliga nicht jede Mannschaft. Sie haben viele innovative Lösungen auch im gebundenen Spiel und der Kader ist offensichtlich extrem ausgeglichen.

Wie schätzt du das Niveau der Regionalliga ein?

Das ist für mich schwer zu beurteilen. Okay, wir haben ja Mittelrheinpokal gespielt und dabei Wahn und Weiden geschlagen. Dann haben wir in der Vorbereitung ein Turnier gespielt, bei dem Bonn, Remscheid und Korschenbroich dabei waren. Insgesamt scheint die Liga relativ ausgeglichen zu sein. Das bedeutet. dass du jede Woche für deine Punkte richtig hart kämpfen musst. Du hast also kein Fallobst, dass du vielleicht im Vorbeigehen mitnehmen kannst. Ich glaube, dass die Top-Mannschaften in der Spitze wie Opladen, Langenfeld und Korschenbroich an einem guten Tag auf vernünftigem Drittliga-Niveau performen können. Insgesamt bin ich aber sicher nicht der absolute Intimkenner der Regionalliga, aber ich weiß schon ein bisschen, wie es da läuft.

Auf welche Langenfelder müsst ihr besonders aufpassen, wer sind die tragenden Säulen?

Es macht relativ wenig Sinn, da einen einzelnen Spieler zu benennen. Langenfeld besticht durch einen durchweg bärenstark besetzten Kader, der sehr ausgeglichen ist. Ich glaube, da ist so gut wie jeder Spieler eins zu eins zu ersetzen. Klar kann man sagen, dass ein Felix Korbmacher, der zu den Bergischen Panthern geht, vielleicht ein bisschen heraussticht. Die Panther holen ihn ja nicht umsonst. Auch Mittelmann André Boelken und Torhüter Jascha Schmidt sind gute Leute. Aber es würde den anderen nicht zwingend gerecht, wenn man sie raushebt. Die sind schon durchgängig stark besetzt. Natürlich wissen wir, was da auf uns zukommt. Es ist nicht so, dass wir da irgendwo am Sonntag wie die Ahnungslosen in der Halle stehen.

Der TuS Derschlag gewinnt, weil…?

Ich bin kein Freund davon, im Vorfeld rauszuhauen: Wir gewinnen! Das passt vor allem nicht in dieser Konstellation. Sollten wir allerdings gewinnen, was natürlich das Ziel ist, dann ist es sicherlich so, dass wir einen überragenden Tag erwischt haben, an dem alles gepasst hat. Genau den werden wir für einen Sieg auch benötigen. Das ist jedem klar. Fakt ist, dass wir uns auf Sonntag freuen und wir wollen natürlich nach Hamburg. Unser Problem ist: Langenfeld hat was dagegen und möchte da auch hin. Auf der anderen Seite waren sie ja schon mal da. Wir schauen, einfach, wie es läuft. Die Vorfreude ist auf jeden Fall riesig.

 

MARKUS BECKER

Zeichensprache zwei: SGL-Trainer Markus Becker ist auch in seinen Auszeit-Ansprachen immer besonders lebhaft. (Foto: Thomas Ellmann)

Du kennst ja deinen Trainerkollegen ganz gut. Wie siehst du ihn und seine Arbeit?

Wir haben natürlich eine gemeinsame Vergangenheit. Angefangen hat das vor acht Jahren, als ich noch Trainer beim Longericher SC II war und Ralph in Bergneustadt. Fachlich halte ich sehr viel von ihm und menschlich kommen wir sehr gut miteinander klar. Wir vertreten nur komplett unterschiedliche Spiel-Philosophien.

Was zeichnet denn den TuS Derschlag aus?

Derschlag spielt eine sehr robuste 6:0-Deckung und hat im Angriff aus der zweite Reihe eine sehr ordentliche Wurfkraft. Ralph legt sehr viel Wert auf die Arbeit in der Abwehr und es ist sehr unangenehm, dagegen zu spielen. Vorne haben sie eine sehr gute Spielanlage, bei der du vor Überraschungen nie sicher bist.

Wie schätzt du das Niveau der Oberliga ein?

Das kenne ich noch von früher. Ich denke, dass das Niveau am Mittelrhein sehr schwankend ist. Es gibt drei oder vier Mannschaften mit höheren Zielen. Der eine nimmt Geld in die Hand und der andere nicht. Der TuS Derschlag hat auch Geld in die Hand genommen und in die Mannschaft investiert.

Auf welche Derschlager müsst ihr besonders aufpassen, wer sind die tragenden Säulen?

Da ist sicher zuerst die Achse mit Spielern wie Michael Romanov, Philipp Krefting oder Thorben Schneider zu nennen. Und nie vergessen darfst du einen Torhüter wie Axel Sierau. Ihn kenne ich schon seit ewigen Zeiten und es ist unglaublich, was er mit 49 noch hält. An einem richtigen guten Tag ist er in der Lage, ein Spiel zu entscheiden. Zusammen mit der Abwehr bearbeiten sie dich und das kann dir richtig wehtun.

Die SG Langenfeld gewinnt, weil…?

Das kann ich so beim besten Willen nicht beantworten und wir müssen das abwarten. Wenn wir es schaffen, dann aufgrund der Geschlossenheit, der Ausgeglichenheit des Kaders und unser Tempo. Aber ich habe grundsätzlich sehr viel Respekt vor dem Gegner und den erwarte ich auch von meiner Mannschaft. Auf der anderen Seite haben wir natürlich im Moment wirklich eine breite Brust.

Treibende Kraft: Felix Korbmacher (beim Wurf) ist einer jener Langenfelder, die dem Spiel ihren Stempel aufdrücken können. (Foto: Thomas Ellmann)