Harz beiseite
Ein Traum: „Kleines“ Königsdorf bald im Konzert der Großen?
Die A-Jugend des TuS dominiert die Regionalliga Nordrhein. Und alle haben richtig Bock auf die Bundesliga.

Bereit zum großen Wurf: Moritz Köster (beim Siebenmeter) und die Königsdorfer A-Jugend würden liebend gerne probieren, wie sie in der Bundesliga aussehen. (Foto: Karla Mertes)

Das sind die Prominenten dieses Sports: SG Flensburg-Handewitt, Rhein-Neckar Löwen, SC Magdeburg, SC DHfK Leipzig, Füchse Berlin, VfL Gummersbach, TSV GWD Minden, TSV Bayer Dormagen. Alle acht Klubs, deren Top-Teams in der 1. und 2. Bundesliga zu Hause sind, stehen zurzeit in der Endrunde um die Deutsche Meisterschaft und haben dort gute bis sehr gute Chancen, sich fürs Viertelfinale zu qualifizieren. Aber Angst vor großen Namen? Kennen sie beim TuS Königsdorf nicht. Die männliche A-Jugend des Vereins aus dem größten Frechener Stadtteil ist zurzeit auf dem besten Weg, sich einen sportlichen Traum zu erfüllen: Für die nächste Saison ist ein Platz in der A-Jugend-Bundesliga möglich. Dass der TuS dort vielleicht ein Exoten-Dasein führen würde – kein Problem. Es wäre die Vollendung eines ungewöhnlichen Projekts aus einem ungewöhnlichen Klub, für den der Handball eine echte Leidenschaft ist – und der damit zeigt, dass das Herz dieses Sports an so vielen Stellen schlägt.

Der TuS Königsdorf blickt auf eine Jugend-Abteilung, um die ihn viele Top-Klubs beneiden dürften – aus dem Harzhelden-Gebiet sicher alle Drittligisten, sämtliche Regionalligisten und die Oberligisten an Mittelrhein und Niederrhein. In der Regionalliga Nordrhein sind zunächst die B-Jugend und die C-Jugend zu Hause. Beide halten sich im Mittelfeld auf – wie die weibliche B-Jugend, die ebenfalls der höchsten Klasse im Westdeutschen Handball-Verband angehört. Den Ausreißer nach oben gibt die männliche A-Jugend, die in der Regionalliga nach 17 von 22 Begegnungen mit makellosen 34:0 Punkten an der Tabellenspitze liegt. Daraus folgt: Weil der Fünfte SG Überruhr (20:16) weit zurückliegt, hat die Mannschaft von TuS-Trainer Ole Romberg mindestens den vierten Rang bereits sicher – und damit ein Ticket für die Qualifikation zur Bundesliga. Wie das möglich ist? Ein Wunder liegt in Königsdorf nicht vor, aber es passen verschiedene Puzzleteile momentan sehr günstig zusammen.

Gemeinsam stark sind Christoph Mertes, Moritz Köster, Jonne Sjoel, Louis Friemel, Marius Többen, Loic Marth, Henrik Scheer, Lasse Hodapp (obere Reihe, von links), Lars Mangelmann, Kari Klebinger, Emil Stramitzer, Julius, Landmann, Elvan Kromberg und Trainer Ole Romberg (unten von links). Es fehlen: Nico Pick (Co-Trainer), Caspar Braumann, Tom Winkelius, Clemens Zilligen, Tim Becker, Florian Koll, Florian Böckenholt und Jan Lux. (Foto: Karla Mertes)

Nicht ganz unwichtig: In Königsdorf haben sie die Bodenhaftung behalten. „Wir haben in Spielen gegen viele von den schwierigen Gegnern auch Glück gehabt“, findet Romberg, „wir haben uns von schlecht nach gut gesteigert und wir hatten bisher wenige bis gar keine verletzten Spieler. Und wir gehen das alles mit sehr viel Spaß an.“ So viel Stolz muss dann am Ende trotz aller Zurückhaltung sein: „Wir haben eine geile Mannschaft.“ Das Team, das überwiegend aus Spielern des jüngeren Jahrgangs in der A-Jugend besteht (2002) und selbst B-Jugendliche im Kader hat (2003/2004), kam nur zweimal in die Nähe einer Niederlage – beim 26:23 über die SG Überruhr (Fünfter) und beim 28:27 in Siebengebirge (Sechster). Überraschend deutlich fiel letztlich der 29:23-Sieg beim ersten Verfolger TV Ratingen aus (31:3 Punkte), dem der TuS-Coach dennoch jede Menge Qualität bescheinigt: „Ratingen spielt den erwachsensten Handball.“ Ob sich der Tabellenzweite noch einmal an den TuS heranschieben kann, wird sich spätestens am 14. März im Rückrunden-Duell zeigen.

So ungewöhnlich wie die Erfolgsserie, die in Königsdorf alle überrascht, ist die Mischung aus Trainern und Spielern bis hin zur Anbindung an die ersten Herren. Trainer Ole Romberg, dessen jüngerer Bruder Nils bei der A-Jugend im Tor steht, ist erst 21 Jahre alt und Jahrgang 1998 – wie sein Co-Trainer Nico Pick. Vor knapp zwei Jahren trat der Verein mit der Frage an den einstigen C-Jugend-Coach Romberg heran, ob er sich vorstellen könne, den ältesten Nachwuchs verantwortlich zu übernehmen. Der Gefragte konnte und sagte zu – und es gibt bis heute keinerlei Autoritäts-Probleme im Umgang mit Spielern, die beinahe dasselbe Alter haben wir ihr Trainer: „Klar haben wir eine sehr flache Hierarchie. Was ich sage, hat aber Gewicht.“

Das ist meiner: Torhüter Elvan Kromberg und seine Vorderleute haben bisher in der Regionalliga in 17 Spielen nur 351 Gegentore zugelassen – keine 21 pro Partie. In der Bundesliga gäbe es sehr wahrscheinlich noch viel mehr zu halten. (Foto: Karla Mertes)

Was ebenfalls ziemlich verrückt aussieht und trotzdem so gut zu Königsdorf passt: Im einen Moment ist Romberg der Trainer, im anderen wechselt er die Rolle und wird in den ersten Herren des TuS plötzlich zum Mitspieler. Ole Romberg und ein Teil der A-Jugend sind fester Bestandteil im Aufgebot von Trainer Franziskus Bleck – mit identischer Leidenschaft. Alle sind sich einig, dass es künftig durchaus mehr als die Landesliga sein darf/muss, um den nachrückenden Talenten eine passende sportliche Perspektive zu geben. Die Erfolge und die Qualität der Nachwuchs-Arbeit im TuS haben sich schließlich längst bis zur Konkurrenz herumgesprochen: „Dass die Jungs für andere interessant werden, ist klar. Mit den Senioren wollen und müssen wir hoch.“

Lehramtsstudent Romberg weiß, dass die Leistungen des Teams auf dem Feld nicht ohne viele Unterstützer hinter den Kulissen möglich wären. „Es gibt einen unglaublich guten Zusammenhalt im Verein und es wird sehr viel fürs Vereinsleben getan. Viele sind sehr engagiert und haben einfach richtig Lust, sich um Handball zu kümmern.“ Das Zusammenspiel aller Beteiligten ist zudem die notwendige Grundlage dafür, dass die Königsdorfer A-Jugend ihren Traum von der Qualifikation zum Kreis der Großen leben kann. „Wenn wir sportlich dürfen, werden wir den Rahmen stemmen können“, erklärt Romberg. Ihn und seine Spieler hat eine besondere Art von Handball-Fieber erfasst: „Das wäre für uns eine Ehre, auch für mich als Trainer.“ Ob es zum ganz großen Wurf reicht, wird sich erst in der Qualifikation zeigen – für die Einzelheiten erst später auf dem Tisch liegen, wenn sämtliche Meldungen vorliegen. Der TuS hat seine längst abgegeben, obwohl er weiß, dass die Siege in der Bundesliga viel, viel seltener vorkommen würden. „Wir haben richtig Bock drauf“, sagt Ole Romberg. Angst vor großen Namen? Kennen sie beim TuS Königsdorf nicht.