04. März 2020 | Zurück zur Artikelübersicht » |
Die Verbindung hielt nicht mal eine Saison lang. Ob die HG Remscheid den Klassenerhalt schafft, ist dabei ungewiss. Sehr sicher ist, dass der erst vor neun Monaten im Sommer 2019 als Nachfolger von Lukas Steinhoff zum Regionalliga-Aufsteiger HG Remscheid gekommene Frank Berblinger das Ende nicht auf der Bank der Mannschaft erleben wird – denn er ist nicht mehr zuständig. Dem ehemaligen Bundesligaspieler widerfuhr jetzt, was in vergleichbaren Situationen bereits vielen Kollegen passiert ist: Der Verein hielt es für die richtige Lösung, sich mit sofortiger Wirkung von seinem Chefcoach zu trennen. Ralf Hesse, der Vorsitzende und Macher der HG, beschränkte sich in seiner Begründung auf knappe Worte: „Wir möchten mit dem Trainerwechsel neue Impulse setzen und erhoffen uns dadurch positive Ergebnisse.“ Entsprechende Ergebnisse können die Remscheider im weiteren Kampf gegen den Abstieg tatsächlich sehr gut gebrauchen, denn der Klassen-Neuling steht acht Runden vor Schluss mit dem Rücken zur Wand. Mit 11:25 Punkten gibt es auf Rang 13 die höchste Gefahrenstufe und nur das Schlusslicht MTV Rheinwacht Dinslaken hat mit 9:27 Zählern eine schlechtere Ausbeute. Stand der Dinge: Wäre die Serie 2019/2020 jetzt vorbei, müssten die Remscheider zusammen mit Dinslaken runter in die Oberliga. Sollte es einen erhöhten Abstieg geben (hängt von der Entwicklung in der 3. Liga ab), wären zusätzlich die HSG Siebengebirge (13:21) und der TV Jahn Köln-Wahn (13:23) an der Verlosung beteiligt. Sicherheit gibt es zurzeit erst beim Neunten TV Aldekerk und beim Zehnten HC Weiden (jeweils 17:17).
Berblinger hatte selbst nach der enttäuschenden 25:26-Heimpleite gegen den Köln-Wahn nicht mit der Entwicklung gerechnet und gedanklich längst mit den Vorbereitungen auf die kommende Aufgabe am Samstag beim Dritten TV Korschenbroich begonnen. „Das kam für mich wie aus heiterem Himmel“, sagt der 43-Jährige, „ich habe immer hundert Prozent gegeben und mir nichts vorzuwerfen. Wir haben uns hier alle zusammen ein dreiviertel Jahr lang den Arsch aufgerissen.“ Nachvollziehen kann er den Schritt nicht – zumal seiner Ansicht nach der Sprung ans rettende Ufer auf der Zielgeraden der Saison durchaus keine Utopie gewesen wäre. Frank Berlinger schluckt viel Unverständnis herunter, trägt die Entlassung jedoch nach außen ziemlich professionell und hat sich natürlich persönlich von der Mannschaft verabschiedet: „Wenn der Verein meint, dass er neue Impulse braucht, dann ist das sein gutes Recht und ich habe das zu akzeptieren. Den Jungs drücke ich die Daumen, dass sie es schaffen – und ich habe ihnen gesagt, dass sie weiter Gas geben sollen.“ Seine eigene Zukunft sieht er definitiv weiter im Handball – aber eher nicht kurzfristig: „Ich glaube, in den kommenden ein oder zwei Wochen werde ich nicht in einer Halle zu sehen sein.“ Das Plus an freier Zeit will er gerne seiner Familie widmen. Wie sich die Dinge für 2021/2022 entwickeln, ist wieder eine andere Frage: „Ich bin von meiner Arbeit überzeugt und ich bin nicht bange, dass da nichts mehr an Angeboten kommt.“
Tobias Geske ist zwar seit Anfang der Saison nicht mehr der Kapitän der Remscheider, weil Berlinger das Amt an Lukas Pütz übertrug, doch der Keeper gilt als Führungsspieler und dabei als klassischer „emotionaler Leader“, weil er aus seinen Emotionen eigentlich nie ein Geheimnis macht. „Die Situation ist nicht ganz einfach“, findet Geske, „das ist wie in der Bundesliga, in der es immer den Trainer zuerst erwischt. Menschlich tut mir das sehr leid, denn ich habe gerne mit Frank zusammengearbeitet. Auf der anderen Seite verstehe ich es, dass der Verein alles dafür tut, die Klasse zu halten und in der Liga zu bleiben.“ Dass die Remscheider das Zeug dazu haben, in der Regionalliga zu bleiben, steht für den 32 Jahre alten Torwart ebenfalls fest – unter der Bedingung, dass die Leistungen konstanter und die Auftritte cleverer werden. Am vergangenen Wochenende etwa führte die HG im Kellerduell gegen Köln-Wahn mit 22:18 (47.), ehe sie gegen einen bestens motivierten und mit toller Mentalität ausgestatteten Kontrahenten komplett die Übersicht, dadurch den Faden und letztlich das Spiel verlor. Passend zur angespannten Lage der Hausherren: Sebastian Schön fing sich in der zweiten Halbzeit wegen Schiedsrichter-Beleidigung eine Blaue Karte ein – verbunden mit einem Sonder-Bericht der Schiedsrichter und einer zu erwartenden Sperre. Außerdem scheiterte Felix Handschke in der letzten Szene des Spiels mit einem Siebenmeter ans Wahns Torhüter Oliver Kierdorf, sodass es nicht mal zu einem Unentschieden reichte.
Handschke und Schön hatte die HG vor einigen Wochen zusammen mit Niklas Weis von den Rhein Vikings zu sich lotsen können, nachdem der Drittligist wegen Zahlungsunfähigkeit aus dem Spielbetrieb ausgestiegen war. Die beiden ersten Einsätze mit verstärktem Kader brachten das knappe 31:32 beim TV Rheinbach und das in dieser Form desaströse 34:42 gegen die TSV Bonn rrh. mit Trainer David Röhrig. Anschließend kämpfte sich Remscheid zu zwei wertvollen Siegen – 25:24 gegen den BTB Aachen, 24:23 bei der HSG Siebengebirge. Für HG-Chef Ralf Hesse war das offensichtlich nicht genug und nach der Niederlage gegen Wahn der Zeitpunkt des Handelns gekommen. Unklar ist bisher, wer die Berblinger-Nachfolge antritt. Das Training in dieser Woche leitete Co-Trainer Jörg Müller, der vermutlich auch am Samstag in der Partie beim TV Korschenbroich die Verantwortung trägt. Auf ihn und die Mannschaft wartet nicht nur dort eine schwierige Aufgabe, denn das Restprogramm hat es in sich. Spätestens am 9. Mai nach dem Saisonfinale gegen den Spitzenreiter TuS 82 Opladen wird feststehen, ob die Trainer-Entlassung was gebracht hat – oder ob sie überflüssig-fantasielos war.