Handball-Online-Kongress
Ganz schön groß: Auch Weltmeister Klein ist dabei
Beide sind Torhüter, aber nicht nur: Markus Eickelmann und Axel Sierau haben sich was Neues für die Basis ausgedacht.

Ein Ball voller Kleber und drei Buchstaben: Der erste Handball-Online-Kongress ist auch etwas für echte Harzhelden.

Die Handball-Welt ist sich ziemlich einig: „Torhüter sind alle verrückt.“ Das ist ja nicht böse gemeint, sondern eine liebevolle Anerkennung dafür, dass sich da einer im Hochgeschwindigkeitssport von heute freiwillig zwischen die Pfosten stellt – und in der Regel sogar Spaß daran hat. Manche kommen nie davon los, weil sie es nicht können und nicht wollen. Handball ist Hobby und mindestens Berufung, manchmal Teil des Berufs. Einer von denen, auf die alles zutrifft: Axel Sierau. In seiner Freizeit steht er im Oberliga-Team des TuS Derschlag zwischen den Pfosten oder er trainiert die Kreisliga-Damen der Oberbergischen. Aufhören? Kein Thema. Sierau dürfte der jüngste 49-Jährige sein, der in den Hallen dieses Landes unterwegs ist. Vielleicht hat Bob Dylan das alles geahnt, als er 1974 „Forever Young“ veröffentlichte, aus dem Ruhrpott-Poet und Schauspieler Herbert Knebel (alias Uwe Lyko) mit seinem Affentheater vier Jahrzehnte später eine Hymne über das Älterwerden gemacht hat. Wichtigste Botschaft: „Hauptsache, du bleibst von innen jung.“ Dynamik, immer den Blick aufs Neue richten, einfach etwas ausprobieren, mutig experimentieren: Das hat Axel Sierau mit Markus Eickelmann gemeinsam. Was die beiden sportlich verbindet: Eickelmann ist ebenfalls Torhüter. Was ihn von Sierau unterscheidet: Er ist erst 37 und hütet seit Kurzem nach dreijähriger Elternzeit-Auszeit den Kasten beim TuS Königsdorf in der Landesliga. Zusammen stellen die Herren nun ein ungewöhnliches Projekt auf die Beine, das es so bisher nie gegeben haben dürfte: Am 21. April beginnt der dreitägige „Handball-Online-Kongress“.

Auf dem Sprung: Markus Eickelmann weiß als aktueller Landesliga-Torwart, wie sich Handball an der Basis anfühlt. (Foto: ME)

Hinter dem Titel verbirgt sich nichts Abgehobenes, das nur den Super-Handballern aus der 1. oder der 2. Bundesliga was bringt. Das Gegenteil ist der Fall und das Angebot passt unter anderem genau auf die Handballer im Harzhelden-Gebiet: Leistungs-Anspruch darf ebenso sein wie die Idee, vor allem aus Spaß an der Freude zu spielen. „Es geht darum, etwas für die breite Masse zu tun“, betont Sierau, „eben für den Amateur-Handball und die Klubs an der Basis.“ Da wissen Sierau und Eickelmann aus der Praxis sehr genau, um was es geht: Oberliga und Landesliga sind nicht professionell organisiert, sondern eher die leidenschaftliche Grundlage des Handballs. Die beiden kennen sich außerdem gut im Bereich rund um den Handball aus (nicht nur als Trainer), denn sie sind beruflich eng mit ihrem Lieblingssport vernetzt. Zum weit gefächerten Betätigungsfeld von Axel Sierau, der einst in Köln Sport- und Wirtschafts-Wissenschaften studierte, gehört die Zusammenarbeit mit der European Handball Federation EHF. Beim Online-Kongress referiert er deshalb als „Scientific Network Specialist“ des europäischen Verbandes. Weil sich Sierau nicht gerne mit fremdem Federn schmücken mag, gibt er die „Schuld“ am Entstehen der Veranstaltung im Übrigen ausdrücklich weiter: „Die Idee ist bei Markus verortet.“ Eickelmann bringt in den Kongress sein Wissen als „Experte Online Marketing“ ein.

Der Reiz des Ganzen: Wer teilnehmen will, ist an keinen festen Ort gebunden. Im Grunde ist der Kongress damit ein Vorhaben, das auf der ganzen (Handball-) Welt funktionieren könnte. Das spart nicht nur Zeit, sondern auch Kosten für Anreise und Übernachtung. Die einzigen Bedingungen, an der im Grunde kein Weg vorbeiführt, sind ein funktionsfähiger Internetzugang und die Anmeldung über handball-online-kongress.de. An drei Tagen vom 21. April bis zum 23. April sind insgesamt gut 15 Vorträge geplant. Es geht um ein breites Themenfeld: Sponsoring, Finanzierung oder Mitgliedergewinnung in Vereinen; Trainingskonzepte, Trainingsinhalte und praktische Übungen für Trainer, soziale und schulische Entwicklung von Spielern für Jugendleiter und Jugendtrainer, gezielte Übungen zur sportlichen Weiter-Entwicklung und Verletzungs-Vorbeugung bei Spielern. Die Initiatoren sind selbst gespannt darauf, wie die Idee am Markt ankommt. „Unser Server kann alles tragen“, sagt Sierau, der sich riesig auf den Start freut, „selbst dann, wenn alle sieben Milliarden Menschen zugreifen sollten. Wir haben aber im Ernst keine Ahnung, was uns erwartet.“

Streng dienstlich: So sieht Markus Eickelmann aus, wenn er als Referent zum Thema Handball spricht. (Foto: ME)

Den ersten Vortrag gibt es jeweils um 14 Uhr, den letzten um 20 Uhr. Die Teilnahme am Drei-Tages-Kongress ist zunächst gebührenfrei. Mithören und Mitsehen sind kostenlos. Passender Name: Zuschauerticket. Darüber hinaus gibt es das Stammspieler-Ticket – mit einem erheblichen Mehrwert. Es bietet alle Vorträge als Video sowie die Präsentationen aller Referenten als PDF-Datei. Wer dieses Paket bucht, kann zudem im Anschluss an die Vorträge seine Fragen an die Referenten einschicken. Der Grundpreis: 27 Euro. Wer sich bis zum 14. März anmeldet (Samstag), ist mit 17 Euro dabei. Vereine haben die Möglichkeit, ein Sonderticket zu buchen, das fünf Zugänge zum Kongress enthält (Angebot wie Stammspieler-Ticket). Preis: 67 Euro und 47 Euro bei Buchung bis zum 14. März. Nicht ganz unwichtig: Zehn Prozent der Erlöse aus dem Ticket-Verkauf gehen an die Aktion „Handball hilft!“ zugunsten der Deutschen Krebshilfe.

Sierau und Eickelmann wissen genau, dass sie alleine nur einen kleineren Teil des Projekts abdecken können. Deshalb war/ist es unverzichtbar, namhafte Experten ins Boot zu holen. Mit von der Partie ist unter anderem Jamal Naji, der zurzeit als Nachwuchs-Koordinator des Zweitligisten Bayer Dormagen arbeitet und mit viel Erfolg dessen A-Jugend in der Bundesliga trainiert – bis zum Sommer, weil Naji in drei Monaten als Cheftrainer zum Zweitligisten TuSEM Essen wechselt. Stefan Eickelmann ist Vertriebsleiter des VfL Gummersbach, Jens Warncke Marketing-Leiter des Drittligisten Longericher SC und Thomas Zimmermann Vorstand Marketing im Deutschen Handball-Bund. Der ehemalige Bundesliga-Profi Jörg Lützelberger kennt beide Seiten des Geschäfts – als Top-Spieler und seit einigen Jahren als Trainer (EHF-Mastercoach seit 2019). Weil Fachwissen und Prominenz besonders für neue Projekte nie schaden können, haben die Kongress-Erfinder ihre Fühler weiter ausgestreckt – und zum Beispiel bei Dominik Klein angeklopft. Der inzwischen 36 Jahre alte Weltmeister von 2007, lange Stammspieler beim THW Kiel und in der Nationalmannschaft, hat seine aktiv Karriere im Sommer 2018 beendet – natürlich nicht, um sich vom Handball zu verabschieden. Klein ist jetzt Geschäftsführer Marketing im Bayerischen Handball-Verband und als TV-Experte unterwegs. Kürzlich sagte Klein zu, beim Kongress mitzumachen.

Die Hände zum Himmel: Axel Sierau ist immer bereit, etwas Neues auszuprobieren. (Foto: Burkhard Kasan)

Nicht ausgeschlossen ist, dass die Liste der Referenten noch weiteren Zuwachs erfährt: „Wir haben Stefan Kretzschmar angefragt“, berichtet Axel Sierau. Der frühere Weltklasse-Linksaußen hat zwar keinen Trainerposten, ist aber erstens ein echter Typ – und hat zu vielen Handball-Themen etwas beizutragen. Von 2009 bis 2019 war Kretzschmar (47) im Aufsichtsrat des SC DHfK Leipzig im Einsatz, ehe er vor ein paar Wochen mit dem Beginn des Jahres seine Arbeit als „Vorstand Sport“ der Füchse Berlin aufnahm. Ob es zeitlich klappt mit einem Vortrag, ist noch nicht sicher. Umso klarer ist allerdings, dass der Handball-Online-Kongress „die da oben“ und „die da unten“ an der Basis verbindet. Und obwohl die Idee von Torhütern stammt: So verrückt ist sie gar nicht.