13. März 2020 | Zurück zur Artikelübersicht » |
Wie geht es weiter? Die Enttäuschung sitzt tief. Bei allen. Auf der anderen Seite sind die meisten erleichtert, dass die Verbände den Umgang mit dem Corona-Virus vereinheitlicht haben. „Endlich. Das wurde aber auch Zeit“, sagt zum Beispiel Thomas Molsner, der Trainer des Niederrhein-Oberligisten HC Wölfe Nordrhein. Bereits seit Donnerstagabend war die Handball-Saison unterbrochen – für die Regionalliga, die Oberliga Niederrhein und die Oberliga Mittelrhein zunächst „nur“ an den kommenden vier Wochenenden, für die 3. Liga mit nicht genau bestimmter Dauer. Am Freitagmittag wurde der DHB noch deutlicher: Er hat den Spielbetrieb für den gesamten deutschen Handball bis einschließlich 19. April ausgesetzt, ohne Ausnahme und in allen Klassen. Dieses Datum ändert für die Amateure allerdings relativ wenig, weil sie nach obigen vier Wochen ohnehin in die planmäßige Meisterschaftspause über Ostern gegangen wären und anschließend sowieso erst am 25. April weitergemacht hätten.
Im Grunde glaubt inzwischen fast keiner mehr daran, dass in der Saison 2019/2020 überhaupt noch irgendwo eine Partie stattfindet. In diesem Zusammenhang ruft die Verlautbarung des HV Mittelrhein aus dieser Woche eher Kopfschütteln hervor: „Die Spieltage im Seniorenbereich der Frauen und Männer an den Wochenenden 14./15.03., 21./22.03., 28./29.03., 04./05.04.2020 finden nicht statt und werden an den letzten Spieltag, frühestens am Wochenende 25./26.04.2020, angehängt.“ Das ist so in keinem Fall zu Ende gedacht. Als Beispiel mag die Oberliga Mittelrhein dienen: Der letzte Regel-Spieltag dort ist der 9. Mai. Und was macht der geneigte Handballer anschließend? Oft legt er nicht sich selbst in die Ecke, aber den Handball. Dafür ist der Mai regelmäßig die hohe Zeit der Mannschaftsfahrten – für die meist schon Unterkunft und Anreise organisiert/bezahlt sind. Auch Urlaube oder beruflich bedingte Fortbildungen und die eine oder andere Hochzeit sollen hin und wieder in der handballfreien Zeit vorkommen. „Es gibt da sicher genug andere Termine“, bestätigt Ralph Weinheimer, der Coach des TuS Derschlag. Eine Ausweitung der Saison im Amateurbereich bis in den Juni hinein hält er für einen nicht durchführbaren Irrweg – stellvertretend für sämtliche oder wenigstens sehr viele Kollegen.
Auf den ersten Blick scheint guter Rat teuer zu sein. Das hier bleibt: Ein Blick in die Spielordnung des Deutschen Handball-Bundes bringt vielleicht ein bisschen Licht ins Dunkel. Die entscheidende Passage im Wortlaut: „§ 52, Bestimmung des Siegers, Auf- oder Absteigers durch die Spielleitende Stelle: (1) Kann der Sieger, Auf- oder Absteiger einer Klasse oder Staffel aus spieltechnischen oder sonstigen Gründen nicht termingerecht zur Teilnahme an den Meisterschaftsspielen, Aufstiegsspielen oder Abstiegsspielen für die nächste Spielsaison ermittelt werden, wird er von der zuständigen Spielleitenden Stelle nach sportlichen Gesichtspunkten bestimmt. (2) Wenn die Auf- bzw. Abstiegsspiele zur oder die Meisterschaftsspiele der neuen Spielsaison bereits begonnen haben, ist die nach Abs. 1 getroffene Entscheidung nicht mehr durch die Ergebnisse später ausgetragener Spiele oder später ergangener Entscheidungen von Rechtsinstanzen abänderbar. (3) Die Verbände können für ihren Bereich die Zuständigkeit nach Abs. 1 abweichend regeln.“
Sollte diese Regelung greifen, müssten die Verbände zunächst wohl den coronabedingten und offiziellen Abbruch der Saison erklären. Dafür müssten die Spielleitenden Stellen auf den Plan treten – im Handball-Verband Niederrhein die Technische Kommission mit Michael Girbes an der Spitze (gleichzeitig Vorsitzender des Kreises Wesel). Eine seiner Möglichkeiten wäre, dass eventuell ab einem bestimmten Datum ein Schluss-Strich zu ziehen sei. Möglicher Termin: 15./16. Februar 2020. Das ist jenes Wochenende vor Karneval, in dem tatsächlich in allen Klassen weitgehend alle Mannschaften zum letzten Mal ein volles Programm durchziehen konnten, ohne vom Thema Corona beeinflusst zu sein. Girbes, bei dem das Telefon in diesen Tagen nie lange stillsteht, mag sich momentan noch nicht dazu äußern, wie das HVN-Votum endgültig aussieht: „Wir wollen die nächsten Tage abwarten. Wir haben in der nächsten Woche eine turnusmäßige Sitzung und dann könnte eine Entscheidung getroffen werden.“ Um die ganz große Alternative zum Abbruch wird es kaum gehen.
Falls es so kommt und wirklich der 15. und 16. Februar die Basis abgäben, wären in drei Klassen die Meister klar: Der Regionalligist TuS 82 Opladen würde in die 3. Liga aufsteigen, die Oberligisten Wölfe Nordrhein und HC Gelpe/Strombach wären künftige Regionalligisten – weil jenes Trio bereits zum genannten Stichtag deutlich an der Tabellenspitze lag (und heute immer noch liegt). Obwohl damit das große Ziel jeweils erreicht wäre, hätte keiner richtig viel Spaß an einer solchen Not-Lösung. „Wir würden es natürlich viel lieber sportlich auf der Platte schaffen“, betont TuS-82-Trainer Fabrice, der hier Thomas Molsner und Strombach-Trainer Michiel Lochtenbergh auf seiner Seite hat. Alle gemeinsam denken gleichzeitig an die Vereine, bei denen es um den Kampf gegen den Abstieg und den Klassenerhalt geht. Beispiel Regionalliga: Da müssten zurzeit der Letzte MTV Rheinwacht Dinslaken und der Vorletzte HG Remscheid runter, während davor der TV Jahn Köln-Wahn gerettet wäre. Gingen wirklich nur die Resultate bis zum 16. Februar in die Wertung ein, müsste vielleicht ein Computer mit ausreichend Rechenleistung her: Dann fiele ja das Wahner 26:25 vom 29. Februar in Remscheid aus der Wertung und plötzlich stünden beide bei elf Punkten. Dann käme der direkte Vergleich zum Tragen – der nach dem 24:23 aus der Hinrunde tatsächlich für die Kölner spräche.
Es deutet einiges darauf hin, dass demnächst die Stichtags-Lösung auf den Tisch liegen könnte, zumal ein anderer Verband im DHB genau jenes Modell bereits beschlossen hat. Hier ist die Erklärung des Hessischen Handball-Verbandes im Wortlaut: „Bedingt durch die aktuellen und rasanten Entwicklungen zum Thema Coronavirus, Schließung von Ländergrenzen, Schließung von Hallen und Schulen, Quarantäne von Mannschaften, Infektionen von Spieler/innen in Hessen sowie den Aussagen der Gesundheitsbehörden, dass die Spitze der Entwicklung bezüglich Infektionsquantität für April bis Mitte Mai erwartet wird, hat das Präsidium des Hessischen Handball-Verbandes nach ausführlicher Beratung einstimmig folgende Beschlüsse gefasst: Der Spielbetrieb für alle Klassen und auf allen Ebenen in Hessen wird zum Freitag, 13.03.2020, ab 12.00 Uhr eingestellt und damit für die Spielrunde 2019/20 beendet. Die Auf- und Abstiegsregelungen zur und für die folgende Spielrunde 2020/21 werden mit dem Tabellenstand der jeweiligen Spielklasse vom Freitag, den 13.03.2020, gewertet.“
In Hessen werden die Daten-Spezialisten nun schnell die entsprechenden neuen Tabellen herausfiltern müssen – und damit wohl in manchen Fällen für weitere Diskussionen sorgen. Besonders um den Klassenerhalt kämpfende Vereine würden wohl im Harzhelden-Gebiet ebenfalls heftig schlucken müssen, wenn ihnen auf diese Weise die Chance genommen würde, wenigstens in bestimmten Fällen doch die zur Rettung erforderlichen Punkte zu sammeln. Unabhängig voneinander haben Wölfe-Trainer Molsner und Opladens Fabrice Voigt dieselbe Idee: „Du könntest doch die Aufsteiger belohnen und die Absteiger nicht bestrafen.“ Was beide meinen: Wer beim Abbruch der Saison oben steht, darf tatsächlich aufsteigen, und wer unten steht, bleibt für die nächste Serie ausnahmsweise drin. Dort wären die Gruppen dann aufgrund der besonderen Situation größer – was sich durch danach erhöhten Abstieg ausgleichen ließe. Ein ganz anderes Thema ist im Übrigen die Frage, ob die Klubs und Mannschaften den Trainingsbetrieb fortsetzen können/dürfen/wollen. Wie geht es weiter? Der Handball steht vor bewegenden Wochen. Und die Fragen nehmen kein Ende. Bei allen.