Wenn die Saison tatsächlich abgebrochen wird
Die Trainer und ihr Abschiedsbier
Allen fehlt was. Manche werden ihren Erfolg nicht mehr auskosten können, andere haben ein komisches Gefühl.

Ein paar Fäuste für den Trainer: Markus Becker (Offizieller B) und seine Langenfelder mussten eine beeindruckende Siegesserie unfreiwillig unterbrechen. (Foto: Thomas Ellmann)

Eines am Anfang: Dies ist keine Nachricht darüber, wie es im Handball nach der corona-bedingten Unterbrechung der Meisterschaft weitergeht. Das wissen ja die Verantwortlichen in Verbänden und Vereinen mit dem Stand von Dienstagmittag selber noch nicht. Eine Ausnahme: Das für den 4./5. April vorgesehene Final-Four-Turnier im DHB-Pokal hat einen neuen Termin: 27/28. Juni. Die Meisterschaft bleibt ausgesetzt. Sollte es aber – wie in Hessen – tatsächlich dazu kommen, dass die Saison 2019/2020 auch im Harzhelden-Gebiet offiziell für beendet erklärt wird, träfe das einige Trainer durchaus hart. Gemeint sind vor allem diejenigen, die sich nicht mehr im gewohnten Rahmen von ihrer Mannschaft und den Fans verabschieden können. Etwas wird allen fehlen und es macht fast keinen Unterschied, ob die jeweilige Mannschaft um den Aufstieg oder gegen den Abstieg kämpft. Gerade noch halbwegs raus aus dieser Nummer kam im Übrigen Frank Berblinger, der am 29. Februar beim 25:26 in der Regionalliga gegen den ebenfalls gefährdeten TV Jahn Köln-Wahn auf der Bank der HG Remscheid saß – zum letzten Mal, wie er wenig später erfuhr. Berblinger hatte die Gelegenheit, beim Training in der Kabine zeitnah ein paar Worte an die Spieler zu richten. Vielleicht kommt ihm das im Nachhinein sogar weniger anstrengend vor als das, was manche Kollegen noch vor sich haben. In der aktuellen Meisterschaftspause haben Team und Trainer angesichts geschlossener Hallen höchstens telefonisch oder über andere Nachrichten-Kanäle Kontakt. Das gemeinsame (Abschieds-) Bier muss warten. Die Liste der Kollegen, die hier gefühlsmäßig im selben Boot sitzen, reicht von Markus Becker, der im Moment offiziell noch Trainer des Regionalligisten SG Langenfeld ist, bis hin zu Stefan Tuitje, der in der Oberliga Mittelrhein beim TK Nippes arbeitet.

Guckst du: Mönchengladbachs Trainer Tobias Elis würde sich wohl lieber als Vizemeister von der Borussia verabschieden. (Foto: Burkhard Kasan)

Regionalliga Nordrhein SGL-Trainer Markus Becker verlässt den Verein nach dieser Saison aus familiären und beruflichen Gründen. Insofern ist er auch froh, wenn er die zeitliche Belastung für den Handball nach der laufenden Serie stark zurückfahren kann. Was ihm entgeht, ist die leidenschaftliche Freude in der Halle. Verdient hätte Becker den entsprechenden Rahmen, weil Langenfeld unter seiner Regie seit drei Monaten ungeschlagen ist. Nach dem 29:31 am 14. Dezember gegen die HSG Siebengebirge folgte eine Meisterschafts-Serie von sieben Siegen mit 14:0 Punkten. Außerdem erreichte die Mannschaft im Deutschen Amateurpokal das Endturnier mit Halbfinale und Finale in Hamburg. Den krassen Gegensatz zum erfolgreichen Kölner Becker bietet Harald Jakobs beim MTV Rheinwacht Dinslaken, der als Schlusslicht der am meisten gefährdete Klub ist. Jakobs erklärte kürzlich, dass er den MTV am Ende dieser Saison verlässt. Zwei Varianten: Dinslaken bleibt doch drin oder Dinslaken steigt ab. Bei einem Abbruch der Saison müsste auch Jakobs wohl auf Mail und Telefon zurückgreifen. Sein Nachfolger steht bereits fest, denn Boris Lietz wird das Team übernehmen. Das ist jener Boris Lietz, der bis vor Weihnachten beim Mittelrhein-Oberligisten TV Birkesdorf an der Linie stand, dann seinen Abschied zum Saisonende bekanntgab und sich plötzlich einer Entscheidung des Vorstands ausgesetzt sah, lieber schon im Januar mit einem anderen Coach weiterzumachen (Karsten Bohmann-Hesse). Ziemlich genau in der Mitte zwischen Becker und Jakobs bewegt sich David Röhrig, der bald als verantwortlicher Coach des TSV Bonn rrh. abtritt und sich ab Sommer voll seinen verschiedenen Arbeitsfeldern im Nachwuchsbereich der Zweitligisten TSV Bayer Dormagen konzentriert. Bonn hat sich unter Röhrigs Regie in der Regionalliga etabliert und die Mannschaft liegt momentan mit ausgeglichenen 19:19 Punkten auf dem sicheren neunten Rang.

Oberliga Niederrhein Beim Tabellendritten Borussia Mönchengladbach geht demnächst die Zeit von Trainer Tobias Elis zu Ende, der beruflich ebenfalls sehr stark eingespannt ist und mehr freie Zeit für seine Familie einsetzen will. Zumindest die Vizemeisterschaft wäre im Duell mit dem Zweiten LTV Wuppertal noch möglich (gewesen). Ein ganz besonderer Fall ist der TV Angermund, für den Uli Richter bis zum Ende der Serie 2019/2020 verantwortlich war. Dann wechselte Richter zur HSG Düsseldorf II, die mittlerweile am Ende der Tabelle herumdümpelt – aber schon seit einigen Wochen ohne Richter, der Mitte Januar ausstieg. Wenig später machte es sein Angermunder Nachfolger Eric Busch ganz ähnlich, sodass der TV wieder umdenken musste. Den Busch-Posten übernahm der aktuell verletzte Spieler Julian Duval, dem es inzwischen ähnlich geht wie manchem anderen. Er wird vielleicht nie erfahren, ob sein persönlicher Einsatz sportlich für den Klassenerhalt der gefährdeten Angermunder gereicht hätte.

In der Ruhe liegt die Kraft: Trainer Stefan Tuitje (stehend) und der Oberliga-Letzte TK Nippes gehen nach dieser Saison ebenfalls getrennte Wege. (Foto: Thomas Schmidt)

Oberliga Mittelrhein Ob Mario Jatzke und Ralph Weinheimer mit dem Stand der Dinge richtig glücklich sind? Vermutlich eher nicht, obwohl die bisher erreichte Ausbeute gar nicht so verkehrt ist. Weinheimer hat mit den Oberbergischen immerhin den Mittelrheinpokal gewonnen und im Deutschen Amateurpokal das Viertelfinale erreicht. In der Oberliga-Tabelle ist es aktuell der fünfte Platz, der keine riesige Euphorie auslöst – aber gleichzeitig kein Grund zu tiefer Enttäuschung ist. Ganz blöd findet Weinheimer, der das Kapitel TuS Derschlag nach dieser Saison beendet und dort auch nicht als Sportlicher Leiter weitermacht, trotzdem den 8. März, als der Spitzenreiter HC Gelpe/Strombach dem Lokalrivalen in dessen eigener Halle eine schmerzhafte Lehrstunde erteilte (34:22).

Jatzkes HSG Refrath/Hand gewann nahezu zeitgleich beim Longericher SC deutlich mit 34:22 – was auf jeden Fall um Längen besser aussieht als eine Niederlage mit den identischen Ziffern. Dass der 7. März sein letzter Arbeitstag in Refrath sein würde, hatte der HSG-Trainer vor Kurzem bestimmt nicht auf dem Schirm. Begründung für den Abschied zum Saisonende: „Ich will den Weg für neue Impulse freimachen.“ Ein Jahr Pause oder Weiterbildung hält Jatzke für denkbar, nicht aber die völlige Abkehr vom Handball: „Das geht nicht, dazu liebe ich diesen Sport zu sehr.“ Ganz nebenbei gehört es für ihn ebenfalls zum guten Ton, das einmal begonnene Werk mit vollem Einsatz zu Ende zu führen – was am besten dann funktioniert, wenn die Saison fortgesetzt werden kann.

Ganz am Ende der Tabelle dürfte Stefan Tuitje zumindest ein bisschen melancholisch werden, obwohl der Abstieg der sieglosen Nippeser seit Wochen praktisch besiegelt ist. Damit haben sich die Beteiligten zwar arrangiert, doch Einsatz und Leidenschaft sind ihnen geblieben. Und daran hat auch der einvernehmlich erzielte Beschluss wenig geändert, dass Tuitje nach der Saison aufhört. Sein Pech: Nun werden die Mannschaft und ihr Coach vielleicht nie erfahren, ob sie möglicherweise doch einen doppelten Punktgewinn geschafft hätten. Das wäre angesichts des Restprogramms wenigstens bei der einen oder anderen Gelegenheit nicht völlig aus der Welt gewesen. Dass der Handball-Verband Mittelrhein zunächst „nur“ vier Spieltage abgesetzt und eine Verschiebung übers ursprünglich geplante Saisonende hinaus angedacht hat, ist vermutlich ein eher schwacher Trost. Und eines am Ende: Dies ist keine Nachricht darüber, wie es im Handball nach der corona-bedingten Unterbrechung der Meisterschaft weitergeht.