Harz beiseite/Regionalliga Nordrhein
Gilbert Lansen: Trainertalent auf dem Sprung nach oben
Der 29-Jährige war mit der B-Jugend der HSG Neuss/Düsseldorf sehr erfolgreich. Trotzdem sucht er jetzt eine neue Herausforderung.

Richtungsweisend: Gilbert Lansen (im grauen Pulli) hat als Jugend-Coach einiges erreicht. Nun nimmt er den nächsten Schritt in seiner Trainer-Entwicklung in Angriff. (Foto: Ralf van Thriel Sportfotografie)

Die HSG Neuss/Düsseldorf hatte in der jüngeren Vergangenheit nicht so richtig viel Grund zur Freude – zumindest nicht im Seniorenbereich. Bekanntestes Beispiel: Das Projekt Rhein Vikings ist inzwischen krachend gescheitert und die Handball-Spielgemeinschaft bald nur noch Geschichte. Die erste Herren-Mannschaft soll nach dem Zwangs-Abstieg (Insolvenz) aus der 3. Liga in der nächsten Saison einen Neu-Aufbau in der Regionalliga erleben. Darüber hinaus gibt es eine zweite Mannschaft in der Bezirksliga. Und beide segeln dann wieder unter der Flagge des Neusser HV – verbunden mit der Hoffnung auf eine bessere Zukunft und positivere Schlagzeilen. Dabei braucht die aktuell noch existierende HSG nur in die eigenen Reihen zu schauen und sie kann dort erkennen, wie sich Lichter am Ende des Tunnels herstellen lassen.  In der Oberliga Niederrhein ist die männliche B-Jugend mit Trainer Gilbert Lansen tatsächlich eine Art Leuchtturm-Projekt – weil überragend viel funktioniert. Das schlägt sich wirkungsvoll in der Tabelle nieder: Mit 28:6 Punkten aus 17 von 18 vorgesehenen Spielen liegt die HSG auf dem ersten Platz und die Meisterschaft ist ihr nicht mehr zu nehmen.

Eine seiner drei Niederlagen musste Lansens Team im Februar mit dem 22:29 gegen den Zweiten TV Borken hinnehmen, der bei 24:8 Zählern aus 16 Partien steht. Falls die Saison doch fortgesetzt wird (was viele für ausgeschlossen halten), müsste zur Not bei Punktgleichheit der direkte Vergleich entscheiden – der nach dem 23:12 aus der Hinrunde für die HSG spricht. Sollte die Saison 2019/2020 abgebrochen werden (wovon inzwischen viele ausgehen), bliebe der Tabellenführer ebenfalls vorne. Für den Coach und seine Spieler wäre das zugleich eine Art Frustbewältigung, denn das unglückliche Ende der Serie 2018/2019 hat keiner vergessen. „Da hat uns nur ein Tor zur Niederrheinmeisterschaft gefehlt“, sagt Lansen. Die damalige C-Jugend holte vor einem Jahr 40:4 Punkte – wie der Nachwuchs des Erstligisten Bergischer HC und der des Zweitligisten TuSEM Essen. Und sie verfügte über das deutliche bessere Torverhältnis – 819:353 (plus 466) gegenüber 784:425 (plus 359) und 742:473 (plus 269). Der eine Treffer, der alles gedreht hätte, fehlte ganz klar am 24. Februar 2019 mit dem 23:24 bei TuSEM Essen. Mit einem 24:24 wäre die HSG vor dem BHC und TuSEM gelandet.

Dass es im Jahr danach zum Titel reicht, führt Lansen auf einen Mix aus vergleichbar wichtigen Faktoren zurück. Nicht unwesentlich: Senioren und Nachwuchs arbeiteten getrennt voneinander. „Das läuft bei uns sehr gut“, betont Lansen, der sich zudem über einen perfekt funktionierenden Rahmen stützen kann/konnte: „Wir haben super motivierte Jungs und ein sehr starkes Eltern-Umfeld. Wir sind ein toll eingespieltes Team.“ Herausragende Kennzeichen der Mannschaft seien Leidenschaft und Kampf um jeden Ball. Im Rückblick wird ihm als ein Höhepunkt der gemeinsamen Arbeit die dreitägige Berlin-Reise von 2018 im Gedächtnis bleiben, als beim nicht gerade mit Laufkundschaft besetzten „Füchse-Cup“ der Turniersieg heraussprang (14:13 im Finale gegen die Gastgeber). Spielern wie Johannes Emmerich und Alexander Ernst, die dem ersten Jahrgang der B-Jugend angehören, traut er für die spätere Karriere unter Umständen sogar den Sprung in die obersten drei Ligen in Deutschland zu.

Ein verschworener Haufen: Die Trainer Gilbert Lansen (oben rechts) und Stephan Ulrichs (oben links) blicken hier ausnahmsweise mal von oben auf ihre Mannschaft herab. (Foto: HSG)

Obwohl ihm die Tätigkeit in der Jugend eine Menge auch für die persönliche Entwicklung gegeben hat, wird sich Gilbert Lansen einem anderen Tätigkeitsfeld zuwenden – und für die Saison 2020/2021 nach über einem Jahrzehnt als Nachwuchstrainer eine verantwortliche Stelle im Seniorenbereich übernehmen. Klar: Dabei will er die B-Jugend keineswegs sich selbst überlassen. „Ich helfe, einen Nachfolger zu suchen“, erklärt der junge Coach, der ebenfalls zur Reihe der Handball-Verrückten im Lande zählt und an die Fortsetzung der Erfolge für die Jugend des Neusser HV glaubt: „Wir haben aktuell zehn Spieler und damit eine gute Basis.“ Der bei der Stadt Düsseldorf angestellte Verwaltungswirt geht insgesamt fest davon aus, dass er dem künftigen Coach der B-Jugend ein ganz ordentlich bestelltes Feld übergeben kann. Schwierigkeiten sieht Lansen allerdings mittelfristig für alle Vereine: „Ich habe da keine rosarote Brille auf. Es wird für alle sehr viel schwieriger, wenn die Breite immer weiter zurückgeht. Als großer Verein musst du die kleineren stärken.“

Bei der Frage nach seinem künftigen Verein äußert sich Gilbert Lansen sehr zurückhaltend – obwohl es ein paar Spatzen inzwischen sehr deutlich von den Dächern pfeifen: Der 29-Jährige, der als vielversprechendes Trainertalent gilt, könnte ja durchaus eine Station in der Regionalliga Nordrhein in Betracht ziehen. „Regionalliga macht einfach Spaß. Da ist aber noch nichts offiziell“, betont Lansen, „das ist noch nicht hundertprozentig durch.“ Die Wette gilt trotzdem: Gilbert Lansen wird als Trainer die neu zu formierende Mannschaft des Neusser HV in der Regionalliga Nordrhein 2020/2021 übernehmen. Sollte es so kommen (wofür sehr, sehr viel spricht), wartet eine mindestens spannende Aufgabe. Auch Lansen weiß schließlich, dass in den vergangenen Jahren im Seniorenbereich viel Vertrauen verloren gegangen ist. „Mit das wichtigste Thema ist die Ehrlichkeit“, findet er. Mehr Bewerbungsschreiben geht nicht. Vielleicht schafft es Gilbert Lansen ja, die Neusser praktisch zurück zu den Wurzeln zu führen. Sie müssen dazu eigentlich nur noch den Knopf für den Neustart drücken.