Über die Hölle Bezirksliga und den Himmel Kreisliga
Mimi Kraus: „Dieses Buch ist Champions League“
Daniel Duhr ist Handballer aus Leidenschaft - und er hat viele unterhaltsame Erlebnisse aus seinem Lieblingssport aufgeschrieben.

Eine „Dienstreise“: Die Handball-WM 2019 mit dem Finale in Herning und dem späteren Weltmeister Dänemark konnte sich Daniel Duhr nicht entgehen lassen. (Foto: DD)

 

So erzählt einer, der nicht nur dabei ist, sondern mittendrin. Für diese Geschichten brauchst du sehr gute bis intimste Grundlagen-Kenntnisse über den Amateur-Handball – wobei noch zu klären wäre, wo dieser aufhört und dann der Profisport beginnt. Grenzüberschreitend sind sicher die Leidenschaft für den und die Liebe zum Sport, der sich gerne als große Familie versteht. Auch da gibt es ja im richtigen Leben immer wieder hier die Menschen, die etwas besser können, und dort welche, die dasselbe weniger gut bis fast gar nicht beherrschen. Weil Daniel Duhr das alles weiß und sich sowieso mal beruflich mit Lokalsport beschäftigt hat, ließ ihn ein Gedanke nicht mehr los: „Ich schreibe ein Buch.“ Es musste um Handball gehen. Um den niederklassigen – weil es Werke über den „großen“ Handball eher gibt und weil Daniel nicht nur Theoretiker/Beobachter am Schreibtisch oder auf der Tribüne ist, sondern zugleich aktiver Spieler. Was denn sonst: Der gebürtige Velberter ist sportlich nur in seiner Heimatstadt unterwegs. Bei der TVD Velbert in der Bezirksliga. Die Herren sind dort Vierter und nicht eben dafür berühmt, dass sie offensiv die Handball-Welt aus den Angeln heben – was durchaus zum Thema passt. Daniel Duhr hat sich dann einfach hingesetzt und mit dem Schreiben angefangen. Herausgekommen sind mittlerweile sogar zwei Werke. Das Erstlingswerk von 2017: „Handball-Hölle Bezirksliga. Siebte Liga – Erste Sahne.“ Das zweite von 2018: „Handball-Himmel Kreisliga. Abstieg in den Olymp.“ Was beide Titel nicht sind: Sachbücher. Was sie dafür umso mehr sind: Unterhaltung, Selbst-Ironie, die Kunst des Sich-auf-die Schüppe-Nehmens.

Der „echte“ Daniel Duhr: Auch Handball in der Bezirksliga ist nicht immer eine Hölle. (Foto: DD)

Es sind viele Kapitel in den jeweils rund 120 Seiten, die nur einen Schluss zulassen: So ist es! Eine Passage aus Kapitel 4 des Handball-Himmels. Es geht um das Einwerfen, Teil eins: „Kommt, Männer. Zwei Mann, einen Ball. Gegenüberstehend werfen sich die Spieler den Ball zu. Und laufen dabei vor und zurück. Fangen den Ball also in der Vorwärtsbewegung. Zumindest ab der Oberliga aufwärts. Im Handball-Himmel bewegt sich kaum noch einer vor und zurück. Stattdessen ein paar lockere Pässe hinter dem Rücken oder durch die Beine, viele Unterhaltungen, Alibi-Pässe ohne jedwede Körperspannung und etliche Querschläger durch die Halle. Die Torhüter dehnen sich derweil. Sprich. Sie sitzen etwas abseits. Und unterhalten sich ebenfalls.“ Geradezu perfekt gibt Teil zwei des Einwerfens die hanebüchene Wirklichkeit wieder: Jene Torhüter sollen eingeworfen werden. Am besten abwechselnd mit Würfen nach oben und unten. Wenig bis nichts von dem wird passieren. Aber im Ernst nimmt es wohl tatsächlich niemand so genau damit, dass alles so ungenau ist.

Daniel Duhr bedient sich bisweilen sehr deutlicher Übertreibungen. Ein Beispiel aus Kapitel 7 der Handball-Hölle. Es geht insgesamt um die verschiedenen Positionen im Team, hier um jene im rechten Rückraum – von dem der betreffende Spieler wie alle anderen glaubt, sie sei die jeweils wichtigste auf dem Feld: „Zudem ist der Halbrechte ein echter Teamplayer. Er ist wahnsinnig hilfsbereit. Ob der Jugendraum renoviert, der Bierwagen aufgebaut oder Bier abgepumpt wird – der Halbrechte hilft gerne. Was ist der Halbrechte sportlich gesehen? Und ist er überhaupt sportlich? In der Regel ist er es natürlich nicht. Für seinen soliden Bauch, der er auch gerne schon mit Mitte zwanzig spazieren trägt, ist er jedoch erstaunlich sportlich. Aber das gilt ja generell für die überwiegende Mehrheit seiner Rangelfreunde aus der Handball-Hölle.“ Es ist die große Kunst, dass solche Sätze zuerst provozierend wirken, aber nicht böse klingen, sondern beinahe liebevoll. Duhr bekennt sich schuldig, weil er selbst ein Teil der Szene ist, weil er seine eigenen Grenzen sehr gut kennt und trotzdem nicht vom Handball loskommt. Auch mit 36 nicht.

Sprechzeit: Auch Weltmeister Christian Schwarzer nahm sich bei einem Treffen die Zeit für einen Gedanken-Austausch mit Daniel Duhr. (Foto: DD)

Daniel Duhr hat beide Bücher im Selbstverlag veröffentlicht. Leben kann er vom Erlös nicht – obwohl ihm viele Menschen bei der Herstellung geholfen und zwei Weltmeister die Vorworte geschrieben haben. Torhüter Henning Fritz sagte sofort zu, etwas für die Hölle Bezirksliga zu schicken, und der noch aktive Michael „Mimi“ Kraus hat sich am Himmel Kreisliga beteiligt. „Das Buch ist mit das Lustigste, was ich je gelesen habe. Dieser griffige Humor – einfach geil! Und glaubt mir – manche Dinge ändern sich nie, auch nicht, wenn man statt Kreisliga Champions League spielt. Das Buch ist übrigens auch Champions League.“ Fritz und Kraus sind der Beweis dafür, was den Handball ausmacht: Sie sind bodenständig, Typen zum Anfassen, Menschen wie du und ich. Das Motto daraus: Sprich sie an und sie haben dir was zu sagen. Das ist ziemlich einmalig.

Daniel Duhr, der Sportwissenschaft und Spanisch studiert hat, verdient seinen Lebensunterhalt heute als Redakteur in der Pressestelle der Düsseldorfer IST-Hochschule für Management. Kontakte gibt es dort von Berufs wegen nicht nur zu Handballern wie Henning Fritz, sondern auch zu ehemaligen Fußballern wie Fredi Bobic, dem Vorstand Sport von Eintracht Frankfurt. Nebenbei beschäftigt er sich natürlich immer wieder mit der Frage, wie denn ein drittes Handball-Buch heißen könne – das selbstredend längst in der Planung ist. Duhr outet sich noch einmal als echter Handball-Fan: Für ihn haben Teamgeist oder Kameradschaft und die Geselligkeit nach dem Training einen extrem hohen Wert. Unter anderem deshalb kann er erst so nah dran zuhören – und so viel aufsaugen, dass ihm der Stoff vermutlich kaum ausgeht. Den großen Handball kann er sich bei Welt- oder Europameisterschaften anschauen. Den kleinen lebt und liebt er selbst – mittendrin und nicht nur dabei.