Harz beiseite
Ein starker Typ: Zu Gast beim WM-Helden „Blacky“ Schwarzer
Der Handballer des Jahres 2001 ist ein Mensch wie du und ich - und gerade deswegen ein großartiger Gesprächspartner. Das vollständige Harzhelden-Interview mit Christian Schwarzer lest ihr morgen auf unserer Seite.

Geschichte zum Anfassen: Beim Interview in Christian Schwarzers Garten durfte Harzhelden-Redakteur Michael Deutzmann mal testen, ob am Ball aus dem WM-Finale von 2007 noch etwas Harz klebt. (Foto: privat)

Dies ist eine Geschichte, die so fast nur im Handball vorkommen kann. Wir sind Stammgäste bei der Weltmeisterschaft im Januar 2019 in der KölnArena. Das letzte Hauptrundenspiel gewinnt Deutschland gegen Spanien. Endstand 31:30. Was letztlich nicht mehr so sehr ins Gewicht fällt, weil beide Mannschaften schon fürs Halbfinale qualifiziert sind. In der Halbzeit ehrt der DHB die Weltmeister von 2007, die damals mit Heiner Brand als Trainer für ein Wintermärchen gesorgt haben – in ihrem Kölner „Wohnzimmer“. Wenig später treffen wir in den Katakomben zufällig einen von ihnen: Christian Schwarzer, den alle nur Blacky nennen. Wobei treffen eigentlich nicht richtig ist, denn es bleibt bei einem kurzen „Hallo“ im Vorbeigehen. Kein Problem. Wir kennen ihn, aber er uns nicht. In Köln wird das Projekt Harzhelden geboren, das im September 2019 an den Start geht. Und ein halbes Jahr später kennt uns Blacky plötzlich doch. Weil wir uns natürlich darüber informieren, wer uns verfolgt und das auch durch ein „Like“ mit dem Daumen hoch zum Ausdruck bringt, werden wir plötzlich stutzig. Christian Schwarzer? Der Christian Schwarzer? Die Recherche ist tatsächlich nicht besonders kompliziert: Blacky gefallen die Harzhelden. Es ist wie damals in der KölnArena. Der Entschluss steht schnell: Wir müssen mit ihm reden. Punkt. Über damals, über seine irre Geschichte, über die alten Zeiten, über den Handball von heute, über den von morgen. Es dauert tatsächlich nur ein oder zwei Nachrichten, ein oder zwei Mails, ein oder zwei Telefonate. Und wir haben unser Treffen mit Blacky.

Wie alles kam? Christian Schwarzer ist generell an allem interessiert, was mit dem Handball zu tun hat. In seiner Zeit im Dienst des DHB hatte er immer wieder Kontakt mit dem Stützpunkt in Dormagen und dem TSV Bayer: „Das ist auch ein Verein, den ich sehr positiv finde. Du hast ja immer eine gewisse Affinität zu Dingen, mit denen du solche Erinnerungen verbindest.“ Dann schließt sich der Kreis ziemlich schnell: Dass Dormagen und die Harzhelden gemeinsam ein Allstar Game durchführen woll(t)en, hatte sich bis ins Saarland herumgesprochen. Und das fand wie selbstverständlich einer klasse, der im Handball alles erreicht hat. Wir kramen beide in unseren Terminkalendern. Das Ergebnis: Wir werden uns treffen. Die Frage aller Fragen: Was fragst du denn überhaupt einen, der schon alle Fragen gehört hat? Wir können eins vorwegnehmen: Kurzweiliger kann ein Gespräch kaum sein. Wir weichen hin und wieder nach links und rechts ab – als würden wir uns lange kennen. Schwarzer ist Blacky – jener Spieler, der 2007 zusammen mit Heiner Brand praktisch seine eigene Legende gestrickt hat.

Wir sitzen auf der Terrasse seines Hauses in Niederwürzbach, das für den ehemaligen Handball-Profi zur Heimat geworden ist. Von hier wieder wegzugehen, käme dem gebürtigen Braunschweiger kaum in den Sinn – weil die Gegend für ihn und die Familie das perfekte Umfeld bildet: „Uns geht es sehr gut hier.“ In den Sinn kommen ihm allerdings ein paar Szenen aus dem WM-Film von 2007 (Projekt Gold), weil ich eine Tüte Salzstangen mitgebracht habe. So war es damals: Da sitzt Schwarzer nach seinem Debüt fürs deutsche Team in der Kabine und bedient sich beherzt am eigens für ihn bereitgestellten Vorrat an Knabberzeug. Schwarzer zeigt in Richtung Haus: „Davon haben wir immer genug da. Ich esse die heute noch gerne.“ Dass seine Vorliebe noch einmal bei einem WM-Turnier zu sehen sein würde, ist wie ein Märchen. Schwarzer hatte seinerzeit die Nationalmannschafts-Karriere längst beendet und dem ZDF als WM-Experte zugesagt. Dieser Job begann mit einem 27:22 über Brasilien und einem 32:20 über Argentinien. Hier kam bereits Andrej Klimovets nicht mehr zum Einsatz, der sich beim Aufwärmen eine Verletzung zugezogen hatte. Als klar war, dass damit zugleich die WM für Klimovets gelaufen ist, gingen die Verantwortlichen alle Möglichkeiten durch. Die Lösung: Wir rufen Blacky an. Der seinerzeit bereits 37 Jahre alte Kreisläufer hatte sich aus Verbundenheit zu Heiner Brand leichtsinnigerweise in den vorläufigen 28er-Kader aufnehmen lassen und war wenig später selbst im reduzierten Aufgebot geblieben. Sein Gedanke: „Da wird schon nichts passieren.“

Der Rest ist bekannt. Blacky Schwarzer kam, sah – und verlor zunächst mit 25:27 gegen Polen. Es sollte die einzige Niederlage im gesamten Turnier bleiben, weil die deutsche Mannschaft immer mehr zusammen- und am Ende über sich hinauswuchs. Nach vier Erfolgen in der Hauptrunde und dem 27:25 über Spanien im Viertelfinale wird das Halbfinale gegen Frankreich zu einem Krimi, den vermutlich keiner der Beteiligten jemals vergisst – 32:31 nach zwei Verlängerungen. „Spanien und Frankreich waren von den Einzelspielern her klar besser“, sagt Christian Schwarzer, „aber wir waren die bessere Mannschaft.“ Dass jene steile Entwicklung nicht zuletzt sein Verdienst gewesen sein könnte, spielt keine große Rolle: „Es ist zwar schön, dass zu hören, aber wir werden es nie wissen. Vielleicht wären die Jungs auch ohne mich Weltmeister geworden.“

Christian Schwarzer hat in seiner aktiven Karriere alles erreicht: Weltmeister, Europameister, Olympia-Zweiter, Champions League gewonnen, Deutscher Meister. Es war klar, dass gut 13 Jahre später der Handball nach wie vor Blackys beruflichen Alltag bestimmt. Die Zeit in Diensten des DHB ist vorbei und mittlerweile geht er ganz in seiner Aufgabe als Jugend-Koordinator beim Handball-Verband Saar auf. Das Leuchten in seinen Augen an diesem sonnigen Nachmittag verrät, wie sehr ihm die Nachwuchs-Arbeit und damit die Zukunft des deutschen Handballs am Herzen liegen. Er will etwas von dem zurück- und weitergeben, was ihm sein liebster Sport gegeben hat – den er ein paar Mal pro Jahr bei den Allstars gerne für karitative Zwecke nutzt. Auf der Platte kommt dann immer wieder der alte Ehrgeiz durch, den Blacky offensichtlich an seinen Sohn Kian weitergegeben hat: Der 20-Jährige, dem der fachkundige Vater durchaus eine Karriere als Profi zutraut, ist gerade mit dem SV 64 Zweibrücken in die 3. Liga aufgestiegen. Mit elterlicher Unterstützung? Blacky hält sich lieber zurück: „Es ist manchmal nicht einfach, der Sohn von einem relativ erfolgreichen Pappa zu sein.“

Handball ohne Christian Schwarzer oder Christian Schwarzer ohne den Handball? Beides ist kaum vorstellbar. Deshalb spricht vieles dafür, dass Blacky seiner Leidenschaft ein Leben lang verbunden bleibt – ohne dass er jedes Detail planen mag: „Ich bin ein Mensch, der im Hier und Jetzt lebt.“  Versprechen kann er nur, dass er sich selbst treu bleibt und stets seine Meinung äußern wird – selbst auf die Gefahr hin, dass es ihm Nachteile einbringen sollte: „Ich lasse mir von niemandem den Mund verbieten.“ Es könnte kein besseres Schlusswort für ein Gespräch geben, in dem Blacky so viel über sich und den Sport erzählt hat. Etwas später verabschieden wir uns voneinander und es ist das vorläufige Ende einer Geschichte, die so fast nur der Handball schreiben kann. Bei einer Pause auf der Heimreise krame ich plötzlich in meinem Rucksack nach meinem Portemonnaie. Ich zucke zusammen, weil ich aus Versehen die Tüte Salzstangen wieder eingesteckt habe. Dann bekommt er sie eben bei der nächsten Gelegenheit. 

Das vollständige Interview mit Christian Schwarzer im Wortlaut könnt ihr morgen (Samstag) lesen.