Harz beiseite
So ist Blacky: „Ich lebe im Hier und Jetzt“
Das Herz für den Handball brennt auch heute noch im Weltmeister von 2007, der im Harzhelden-Interview viele Seiten seiner Leidenschaft beleuchtet.

Das ist das gute Stück: In der Kabine irgendwo in den Katakomben der KölnArena gab es vor 13 Jahren offensichtlich nicht nur ein paar kalte Getränke, sondern für Blacky Schwarzer auch die Gelegenheit zu einem persönlichen Erinnerungs-Schnappschuss mit der ziemlich schweren Weltmeister-Trophäe. (Foto: privat)

Er ist Deutscher Meister geworden, er hat an Olympischen Spielen teilgenommen und bei einem Abstecher nach Spanien mit dem FC Barcelona die Champions League gewonnen. Ganz klar: Christian „Blacky“ Schwarzer war 2007 schon vor der Weltmeisterschaft im eigenen Land einer der ganz Großen. Dann kam die unglaubliche Geschichte, wie er aus dem handballerischen Ruhestand und dem Nebenjob des Fernseh-Experten beim ZDF zurück auf die internationale Bühne gerufen wurde. Bundestrainer Heiner Brand stand mitten in der Vorrrunde nach dem verletzungsbedingten Ausfall von Andrej Klimovets vor einem personellen Problem und bat Blacky um Hilfe. Der damals 37-Jährige zögerte keine Sekunde, sagte sofort zu und packte seine Sportsachen. Die weitere Geschichte ist ein Handball-Traum und Kreisläufer Schwarzer seitdem eine Legende: Mit der Rückkehr ins Team begann letztlich das Wintermärchen, das die deutsche Mannschaft auf einer Welle der Euphorie durch das weitere Turnier trug – und die KölnArena zu einem uneinnehmbaren Wohnzimmer machte. Dass es tatsächlich zum Titel reichte, ging nicht zuletzt auf Christian Schwarzers Konto, der davon allerdings nur sehr eingeschränkt etwas wissen will. Er war immer ein besonderer Spieler mit allen handballerischen Tugenden sowie Leidenschaft, Hingabe und Disziplin – und jeder Menge Teamgeist.

Der Kreisläufer der Weltmeister-Mannschaft erklärte sich im Frühjahr 2020 ohne langes Zögern zu einem Gespräch mit uns bereit. Im Harzhelden-Interview erzählt er noch einmal einiges von früher und darüber, wie sich der Handball verändert hat. Zu den besten Handballern der Welt gehören für ihn der Tscheche Filip Jicha und der Franzose Nikola Karabatic, während er etwa Dänemarks Superstar Mikkel Hansen ein Stück dahinter einordnet. Jicha und Karabatic sind/waren seiner Ansicht nach komplette Spieler und auch in der Abwehr herausragend, während Hansen in erster Linie „nur“ vorne glänzt – das allerdings so überzeugend, dass sich davon tolle Lehrvideos anfertigen lassen. Blacky Schwarzer spricht auch darüber, was junge Menschen für ein Leben als Profi-Handballer brauchen und warum er in seiner Tätigkeit als Jugend-Koordinator des kleinen Handball-Verbandes Saar aufgeht. Was in zehn Jahren sein wird, mag Schwarzer dagegen nicht bis ins letzte Detail planen: „Ich bin ein Mensch, der im Hier und Jetzt lebt.“ Auf eins sollen sich seine Fans immer verlassen können: Blacky will sich selbst treu bleiben: „Ich werde immer meine Meinung sagen, ich lasse mir den Mund nicht verbieten.“

 

Wie gut erinnerst du dich noch an den 4. Februar 2007?

Das ist einer der schönsten Tage in meinem Handballer-Leben, vor allem auch mit dieser Vorgeschichte, wie ich dazu gekommen bin, da überhaupt mitmachen zu können. Die Art und Weise, was da abgelaufen ist in der Köln Arena, war eine Sensation. Da waren ja nicht nur die 20000 Menschen in der Halle, sondern auch knapp 20 Millionen Zuschauer am Fernsehschirm. Das ist natürlich eine Zahl und eine Einschaltquote, die in dem Jahr die höchste überhaupt war, glaube ich. Das sind Zahlen, an die sonst nur unser großer Bruder Fußball heranreicht.

Ein paar Wochen vorher hast du deinen Kumpel Dirk Nowitzki in Dallas besucht. Dann hattest du seine Nummer 41 bei der WM. Hat er dir grünes Licht gegeben?

Sein Pappa gehörte auch zur Generation Feldhandball und hat damals mit und gegen die Großen gespielt. Und eigentlich ist die Familie Nowitzki im Handball-Bereich daheim und Dirk ist mit Handball aufgewachsen. Dirk hat ja nebenher noch Tennis gespielt, ehe irgendwann der Schwung zum Basketball kam. Er war aber immer sehr am Handball interessiert und Stefan Kretzschmar hat ihn dann irgendwann bei einer Veranstaltung getroffen und seitdem waren sie eigentlich immer in Kontakt. Dirk hat sich immer informiert, wenn wir bei großen Turnieren waren. Wir sind gleichzeitig immer noch große NBA-Fans. Deswegen war mein großer Wunsch, mir mal ein NBA-Spiel anzuschauen und natürlich in erster Linie eins der Dallas Mavericks. So ist es im Januar 2007 dazu gekommen, dass wir unsere Reise mit einem Kumpel aus Lemgo geplant hatten. Dann konnte ich mir meinen großen Traum erfüllen und wir haben ein Spiel von Dirk gesehen, Dallas gegen die Portland Trailblazers. Das war eine ganz kurzfristige Sache, weil wir nur drei oder vier Tage drüben waren. Die Stadt Dallas hat mich fasziniert und Dirk hat uns natürlich die Eintrittskarten besorgt. Wir hatten super Plätze und er hat uns sogar die Umkleidekabinen, Trainingshalle etc. gezeigt. Das war ein ganz tolles Erlebnis, sich mal eine solche Halle und das ganze Drumherum anzusehen. Dann kam die Situation mit der Rückkehr zur Nationalmannschaft und das Trikot mit der Nummer 8, das ich immer getragen habe, war besetzt und an Sebastian Preiß vergeben. Da hat Kretzsche gesagt: Hallo? Die 41 ist die einzige logische Nummer. Frag doch mal Dirk, ob das für ihn okay ist. Ich habe Dirk angeschrieben und er hat einfach geantwortet: „Da würde ich mich freuen.“

Lass uns reden: Blacky Schwarzer gibt den Originalball aus dem WM-Finale nie mehr her. Harzhelden-Redakteur Michael Deutzmann konnte immerhin kurz testen, ob noch Kleber dran ist. Eindeutiges Urteil: Vielleicht. (Foto: privat)

Hast du denn irgendwie geahnt, dass Heiner Brand dich noch mal anrufen würde?

Natürlich nicht. Wir waren die ganze Zeit in Kontakt, weil Heiner im Vorfeld der WM einen 28er-Kader benennen musste. Da hat er mich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, in diesem Kader zu stehen. Klar, habe ich geantwortet. Das sind doch 28 Leute, da wird schon nichts sein. Das wurde dann vor der WM reduziert auf 21 und da hat er mich auch noch mal gefragt, ob das okay wäre, ob ich zu diesem Fünfer-Kreis gehören würde, der noch nominiert werden könnte. Allerdings waren ja rund um die Mannschaft auch noch Spieler wie Michael Hegemann oder Stefan Schröder, die eigentlich ganz dicht dran waren und immer trainiert hatten. Ich wusste also schon, dass es vielleicht passierten könnte, habe aber nie damit gerechnet.

Viele haben gesagt, ihr wärt nicht Weltmeister geworden, wenn du nicht gekommen wärst. Stimmst du dem zu?

Das werden wir nie erfahren. Im Sport werden ja viele Hypothesen aufgestellt. Mich ehrt das immer und ich höre es auch gerne, wenn es gesagt wird. Ob das aber so ist oder nicht, vermag keiner zu sagen. Ich habe einfach nur versucht, das zu machen, weshalb Heiner mich in die Mannschaft geholt hat. Da ging es vielleicht in erster Linie nicht nur um sportliche Qualitäten. Heiner wusste um meine Qualitäten, weil wir da schon viele Jahre zusammengearbeitet hatten. Er kennt meine Charaktereigenschaften sehr gut und deshalb hat er mich in die Mannschaft geholt. Ich hatte auch Glück, dass ich die beiden ersten Spiele von außerhalb gesehen habe, obwohl ich fürs Fernsehen nah dran war. Ich habe da für mich festgestellt, dass irgendwas fehlt in der Mannschaft. Der Funke war noch nicht so richtig übergesprungen. Vielleicht wären sie trotzdem Weltmeister geworden, wenn ich nicht dabei gewesen wäre. Das weißt du alles nicht. Ich habe einfach nur versucht, meine Qualitäten einzubringen, von denen Heiner wusste, dass ich das kann.

Es wird erzählt, dass du dir nach dem Finale den Endspiel-Ball als Trophäe eingesteckt hast. Richtig oder falsch?

Den kann ich dir zeigen, den habe ich hier bei mir. Ich war in der glücklichen Lage, dass ich auf dem Spielfeld war und mir habe den Ball geben lassen. Dann konnte ich ihn die letzten zwei, drei Sekunden in der Hand halten und habe ihn nicht mehr hergegeben. Das war eine relativ spontane Entscheidung, über die ich mir vorher so gar keine Gedanken gemacht hatte. Ich hatte wohl immer vor Augen, dass sich Basketball-Legende Michael Jordan nach einer Meisterschaft den Ball genommen hat. Bei ihm weiß ich allerdings nicht, ob er ihn behalten hat. Ich habe mir auf jeden Fall den Ball sichern können und darf ihn bis heute mein eigen nennen.

Wie gut ist der Kontakt zu den Mitspielern von damals? Sind persönliche Freundschaften geblieben?

Einige Jungs spielen ja noch aktuell, wenn ich so an Jogi Bitter oder Christian Zeitz denke. Holger Glandorf hätte ja theoretisch auch noch gespielt. Ansonsten machen wir noch die Benefizspiele, bei denen ich Henning Fritz, Markus Baur, Dominik Klein, Flo Kehrmann und viele andere sehe. Da sind ganz viele, die damals im WM-Finale gestanden haben oder auch 2004 bei der Europameisterschaft. Oder zum Beispiel auch ein Michael Krieter, Christian Ramota, Jonny Baruth, Marc Nagel etc., also viele ehemalige erfolgreiche Nationalspieler. Es macht einfach Spaß, sie alle zu treffen. Und das Wichtigste ist, Benefizspiele für gute Zwecke zu machen und meistens Projekte für Kinder. Da treffen wir uns fünf oder sechs Mal pro Jahr. Außerdem haben wir noch eine Gruppe von begeisterten Golfern. Und auch mit denen treffen wir uns mehrmals im Jahr. Deshalb sind da immer noch sehr, sehr gute Kontakte. Die Handball-Familie ist eben unheimlich eng zusammen. Außerdem habe ich damals mit Flo, Markus Baur, Christian Ramota oder Daniel Stephan jahrelang zusammen in Lemgo und in der Nationalmannschaft gespielt. Da sind gute Freundschaften entstanden.

Mit dem Handball hast du ja als gebürtiger Braunschweiger im Norden der Republik angefangen – bei der TSG Bergedorf in Hamburg. Dann bist du mal eben 700 Kilometer umgezogen und hast ein paar Jahre für den TV Niederwürzbach gespielt. Heute lebt der Hanseat Schwarzer im Saarland. Deine neue Heimat?

Als ich fünf war, ist mein Pappa beruflich von Braunschweig nach Hamburg gegangen. Deshalb bin ich da aufgewachsen und habe meine ersten Gehversuche bei der TSG Bergedorf gemacht. Dann bin ich innerhalb Hamburgs nach Wandsbeck gewechselt, bis es zur ersten Profistation nach Fredenbeck ging. 1989 habe ich das erste Länderspiel gemacht und ganz gute Leistungen in der Bundesliga gezeigt. Als 18-Jähriger bin ich mit Fredenbeck plötzlich in die 1. Liga aufgestiegen. Keiner weiß, wie, wo, was und warum, aber alles ging sehr schnell. Und dann hast du plötzlich gegen die Leute gespielt, die du vorher nur aus dem Fernsehen oder der Zeitung kanntest. Das ging alles sehr schnell und ich hatte einfach Glück, in Fredenbeck mit Zbigniew Tluczynski zusammenspielen zu können – mit dem besten Handballer, mit dem ich je zusammengespielt habe. Er war ein Rückraumspieler, der alles hatte, was man so braucht. Er hatte auch ein tolles Auge für den Kreis und davon konnte ich sehr profitieren. Als das Angebot aus Niederwürzbach kam, hatte ich auch Angebote anderer Vereine aus Norddeutschland. Ich habe zusammen mit meiner damaligen Freundin, die heute meine Frau ist, entschieden: Ob wir jetzt 100, 150 Kilometer weggehen oder 750, macht auch keinen Unterschied. Für mich war immer wichtig, dass ich in Fredenbeck einen sehr familiären Klub hatte – also genau das Gleiche wie hier in Niederwürzbach. Von der Perspektive her war mir Niederwürzbach insgesamt am sympathischsten. So habe ich 1991 den Wechsel ins Saarland vollzogen. Wir fühlen uns hier mehr als wohl, gerade in der jetzigen Situation.

Nach dem Ende deiner aktiven Karriere warst du zuerst Jugend-Koordinator und Jugend-Bundestrainer für den DHB und den HV Saar, dann für ein Jahr Trainer der Junioren-Nationalmannschaft. Seit 2016 bist du nur noch als Jugend-Koordinator und Trainer beim HV Saar angestellt. War das alles so geplant ?

Ich habe ja in Saarbrücken zu meiner aktiven Zeit beim TV Niederwürzbach eine Ausbildung als Reiseverkehrskaufmann gemacht und Reisen oder das Planen von Reisen und Urlauben hat mir immer viel Spaß gemacht. Ich hatte dann mit einem Kumpel zusammen die Idee, ein Reisebüro zu eröffnen. Das war allerdings 1999 und ausgerechnet in diesem Jahr ist ja hier der TV Niederwürzbach kaputtgegangen. Also musste ich wechseln, weil ich noch weiter Handball spielen wollte. Wenn du dann nicht am Ort bist und ein Reisebüro eröffnen möchtest, ist das schon schwierig. Wäre ich in Niederwürzbach geblieben, hätten wir sicher ein Reisebüro eröffnet. Wir hatten schon alles – ein Ladenlokal und mit den Veranstaltern schon gesprochen. Es hätte losgehen können, doch es kam der Wechsel nach Barcelona. Da war das mit dem Reisebüro nicht mehr möglich. Die Geschichte mit dem Trainer und Jugend-Koordinator hat sich ergeben, als mich Heiner Brand gefragt hat, ob ich mir vorstellen könnte, mich um die Jugend im deutschen Handball zu kümmern. Ich habe durch die Handball-Camps, die ich organisiert habe, gemerkt, dass mir die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen viel Spaß macht. So ist das im Endeffekt entstanden.

Die Anfänge: Blacky Schwarzer hatte sein Ziel (das Tor) schon in jungen Jahren ziemlich fest im Blick. (Foto: privat)

Das Saarland hat nicht den größten Verband im DHB. Ist es mehr Basisarbeit oder schwerpunktmäßig auf den Leistungssport ausgerichtet? Oder eine Mischung aus beidem?

Es hat sich mit den Jahren verändert. Früher hattest du mit dem TV Niederwürzbach eine Mannschaft in der 1. Liga. Ganz früher mit Saarbrücken und Neukirchen auch, was den Bereich Feldhandball angeht, andere Vereine, die ganz oben gespielt haben. Auch Joachim Deckarm ist hier großgeworden. Im Laufe der Jahre mit der Insolvenz des TV Niederwürzbach 1999 ist der Profihandball weniger geworden. Es gab dann noch mal Altenkessel, die 2. Liga gespielt haben. Später hatten wir jahrelang Saarlouis in der 2. Liga und jetzt ist die HG Saarlouis in der 3. Liga die am höchsten spielende Mannschaft und mein Sohn Kian ist in dieser Saison mit Zweibrücken ebenfalls in die 3. Liga aufgestiegen. Im Frauenbereich gab es hier früher auch Hochburgen mit Neukirchen und Marpingen, die mal 2. Liga gespielt haben. Danach gab es jahrelang nix mehr im Frauen-Handball, aber jetzt ist ja mein ehemaliger Mitspieler Jürgen Hartz Trainer bei den Frauen in Marpingen und mit ihnen aufgestiegen, auch in die 3. Liga. Da kann man jetzt auch im weiblichen Bereich von Leistungs-Handball sprechen. Ansonsten würde ich mir natürlich wünschen, dass wir es über kurz oder lang schaffen würden, eine Mannschaft noch mal in die 2. Liga zu bringen. Bei den Frauen ist das, denke ich, eher schwierig, aber bei den Männern wäre das Potenzial meiner Meinung nach da. Du hast hier die HG Saarlouis, den SV 64 Zweibrücken, der auch eine sehr gute Jugendarbeit macht im männlichen Bereich, und die VT Zweibrücken, die letztes Jahr in der 3. Liga gespielt haben. Diese beiden Mannschaften bekommst du leider nicht zusammen. Das ist immer so ein Thema der handelnden Personen. Würde man beide zusammen nehmen, wäre da so viel Potenzial. Ich denke, über kurz oder lang könnte es, wenn überhaupt, nur die HG Saarlouis schaffen, weil sie da auch wissen, wie das Ganze funktioniert. Im Moment sehe ich das aber auch nicht. Es ist im Saarland eher schwierig.

Und welche Perspektiven haben eure jungen Spieler? Seid ihr nicht „nur“ eine Ausbildungsstätte für die Großen des Handballs?

Ein Daniel Fontaine, ein Yves Kunkel, ein Jerome Müller oder ein Lars Weisgerber und noch einige mehr sind alles Jungs, die hier ausgebildet wurden, aber die 2. Liga hat dann damals einfach nicht mehr gereicht. Die waren so gut, dass es Richtung 1. Liga ging. Dann müssen sie leider das Saarland verlassen. Das ist dann ein logischer Schritt. Ich wünsche mir natürlich, dass die Jungs so lange wie möglich bleiben. Wenn ich mir jetzt vorstellen würde, alle diese Jungs in einer Mannschaft wären hier im Saarland bei welchem Verein auch immer – dann ist das eine Mannschaft für den oberen Bereich in der 2. Liga, wenn nicht sogar für den unteren Bereich der 1. Liga.

Dein Sohn Kian ist 20 und spielt auch Handball. Hat er von sich aus angefangen?

Er war logischerweise immer dabei. Früher war aber immer Fußball die Priorität und irgendwann hat er die richtige Entscheidung getroffen, dass er doch lieber Handball machen möchte – ohne dass ich dazu jemals irgendetwas gesagt habe.

Kann er Profi werden? Soll er Profi werden?

Er kriegt von mir immer die vollste Unterstützung. Auf der einen Seite kann ich ihm in vielen Bereichen helfen, auf der anderen Seite ist es nicht immer ganz so einfach, der Sohn von einem relativ erfolgreichen Pappa zu sein. Das hat immer seine Vor- und Nachteile. Ich weiß aber, dass er ein sehr guter Handballer ist und Profi werden könnte, wenn er das möchte.

Würdest du heute überhaupt einem/einer Jugendlichen raten, ganz auf die Karte Handball zu setzen? Oder muss da noch etwas anderes sein?

Gerade in diesem Bereich bin ich tätig und wir versuchen auch, mit unserer Eliteschule des Sports in Saarbrücken das Thema Ausbildung und Sport ganz eng und super miteinander zu verbinden. Da sind einfach die Eliteschulen des Sports, weil sie vom DOSB gefördert sind, die optimalen Dinge, um Nachwuchs-Leistungssportler zu erziehen und heranzubringen an das große Ziel. Ich würde jedem empfehlen, wenn er die Möglichkeit hat: Versuch das einfach mal. Für viele andere Dinge im Leben haben sie noch genug Zeit. Wenn ich die Möglichkeit habe, muss ich natürlich bereit sein, ein bisschen mehr zu investieren – und bereit sein, auf andere Dinge zu verzichten.

Was braucht denn ein Jugendlicher/eine Jugendliche neben Talent, um den Sprung nach ganz oben zu schaffen?

Die wichtigsten Merkmale, die du haben musst, sind Fleiß und Disziplin. Ohne das hilft dir dein ganzes Talent nichts. Du musst bereit sein, hart dafür zu arbeiten. Sonst hast du keine Chance, ganz nach oben zu kommen.

Stichwort ganz oben. Wenn du die Bundesliga von damals mit heute vergleichst: Was hat sich geändert?

Von meinen Anfängen in der Saison 1987/1988 bis hin zur letzten 2008/2009 ist die Sportart eine komplett andere geworden, was zum Beispiel die Athletik und die Geschwindigkeit anbelangt. In Lemgo haben wir damals mit der schnellen Mitte angefangen, die Liga zu überrollen. Ich habe mir noch mal das WM-Finale von 1978 mit Heiner und vielen anderen tollen Spielern angesehen. Dieses Thema: Ein Tor werfen und dann ganz gemütlich zurück in die eigene Hälfte traben – unglaublich. Die Regeländerung mit der schnellen Mitte hat dem Spiel eine ganz andere Bedeutung gegeben. Der ganze Sport ist viel schneller und viel athletischer geworden. Der Handball hat sich wahnsinnig verändert.

Ist das noch dein Handball?

Ja sicher. Ich durfte ihn ein bisschen mitprägen. Was mich ein bisschen stört, ist dieses Festlegen auf nur Athletik, Athletik, Athletik. Ich finde, dass du auch mit dem technischen Aspekt im Handball so viel machen kannst. Deswegen lasse ich natürlich die Athletik nicht außen vor, weil sie ein wichtiger Bestandteil in jeder Trainingseinheit ist. Aber ich versuche immer, die Grundlagen und Technik zu trainieren – wie Wurf- und Pass-Variationen. Meine Idee ist es, ganzheitliche Spieler auszubilden – und Spieler, die vorne wie hinten gut sind. Ich versuche immer, den kompletten Spieler hinzukriegen. Natürlich gibt es immer mal wieder einen Abwehrspezialisten, aber im Großen und Ganzen sollen von zehn Spielern neun vorne wie hinten gleich gut sein. Das ist gerade im Jugendbereich unsere Verantwortung, dass Kinder und Jugendliche beides machen.

Wer ist im Moment der kompletteste Spieler auf diesem Planeten?

So ein Nikola Karabatic ist natürlich ein Vorzeigebeispiel – in allen Bereichen wie Talent, Willen, Fleiß. Dann spielt er vorne wie hinten und er ist sich für nichts zu schade, er wirft sich in jeden Ball. Das ist einer, von dem ich sagen würde: So etwas wünschst du dir als Trainer, um mit ihnen zu arbeiten und sie vielleicht auch auszubilden. Mein bester Mitspieler war Zbigniew Tlzczynski, der auch vorne wie hinten gleich gut war. Der hat zum Beispiel den Ball genommen, ist gesprungen und hat den Ball ins Tor geworfen. Wir haben ja früher noch bei einem Freiwurf die klassische Dreier-Mauer gestellt, aber dafür brauchst du natürlich die Spieler, die das können. Davon gibt es heutzutage nicht mehr so viele. Für mich war er einer der besten Spieler zu der Zeit, wo ich mit ihm in Fredenbeck zusammengespielt habe. Filip Jicha, mein Kumpel aus Kiel, mit dem ich in Lemgo zusammengespielt habe, war da noch sehr jung, doch man hat schon gemerkt, dass er das Potenzial für ganz nach oben hat. Er war nur noch nicht ganz so weit wie später. Filip war für mich auch so ein Paradebeispiel, er hatte vorne wie hinten eine tragende Rolle und ist gleichzustellen mit Nikola Karabatic. Das sind Spieler, die du auf jede Position auf dem Feld stellen kannst – und sie würden überall eine gute Figur abgeben. Das sind die absoluten Wunschspieler.

Das „falsche“ Werkzeug: Hin und wieder tauscht Blacky Schwarzer den Handball mit Schlägern, weil er in der Freizeit gerne Golf spielt – nicht zuletzt, wenn es um einen guten Zweck geht. (Foto: privat)

Wie kommt der Handball durch die Krise, die er im Moment hat?

Darauf bin ich auch mal gespannt. Ich würde schon sagen, dass es ein paar Vereine gibt, die damit keine Probleme haben – nicht, dass sie darauf vorbereitet sind, sondern weil sie gut aufgestellt sind. Ich denke, die Vereine der Bundesliga oder generell im Handball  sind eben auch auf Zuschauergelder angewiesen, das ist der Unterschied zum Fußball. Deshalb hat man sich auch entschlossen, keine Spieler ohne Zuschauer zu machen. Das bringt im Handball nichts, außer dem sportlichen Vergleich natürlich. Im Fußball machen sie es doch nur, weil da irgendwo 750 Millionen Euro an Fernsehgeldern im Raum stehen. Hilfen wie einen Fonds, um andere Vereine zu retten, gibt es im Handball nicht. Ich weiß nicht, wie da staatliche Hilfen aussehen können oder ob es neben Kurzarbeitergeld sonstige Unterstützungsleistungen gibt. Ich könnte mir vorstellen, dass die Hälfte der Vereine in der 1. Liga oder in der 2. Liga, wo es vielleicht noch gravierender ist, nicht genau wissen, wie es in der nächsten Saison weitergehen kann. Es ist auch in der  Finanzplanung eine Situation entstanden, die kein Mensch vorherahnen konnte. In dem Zusammenhang finde ich es sensationell, dass das Tennis-Turnier in Wimbledon für so einen Ausfall eine Versicherung hat. Die Frage, wie es nach dem Ganzen weitergeht, wird für den Handball eine entscheidende Sache werden. Und es ist die Frage, ob es für einige überhaupt weitergeht.

Hat der DHB durch sein Krisen-Management überzeugt?

Das musst du ein bisschen zweigeteilt sehen. 1. und 2. Liga sind ja rein HBL-geführt. Alles darunter ab 3. Liga bis hin zu den Landesverbänden, die wiederum selbst entscheiden und nur DHB-Empfehlungen bekommen, ist es wieder etwas anderes. Ob man da jetzt falsch oder richtig entschieden hat – keine Ahnung. Da kannst du keinem die Schuld geben, denn du musst die Situation nehmen, wie sie ist, und das Beste draus machen. Mich haben nur wieder Aussagen vom DHB irritiert, die es rund um das erste Länderspiel von Alfred Gislasson gab, wie man denn das Länderspiel in Magdeburg absagen könnte. Alle Sportveranstaltungen werden abgesagt und da soll plötzlich das Länderspiel sein, weil es eine besondere Konstellation war mit dem Bundestrainerwechsel? Da gab es noch so eine Aussage vom Vizepräsidenten Leistungssport aus Berlin, als er sinnbildlich gesagt hat: Wenn der Rauch verzogen ist, werden wir sehen, wer alles in der Asche liegt. Das sind alles so Dinge, die gehen gar nicht in der aktuellen Situation, in der es um Krisenmanagement und Menschenleben geht. Eigentlich ist zu so etwas jedes Wort, das man verliert, zu viel.

Warum ist Handball der geilste Sport überhaupt?

Weil er alle Aspekte mitbringt, die für mich eine Sportart ausmachen. Da fängt es an mit Dynamik, Kampf, Willen, Ehrgeiz, Ehrlichkeit, Teamgeist und Disziplin. Wenn man sieht, wie die Spieler beim Fußball mit dem Schiedsrichter und den Offiziellen umgehen, ist das für mich immer so eine Sache, bei der ich mich frage: Haben die ein schlechtes Elternhaus gehabt? So kann ich doch nicht mit anderen Menschen umgehen. Es gibt beim Handball keine Spiele, die 0:0 ausgehen, es passiert immer was. Da kannst du nicht mal eben rausgehen und dir eine Wurst kaufen, weil du dann plötzlich sechs, sieben oder acht Tore verpasst hast und das ganze Spiel hat sich gedreht. Deshalb ist für mich Handball die schönste Sportart. Es gibt viele andere tolle Sportarten, die ich auch gerne mach wie Golf oder Tennis, aber im Mannschaftssport ist einfach Handball das, was am meisten Spaß macht. Es passiert immer was und ich kann mir Handball auch im Fernsehen anschauen. Dann gehe ich in die Halle und bekomme das ganze Drumherum noch mit – und dann sagt jeder, das gibt es doch gar nicht. Diese Action kannst du so hautnah nirgendwo anders spüren.

Hast du aktuell so etwas wie einen persönlichen Harzhelden?

Eigentlich nicht. Ich hatte auch für mich so keine Vorbilder im Handball. Ich habe mich immer an Sportgrößen meistens aus anderen Sportarten orientiert. Michael Jordan oder Magic Johnson in der NBA waren welche, auch Boris Becker hat mich geprägt, als ich aufgewachsen bin. Ich lese heute noch sehr gerne Biografien von erfolgreichen Sportlern. Ich habe versucht, mir da von jedem Einzelnen irgendwo das Beste rauszusuchen und abzugucken. Im Handball hatte ich nie ein richtiges Vorbild.

Ein Blick voraus: Was macht Blacky Schwarzer in zehn Jahren?

Ich bin jemand, der im Heute, Hier und Jetzt lebt. Ich habe leider relativ früh meinen Pappa verloren und da klingelt es mir immer in den Ohren, wenn ich diesen Satz höre: Irgendwann mache ich das mal oder das mal. Diesen Satz kann ich einfach nicht mehr hören. Das scheint aber generationsbedingt zu sein, dass die Leute in diesem Alter immer wieder erst einen Plan hatten, alles zu beenden und irgendwann erst Zeit für die schönen Dinge zu haben. Ich habe dann meine Sichtweise auf viele Dinge verändert nach dem Tod meines Pappas. Da haben sich für mich noch einmal Werte in meinem Leben verändert. Ich hoffe, dass in zehn Jahren meine Familie noch gesund ist und dass es uns allen gut geht. Alles, was sonst kommt, lassen wir einfach auf uns zukommen. Wir genießen die Zeit, auch die jetzt, weil wir lange nicht mehr so viel Zeit miteinander verbracht haben. Ich muss trotzdem ehrlich gestehen, dass mir so langsam die Kinder und das Training fehlen, obwohl mir ganz viele schreiben. Mit fehlt es, mit den Kindern in der Halle zu stehen. Ich würde mir wünschen, dass es wieder losgehen würde. Aber was in zehn Jahren ist? Bis dahin möchte ich viele tolle Dinge erlebt haben mit meiner Familie und meinen Freunden. Ich möchte tolle Reisen gemacht haben. Was ich sagen kann: Wir werden auf jeden Fall hier in Niederwürzbach sein, denn ich glaube nicht, dass wir unseren Standort noch einmal verändern.

Gibt es irgendwas, das deine Fans noch wissen sollten?

Ich versuche, so wenig wie möglich über meine Familie zu reden, weil das Privatsache ist. Ansonsten wurde doch über mich so gut wie alles geschrieben, was geschrieben werden durfte oder konnte. Ich habe da keine Geheimnisse. Ich werde weiterhin meine Meinung sagen zu unterschiedlichen Themen, wenn ich dazu gefragt werde. Ich lasse mir mit Sicherheit von niemandem den Mund verbieten, auch wenn das einigen Leuten nicht so gefällt. Aber das habe ich immer gemacht und damit bin ich immer gut gefahren, auch wenn man damit mal aneckt. Ich werde immer so bleiben, wie ich bin. Die Leute, die mich besser kennen, wissen, warum ich welche Dinge so gemacht habe. Ich bin niemand, der sich verstellen kann. Ich möchte als der Christian Schwarzer akzeptiert werden, der ich immer war. Ich werde immer versuchen, das beizubehalten.