Regionalliga Nordrhein/Oberliga Niederrhein
Michael Girbes: Über Liebe zum Handball und Fußball im Training
Der Vorsitzende der Technischen Kommission am Niederrhein erzählt im Harzhelden-Interview, was ihn an seinem Sport reizt - der ihm zurzeit echt viel Arbeit macht.

Richtungsweisend: In seiner Zeit als Schiedsrichter war Michael Girbes auch schon ein Freund klarer Ansagen. (Foto: privat)

Er gehört zu denen, ohne die der Handball einfach nicht laufen würde. Am Niederrhein ist Michael Girbes, der im Alpener Ortsteil Menzelen im Kreis Wesel lebt, als Vorsitzender der Technischen Kommission federführend für den Spielbetrieb zuständig – wobei er schon mal Wert darauf legt, nur Mitglied in einem Team zu sein, in dem viele gemeinsam die Ärmel hochkrempeln. Früher stand der 47-Jährige als Schiedsrichter bis hoch in die 3. Liga auf der Platte und hobbymäßig weiß er als Spieler, was in  der 2. Kreisklasse passiert. Von sich selbst sagt Michael: „Ich kann kein Handball spielen. Ich kann nur zerstören.“ Sein persönliches Vorbild ist Ex-Nationalspieler Oliver Roggisch, der heutige Team-Manager der deutschen Nationalmannschaft, dessen zupackende Art es ihm angetan hat. Fit hält sich Girbes durch Joggen und die Treffen mit einer „Rentnertruppe“ aus Handballern. Die Herren treffen sich donnerstags für anderthalb Stunden – und zwar zum Fußball. Im Harzhelden-Interview zeigt sich nicht zuletzt eins: Michael Girbes ist auf der einen Seite ein ernsthafter Arbeiter. Und auf der anderen Seite immer für einen Scherz gut. Besonders ausgeprägt ist seine feine Selbst-Ironie.

 

Wie sehr hast du im Moment das Bedürfnis, ein bisschen Urlaub vom Handball zu machen?

Sehr. Das ist tatsächlich sehr anstrengend gerade durch Corona. Eigentlich sind ja die Staffelleiter da, die mit dem Tagesgeschäft zu tun haben. Bei mir im Kreis Wesel habe ich als Männerspielwart ein bisschen was damit zu tun. Eigentlich als TK-Vorsitzender während des Spielbetriebs relativ wenig. Aber es kommen tatsächlich sehr viele Fragen von Presse und Vereinen, die alle wissen wollen: Was macht ihr? Ich bin da so etwas wie der Prellbock und fange die Gespräche auf.

Und wie hast du die vergangenen Monate mit dem Abbruch der Saison empfunden?

Überrollend trifft es. Das Problem war ja, dass wir alle sehr überrascht worden sind. Zu einer Anfrage am Mittwochmorgen, wie es am Wochenende aussieht, habe ich gesagt, dass wir auf jeden Fall spielen. Mittags habe ich gesagt, ich glaube wir spielen, und abends dann – nee, wir spielen nicht mehr. Du bist stündlich erschlagen worden von den ganzen Entscheidungen und Plänen. Wir wissen ja jetzt immer noch nicht, was kommt. Wir planen zwar am Niederrhein die Saison, aber wer weiß das, ob wir Anfang September beginnen?

Warst du dir mit den Kollegen im Verband und in den Kreisen immer einig?

Das kann ich sehr deutlich mit einem Ja antworten. Alle Entscheidungen sind relativ schnell ohne große Diskussionen gefallen. Es hat nahezu keine Diskussionen gegeben, andere Wege zu gehen. Das war in der TK so, im Präsidium und im erweiterten Präsidium. Als es um Abbruch oder Aufstiegsregelung ging, das war alles ohne große Verzögerung.

Und mit den Handelnden in den Vereinen? Es waren ja nicht alle mit jeder Entscheidung einverstanden.

Natürlich fühlen sich die, die um den Aufstieg mitgespielt haben, ein Stück weit benachteiligt. Wir wissen aber alle, dass wir keine hundert Prozent faire Entscheidung haben treffen können, ob mit Hinrunden-Tabelle oder Quotientenregelung. Ich denke, dass wir am Ende eine faire Entscheidung getroffen haben – so fair, wie es eben geht.  

Weil es doch immer viel Arbeit ist: Warum wird man überhaupt Vorstand eines Kreises oder einer TK?

Ich war viele Jahre lang Schiedsrichter, bis zur 3. Liga hoch. Da ist es eine Grundvoraussetzung, verrückt zu sein. Sonst darfst du das schon gar nicht machen. Diese Grundvoraussetzung hat sich durchgezogen bis jetzt, ins hohe Alter hinein. Im Augenblick ist es ein bisschen anstrengend, aber natürlich macht das meistens auch viel Spaß. Ich bin keiner, der nur nörgelt, sondern ich versuche, auch andere Vorschläge hinzukriegen. Das gefällt nicht immer und manchmal ecke ich damit auch an. Aber das ist meine Mentalität.

Anmerkung: Michael Girbes ist 47 Jahre jung.

Stichwort Technische Kommission: Das klingt ja wirklich sehr technisch. Was ist das eigentlich genau?

Dazu gehören der komplette Spielbetrieb und das Schiedsrichterwesen sowie Schul- und Breitensport, die komplette Spieltechnik eben. Es sind zwar alle in ihren Bereichen eigenverantwortlich, aber in der heutigen Zeit lastet das schon sehr viel aus.

In zivil: Seinen Lebensunterhalt verdient der Handball-Verrückte Michael Girbes, indem er Unternehmen oder Behörden in Sicherheitsfragen berät. (Foto: privat)

Stimmt es eigentlich, dass du mitverantwortlich für die Einführung der Ergebnis-Plattform Nuliga warst? Läuft da inzwischen alles rund?

Ja, ich war der Projekt-Verantwortliche dafür. Es tauchen immer noch ein paar Kinderkrankheiten auf, aber in der Regel Fehler, die in der Anwendung gemacht werden. Wird bei der Eingabe mal ein Haken falsch gesetzt, wird das relativ schnell korrigiert. Wir haben noch ein, zwei Dinge, die wir einstellen müssen, aber die hatten bisher keine Priorität. Vom Spieltechnischen her klipp und klar: Das läuft. Das eine oder andere müssen wir noch justieren. Es war doch schon in dieser Saison so, dass jeder auf die Seite gehen und sich informieren kann.

Wie wichtig ist für dich in diesem Zusammenhang Datenschutz?

Der ist natürlich sehr wichtig, in beruflichen Dingen wie im Handball auch. Wir haben versucht, eine datenschutzrechtliche Lösung hinzukriegen. Jetzt sind die Vereine gefordert, die Passbilder reinzuladen – und die Freigaben der Spieler zu holen. Die Spieler müssen einen Zugang haben und dann können sie selber zustimmen, wie ihre Daten veröffentlicht werden dürfen. Das ist kontinuierlich ein Thema und wir haben alle Vereine noch einmal angeschrieben, daran zu denken. Irgendwann müssen wir mal den status quo erreichen.

Du warst selbst einmal unterklassig als Handballer aktiv. Vermisst du nicht was? Manche spielen ja mit 47 noch…

Als sich meine Schiedsrichter-Karriere dem Ende entgegenneigte, habe ich angefangen, ein bisschen hobbymäßig in der 2. Kreisklasse zu spielen. Meine Karriere lag eindeutig auf der Schiedsrichterei. Ich habe dann noch ein bisschen was gemacht, damit ich nicht allzu sehr auseinandergehe. Heute fehlt es mir so ein bisschen, einfach mal Dampf abzulassen auf der Platte. Ich gehe tatsächlich ein bisschen laufen und wir haben bei einem anderen Verein in Wesel eine Handball-Rentertruppe. Da spielen wir donnerstagsabends anderthalb Stunden Fußball. Das ist einfach für den Spaß, das Bier und die Figur.

Du warst höherklassig bis in die 3. Liga als Schiedsrichter unterwegs. Kannst du heute auf der Tribüne einfach nur Fan sein oder wirfst du immer ein Auge auf die Kollegen?

Da bin ich eher noch neutral, weil der Schiedsrichter noch in mir drinsteckt. Ich achte tatsächlich viel auf das Drumherum und erwische mich oft dabei, dass ich weniger auf das Spiel schaue, sondern auf das, was am Kampfgericht und auf den Bänken passiert oder wie die Schiedsrichter reagieren. Solche Sachen schaue ich mir ein bisschen mehr mit an als der normale Zuschauer. Meine Frau hat irgendwann mal bei einem Spiel in Düsseldorf gegen Kiel gefragt: Hast du das gesehen? Und ich musste antworten: Nein, ich hab zum Schiedsrichter geguckt. Entschuldigung.

Du bist selbstständiger Berater von Unternehmen und Dozent in den Bereichen Ladungssicherung, Gefahrgut und Qualitäts-Management. Wie kam es dazu und was heißt das genau?

Der Bedarf da ist riesengroß, egal ob bei kleinen Unternehmen, großen Unternehmen, LKW oder Kleintransporten. Wenn ich da mal die Ladungssicherung nehme, fahren 80 oder 90 Prozent nicht oder nicht ausreichend gesichert. Viele kennen da ihre Verantwortung nicht. Zwischendurch berate ich auch Kontrollbehörden. Ich war bis vor zwei, zweieinhalb Jahren fest angestellt und habe dann beschlossen, mich selbstständig zu machen. Ich wollte mich verändern.

Gibt es im Spitzen-Handball für dich einen Lieblingsspieler, bei dem du sagst: Der hat alles und der wäre einer für uns hier?

Ganz klar ein ehemaliger Spieler: Oliver Roggisch. Ich bin genauso bekloppt in der Abwehr. Ich kann kein Handball spielen und ich habe über 20 Jahre den Ball nur zum Mittelkreis getragen. Ich kann ein Spiel lenken und ich kann ein Spiel langsam machen, aber ich habe keine Wurfkraft und keine Sprungkraft. Ich kann halt in der Abwehr zupacken. Es gab wenige Spiele, wo ich mir nicht regelmäßig Zeitstrafen abgeholt habe. Ich kann nicht spielen, ich kann nur „verteidigen“ – und das ist Oliver Roggisch.

Wo steht der Handball am Niederrhein in drei Monaten?

Wenn ich das wüsste, würde ich Lotto spielen. Ich habe überhaupt keine Ahnung. Ich hoffe natürlich, dass wir wieder spielen können. Wir sind so schnell runtergefahren in Deutschland und fahren überraschend genauso schnell wieder hoch. Wir dürfen ja ab 31. Mai wieder Handball spielen, wenn es die Kommunen zulassen.

Und wirst du dir das letzte August-Wochenende freihalten?

Wir müssen natürlich schauen, ob wir dann wirklich starten, ob der Termin so haltbar ist oder ob wir ein, zwei Spieltage noch mal schieben müssen. Ich hoffe es sehr, dass wir ab September spielen.

Wird es für Michael Girbes irgendwann mal ein Leben ohne Handball geben? Geht das überhaupt?

Doch, das kann ich mir vorstellen, irgendwann. Es ist zwei Jahre her, da habe ich süffisant gesagt, dass ich ab jetzt zehn Jahre im Handball arbeite im Bereich der TK und dann noch zehn Jahre als Kreisvorsitzender weiter etwas Repräsentatives mache – und dann höre ich ganz auf. Heute würde ich sagen: Ich mache wirklich noch zehn Jahre und dann muss es reichen. Dann ist Schluss.