Regionalliga Nordrhein
Nelson Weisz: Der Lehrer und seine Rolle bei TuSEM Essen
Als Trainer der Zweiten führt er auch in der kommenden Saison junge Spieler an die Erste heran, die jetzt in der Bundesliga zu Hause ist.

Ist doch logisch: Trainer Nelson Weisz reizt die Aufgabe, junge Spieler zu fordern und fördern, immer wieder aufs Neue. (Foto: Thomas Ellmann)

Das Jahr davor war vermutlich sportlich aufregender. Jedenfalls für die zweite Mannschaft des Traditionsvereins TuSEM Essen. Damals mischte das Team von Trainer Nelson Weisz schließlich in der Spitzengruppe der Regionalliga Nordrhein mit – und beeinflusste am Ende sogar den Kampf um die Meisterschaft. Am vorletzten Spieltag 2018/2019 machten die Essener durch ihr 28:27 beim Tabellenführer MTV Rheinwacht Dinslaken den Weg frei für dessen Verfolger SG Ratingen. Dachten alle. Den Ratingern fehlte jetzt schließlich beim Finale nur noch ein Punkt. Doch TuSEM II hielt sich nicht an die vorherrschende Meinung, bezwang die Ratinger mit einem 30:29 ebenfalls und beförderte doch die Dinslakener in die Qualifikation zur 3. Liga. Hinter der Rheinwacht und Ratingen (beide 38:14 Punkte) komplettierte Essen als Dritter gemeinsam mit dem TuS 82 Opladen (beide 35:17) die Spitzengruppe, hinter der sich eine Lücke von sechs Zählern bis zum Fünften TV Korschenbroich auftat (29:23). Das Jahr darauf werden sie im Ruhrgebiet dennoch ebenfalls in Erinnerung behalten, weil die Serie coronabedingt nach nur 19 von 26 Spieltagen abgebrochen wurde und sich gleichzeitig alles auf die Erste konzentrierte. In der 2. Liga konnte TuSEM zwar auch nur 24 von 34 vorgesehenen Partien absolvieren, aber am Ende trotz des Abbruchs feiern: Platz zwei war letztlich das Ticket für die Rückkehr in die 1. Liga. Was war da schon der siebte Rang der Essener Zweiten wert, die mit 20:18 Zählern und einem negativen Torverhältnis (526:536) diesmal nur zu einem breiten Mittelfeld gehörte? Für Weisz stellt sich die Frage nicht: „Natürlich willst du immer so viele Spiele wie möglich gewinnen. Aber unsere Aufgabe ist es in erster Linie, weiter Spieler für die erste Mannschaft auszubilden und den jungen Spielern zu ermöglichen, dass sie Erfahrung sammeln.“

Gemessen daran sieht er die wechselvolle vergangene Serie mit einigen Höhen und Tiefen durchaus als Erfolg. Ein Beleg: Torhüter-Talent Nils Conrad, gleichzeitig bei der TuSEM-A-Jugend in der Bundesliga und im Regionalligateam im Einsatz, unterschrieb vor einiger Zeit einen Zwei-Jahres-Vertrag beim Zweitligisten VfL Lübeck-Bad Schwartau. In Julian Borchert, der jetzt beim Drittligisten SG Schalksmühle-Halver Dragons mehr Praxis sammeln soll, war ein weiterer junger Keeper mit zwei Einsätzen am Aufstieg in die höchste deutsche Klasse beteiligt. Der noch 17 Jahre alte Laurenz Kluth durfte sich ebenfalls schon „oben“ beweisen, auch Luca Lewandowski (25) hinterließ dort einen ordentlichen Eindruck. Daraus ergibt sich, dass Essen II ein reiner Ausbildungs-Betrieb ist – und sich der Verein insgesamt vielleicht irgendwann mit dem Thema 3. Liga befassen wird. Für die kommende Saison spielt das Thema jedoch noch keine Rolle. „Aktuell ist das nicht geplant“, sagt Nelson Weisz, der auf zahlreiche bisherige Stammkräfte bauen kann und mit seinem Team inzwischen sogar wieder im Hallen-Training steht.

Schmerzfrei: Jordi Weisz (mit Ball) geht im „Auftrag“ seines Trainer-Bruders Nelson Weisz bisweilen auch in die Zonen, in denen die gegnerischen Abwehrspieler besondern heftig zupacken. Hier denken die Opladener Jan Jagieniak (links) und Johannes Sonnenberg (rechts) nicht daran, den Essener zu schonen. (Foto: Thomas Ellmann)

Eins der Ziele dürfte es sein, wieder mehr Konstanz herzustellen. Zuletzt sah die Serie der Essener aus wie eine mindestens sehr abwechslungsreiche Berg- und Talfahrt: Auftakt mit 7:1 Punkten, vier Spiele ohne einen einzigen Zähler, vier Spiele ohne Niederlage mit 6:2 Punkten, Niederlage, Unentschieden, Niederlage, Sieg, Sieg, Niederlage, Sieg. TuSEM schwankte zwischen defensiv starken Vorstellungen wie beim 20:19 in Weiden und kassierte nur wenig später mit dem 31:37 in Opladen überdurchschnittlich viele Gegentreffer. Drei Erfolge aus vier Auftritten auf der Zielgeraden mit dem 27:26 am 8. März in eigener Halle gegen den TV Rheinbach brachten das Konto durch weitere 6:2 Zähler immerhin ins Positive. Was damals niemand ahnen konnte: Es war der letzte aktive Einsatz vor dem Saison-Abbruch und damit das vorgezogene Finale, das die Bilanz wenigstens ins Plus drehte. TSV Bonn rrh., HG Remscheid, HSG Siebengebirge, TV Jahn Köln-Wahn, TV Korschenbroich, TV Aldekerk und BTB Aachen wären die übrigen Stationen gewesen. Und nicht mal Nelson Weisz hätte wohl vorhersagen wollen, was für seine Mannschaft in diesem Programm herausgesprungen wäre. Theoretisch hätte es wohl tatsächlich wieder das Resultat von 2019/2020 werden können, weil der Dritte Korschenbroich (23:15) jetzt nur drei Punkte entfernt lag.

Eine gesicherte Erkenntnis ist, dass ein Mitglied aus der handball-verrückten Familie Weisz nicht wirklich ohne seinen Lieblingssport auskommen kann. Das gilt selbstredend auch und vielleicht erst rechts für Nelson Weisz: „Dieses Jahr will ich unbedingt noch machen.“ Damit meint er in erster Linie die Aufgabe in Essen, die als Unterbau einer Bundesliga-Mannschaft ganz besondere Anforderungen stellt. Daneben gilt zu berücksichtigen, dass Weisz als angehender Lehrer (Sport, Geschichte) im November mit seinem Referendariat beginnt. So viel Handball wie in der vergangenen Serie wird es deshalb aller Voraussicht nach nicht mehr werden: Da war der TuSEM-Coach nebenbei Aushilfsspieler beim Oberligisten TV Lobberich und Aushilfe im Trainerstab bei den Regionalliga-Frauen der SG Überruhr – dem Verein seiner Schwestern Ronja und Sinje. Angesichts dieses Pakets bot ihm die längere Pause nach der abgebrochenen Saison die Gelegenheit, alle Akkus wieder aufzuladen. Mittlerweile ist das Kribbeln aber längst zurück und Nelson Weisz brennt darauf, dass es im späten Sommer wieder mit Meisterschaftsspielen losgeht. Ganz nebenbei: Aus dem Lobbericher Kader ist er nicht ausgestiegen und nebenbei könnte er sich vorstellen, die Trainer-A-Lizenz nachzuholen. Wenn das nicht nach dem nächsten aufregenden Jahr aussieht.